Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Ort zum andern wanderte und immer etwas ausbesserte
oder wegschlug, je nach dem Bedürfniß. Heidi ging Schritt
für Schritt hinter ihm her und schaute ihm unverwandt
mit der größten Aufmerksamkeit, zu und Alles, was da vor¬
ging, war ihm sehr kurzweilig anzusehen. So kam der
Abend heran. Es fing an stärker zu rauschen in den alten
Tannen, ein mächtiger Wind fuhr daher und sauste und
brauste durch die dichten Wipfel. Das tönte dem Heidi so
schön in die Ohren und in's Herz hinein, daß es ganz
fröhlich darüber wurde, und hüpfte und sprang unter den
Tannen umher, als hätte es eine unerhörte Freude erlebt.
Der Großvater stand unter der Schopfthür und schaute dem
Kinde zu. Jetzt ertönte ein schriller Pfiff. Heidi hielt an
in seinen Sprüngen, der Großvater trat heraus. Von oben
herunter kam es gesprungen, Gaiß um Gaiß, wie eine Jagd
und mitten drin der Peter. Mit einem Freudenruf schoß
Heidi mitten in den Rudel hinein und begrüßte die alten
Freunde von heute Morgen einen um den andern. Bei der
Hütte angekommen, stand Alles still und aus der Heerde
heraus kamen zwei schöne, schlanke Gaißen, eine weiße und
eine braune auf den Großvater zu und leckten seine Hände,
denn er hielt ein wenig Salz darin, wie er jeden Abend
zum Empfang seiner zwei Thierlein that. Der Peter ver¬
schwand mit seiner Schaar. Heidi streichelte zärtlich die
eine und dann die andere von den Gaißen und sprang um
sie herum, um sie von der andern Seite auch zu streicheln,

Ort zum andern wanderte und immer etwas ausbeſſerte
oder wegſchlug, je nach dem Bedürfniß. Heidi ging Schritt
für Schritt hinter ihm her und ſchaute ihm unverwandt
mit der größten Aufmerkſamkeit, zu und Alles, was da vor¬
ging, war ihm ſehr kurzweilig anzuſehen. So kam der
Abend heran. Es fing an ſtärker zu rauſchen in den alten
Tannen, ein mächtiger Wind fuhr daher und ſauſte und
brauſte durch die dichten Wipfel. Das tönte dem Heidi ſo
ſchön in die Ohren und in's Herz hinein, daß es ganz
fröhlich darüber wurde, und hüpfte und ſprang unter den
Tannen umher, als hätte es eine unerhörte Freude erlebt.
Der Großvater ſtand unter der Schopfthür und ſchaute dem
Kinde zu. Jetzt ertönte ein ſchriller Pfiff. Heidi hielt an
in ſeinen Sprüngen, der Großvater trat heraus. Von oben
herunter kam es geſprungen, Gaiß um Gaiß, wie eine Jagd
und mitten drin der Peter. Mit einem Freudenruf ſchoß
Heidi mitten in den Rudel hinein und begrüßte die alten
Freunde von heute Morgen einen um den andern. Bei der
Hütte angekommen, ſtand Alles ſtill und aus der Heerde
heraus kamen zwei ſchöne, ſchlanke Gaißen, eine weiße und
eine braune auf den Großvater zu und leckten ſeine Hände,
denn er hielt ein wenig Salz darin, wie er jeden Abend
zum Empfang ſeiner zwei Thierlein that. Der Peter ver¬
ſchwand mit ſeiner Schaar. Heidi ſtreichelte zärtlich die
eine und dann die andere von den Gaißen und ſprang um
ſie herum, um ſie von der andern Seite auch zu ſtreicheln,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="28"/>
Ort zum andern wanderte und immer etwas ausbe&#x017F;&#x017F;erte<lb/>
oder weg&#x017F;chlug, je nach dem Bedürfniß. Heidi ging Schritt<lb/>
für Schritt hinter ihm her und &#x017F;chaute ihm unverwandt<lb/>
