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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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zwinkern, denn der Großvater mit dem langen Bart und
den dichten, grauen Augenbraunen, die in der Mitte zu¬
sammengewachsen waren und aussahen wie eine Art Ge¬
sträuch, war so verwunderlich anzusehen, daß Heidi ihn recht
betrachten mußte. Unterdessen war auch die Base heran¬
gekommen sammt dem Peter, der eine Weile stille stand und
zusah, was sich da ereigne.

"Ich wünsche Euch guten Tag, Oehi", sagte die Dete,
hinzutretend, "und hier bring' ich Euch das Kind vom To¬
bias und der Adelheid. Ihr werdet es wohl nicht mehr
kennen, denn seit es jährig war, habt Ihr es nie mehr
gesehen."

"So, was muß das Kind bei mir?" fragte der Alte
kurz, "und du dort", rief er dem Peter zu, "du kannst
gehen mit deinen Gaißen, du bist nicht zu früh, nimm
meine mit!"

Der Peter gehorchte sofort und verschwand, denn der
Oehi hatte ihn angeschaut, daß er schon genug davon hatte.

"Es muß eben bei Euch bleiben, Oehi", gab die Dete
auf seine Frage zurück. "Ich habe, denk' ich, das Meinige
an ihm gethan die vier Jahre durch, es wird jetzt wohl an
Euch sein, das Eurige auch einmal zu thun."

"So", sagte der Alte und warf einen blitzenden Blick
auf die Dete. "Und wenn nun das Kind anfängt dir
nachzuflennen und zu winseln, wie kleine Unvernünftige
thun, was muß ich dann mit ihm anfangen?"

Kleine Geschichten. III. 2

zwinkern, denn der Großvater mit dem langen Bart und
den dichten, grauen Augenbraunen, die in der Mitte zu¬
ſammengewachſen waren und ausſahen wie eine Art Ge¬
ſträuch, war ſo verwunderlich anzuſehen, daß Heidi ihn recht
betrachten mußte. Unterdeſſen war auch die Baſe heran¬
gekommen ſammt dem Peter, der eine Weile ſtille ſtand und
zuſah, was ſich da ereigne.

„Ich wünſche Euch guten Tag, Oehi“, ſagte die Dete,
hinzutretend, „und hier bring' ich Euch das Kind vom To¬
bias und der Adelheid. Ihr werdet es wohl nicht mehr
kennen, denn ſeit es jährig war, habt Ihr es nie mehr
geſehen.“

„So, was muß das Kind bei mir?“ fragte der Alte
kurz, „und du dort“, rief er dem Peter zu, „du kannſt
gehen mit deinen Gaißen, du biſt nicht zu früh, nimm
meine mit!“

Der Peter gehorchte ſofort und verſchwand, denn der
Oehi hatte ihn angeſchaut, daß er ſchon genug davon hatte.

„Es muß eben bei Euch bleiben, Oehi“, gab die Dete
auf ſeine Frage zurück. „Ich habe, denk' ich, das Meinige
an ihm gethan die vier Jahre durch, es wird jetzt wohl an
Euch ſein, das Eurige auch einmal zu thun.“

„So“, ſagte der Alte und warf einen blitzenden Blick
auf die Dete. „Und wenn nun das Kind anfängt dir
nachzuflennen und zu winſeln, wie kleine Unvernünftige
thun, was muß ich dann mit ihm anfangen?“

Kleine Geſchichten. III. 2
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[17/0027] zwinkern, denn der Großvater mit dem langen Bart und den dichten, grauen Augenbraunen, die in der Mitte zu¬ ſammengewachſen waren und ausſahen wie eine Art Ge¬ ſträuch, war ſo verwunderlich anzuſehen, daß Heidi ihn recht betrachten mußte. Unterdeſſen war auch die Baſe heran¬ gekommen ſammt dem Peter, der eine Weile ſtille ſtand und zuſah, was ſich da ereigne. „Ich wünſche Euch guten Tag, Oehi“, ſagte die Dete, hinzutretend, „und hier bring' ich Euch das Kind vom To¬ bias und der Adelheid. Ihr werdet es wohl nicht mehr kennen, denn ſeit es jährig war, habt Ihr es nie mehr geſehen.“ „So, was muß das Kind bei mir?“ fragte der Alte kurz, „und du dort“, rief er dem Peter zu, „du kannſt gehen mit deinen Gaißen, du biſt nicht zu früh, nimm meine mit!“ Der Peter gehorchte ſofort und verſchwand, denn der Oehi hatte ihn angeſchaut, daß er ſchon genug davon hatte. „Es muß eben bei Euch bleiben, Oehi“, gab die Dete auf ſeine Frage zurück. „Ich habe, denk' ich, das Meinige an ihm gethan die vier Jahre durch, es wird jetzt wohl an Euch ſein, das Eurige auch einmal zu thun.“ „So“, ſagte der Alte und warf einen blitzenden Blick auf die Dete. „Und wenn nun das Kind anfängt dir nachzuflennen und zu winſeln, wie kleine Unvernünftige thun, was muß ich dann mit ihm anfangen?“ Kleine Geſchichten. III. 2

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/27>, abgerufen am 29.04.2024.