mit der größten Aufmerk&#x017F;amkeit, zu und Alles, was da vor¬<lb/>
ging, war ihm &#x017F;ehr kurzweilig anzu&#x017F;ehen. So kam der<lb/>
Abend heran. Es fing an &#x017F;tärker zu rau&#x017F;chen in den alten<lb/>
Tannen, ein mächtiger Wind fuhr daher und &#x017F;au&#x017F;te und<lb/>
brau&#x017F;te durch die dichten Wipfel. Das tönte dem Heidi &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chön in die Ohren und in's Herz hinein, daß es ganz<lb/>
fröhlich darüber wurde, und hüpfte und &#x017F;prang unter den<lb/>
Tannen umher, als hätte es eine unerhörte Freude erlebt.<lb/>
Der Großvater &#x017F;tand unter der Schopfthür und &#x017F;chaute dem<lb/>
Kinde zu. Jetzt ertönte ein &#x017F;chriller Pfiff. Heidi hielt an<lb/>
in &#x017F;einen Sprüngen, der Großvater trat heraus. Von oben<lb/>
herunter kam es ge&#x017F;prungen, Gaiß um Gaiß, wie eine Jagd<lb/>
und mitten drin der Peter. Mit einem Freudenruf &#x017F;choß<lb/>
Heidi mitten in den Rudel hinein und begrüßte die alten<lb/>
Freunde von heute Morgen einen um den andern. Bei der<lb/>
Hütte angekommen, &#x017F;tand Alles &#x017F;till und aus der Heerde<lb/>
heraus kamen zwei &#x017F;chöne, &#x017F;chlanke Gaißen, eine weiße und<lb/>
eine braune auf den Großvater zu und leckten &#x017F;eine Hände,<lb/>
denn er hielt ein wenig Salz darin, wie er jeden Abend<lb/>
zum Empfang &#x017F;einer zwei Thierlein that. Der Peter ver¬<lb/>
&#x017F;chwand mit &#x017F;einer Schaar. Heidi &#x017F;treichelte zärtlich die<lb/>
eine und dann die andere von den Gaißen und &#x017F;prang um<lb/>
&#x017F;ie herum, um &#x017F;ie von der andern Seite auch zu &#x017F;treicheln,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0038] Ort zum andern wanderte und immer etwas ausbeſſerte oder wegſchlug, je nach dem Bedürfniß. Heidi ging Schritt für Schritt hinter ihm her und ſchaute ihm unverwandt mit der größten Aufmerkſamkeit, zu und Alles, was da vor¬ ging, war ihm ſehr kurzweilig anzuſehen. So kam der Abend heran. Es fing an ſtärker zu rauſchen in den alten Tannen, ein mächtiger Wind fuhr daher und ſauſte und brauſte durch die dichten Wipfel. Das tönte dem Heidi ſo ſchön in die Ohren und in's Herz hinein, daß es ganz fröhlich darüber wurde, und hüpfte und ſprang unter den Tannen umher, als hätte es eine unerhörte Freude erlebt. Der Großvater ſtand unter der Schopfthür und ſchaute dem Kinde zu. Jetzt ertönte ein ſchriller Pfiff. Heidi hielt an in ſeinen Sprüngen, der Großvater trat heraus. Von oben herunter kam es geſprungen, Gaiß um Gaiß, wie eine Jagd und mitten drin der Peter. Mit einem Freudenruf ſchoß Heidi mitten in den Rudel hinein und begrüßte die alten Freunde von heute Morgen einen um den andern. Bei der Hütte angekommen, ſtand Alles ſtill und aus der Heerde heraus kamen zwei ſchöne, ſchlanke Gaißen, eine weiße und eine braune auf den Großvater zu und leckten ſeine Hände, denn er hielt ein wenig Salz darin, wie er jeden Abend zum Empfang ſeiner zwei Thierlein that. Der Peter ver¬ ſchwand mit ſeiner Schaar. Heidi ſtreichelte zärtlich die eine und dann die andere von den Gaißen und ſprang um ſie herum, um ſie von der andern Seite auch zu ſtreicheln,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/38
Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/38>, abgerufen am 29.04.2024.