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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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den Werth desselben unabhängig von Privatverträgen vermindern.
Zuerst die auf dem Grundstück haftenden dinglichen Rechte, dann
die Summe der direkten Steuern, und endlich die gesetzlichen
Pfandrechte. Es ist klar und man ist sich vollkommen darüber einig,
daß gesetzliche Pfandrechte, wenn sie ohne Einverleibung bestehen dürfen,
durch die Unsicherheit des Werthes, die sie erzeugen, den Werth des
Grundbuches selber in Frage stellen, jedenfalls ihn wesentlich vermin-
dern. Endlich muß gefordert werden, daß auch der Kaufpreis als
Verkehrswerth so weit selbständig aufgenommen werde, als er aus den
Akten ersichtlich ist; ein Zwang zur Angabe desselben ist weder durch-
führbar noch räthlich.

c) Das Schuldfolium oder das eigentliche Hypotheken-
buch
enthält nun die Gesammtheit von Rubriken, welche den Erwerb
und das Aufgeben des Eigenthums am Werthe für den Gläubiger
feststellen und zwar als persönliche Momente Namen des Gläubigers,
als wirthschaftliche die Höhe der Summe und des Zinses, und
als juristische das Datum der Urkunde, ihrer Einreihung, ihre etwaige
Cession, die Kündigungsfrist und die wirkliche Löschung. Dieß sind
absolut nothwendige Elemente. Bei sehr entwickeltem Grundbuchs-
wesen kommen dazu noch die Protestationen und Pränotationen,
die gleichfalls eigener Rubriken bedürfen.

C. Die volle Erfüllung der Aufgabe des Grundbuches in allen
Theilen setzt nun neben demselben noch zwei Bücher voraus. Zuerst
das Tagebuch oder Einlaufsregister mit Rubriken für Objekt, Tag
und Stunde der Präsentation, und zweitens das Urkundenbuch, in
welchem die Dokumente bewahrt werden, die als Beweis für den In-
halt der drei Folien (oder Bücher) dienen. Es ist selbstverständlich,
daß Bücher, Journal und Urkunden mit correspondirenden Nummern
versehen sein müssen.

Das sind nun die Bestandtheile und Ordnung eines vollkommenen
Grundbuches. Die wirklichen Grundbücher sind dagegen von ein-
ander in allen diesen Beziehungen sehr verschieden. Die Vergleichung
dieser Verschiedenheit ist ein wesentliches Element des Verständnisses
der eigentlichen Aufgabe des Grundbuchswesens überhaupt.

Am letztern Orte beruht nämlich jene Verschiedenheit darauf, ob
das Grundbuch die Sicherheit des Einzelcredits zur Hauptsache
macht, und dadurch nur indirekt das allgemeine Realcreditwesen för-
dern will, oder ob es grundsätzlich eine Anstalt des öffentlichen,
allgemeinen Realcreditwesens ist, und den Einzelcredit nur in sich auf-
nimmt. Dieser doppelte Charakter durchzieht das gesammte Grund-
buchswesen und erscheint, wenn man darnach die Grundbücher überhaupt

den Werth deſſelben unabhängig von Privatverträgen vermindern.
Zuerſt die auf dem Grundſtück haftenden dinglichen Rechte, dann
die Summe der direkten Steuern, und endlich die geſetzlichen
Pfandrechte. Es iſt klar und man iſt ſich vollkommen darüber einig,
daß geſetzliche Pfandrechte, wenn ſie ohne Einverleibung beſtehen dürfen,
durch die Unſicherheit des Werthes, die ſie erzeugen, den Werth des
Grundbuches ſelber in Frage ſtellen, jedenfalls ihn weſentlich vermin-
dern. Endlich muß gefordert werden, daß auch der Kaufpreis als
Verkehrswerth ſo weit ſelbſtändig aufgenommen werde, als er aus den
Akten erſichtlich iſt; ein Zwang zur Angabe deſſelben iſt weder durch-
führbar noch räthlich.

c) Das Schuldfolium oder das eigentliche Hypotheken-
buch
enthält nun die Geſammtheit von Rubriken, welche den Erwerb
und das Aufgeben des Eigenthums am Werthe für den Gläubiger
feſtſtellen und zwar als perſönliche Momente Namen des Gläubigers,
als wirthſchaftliche die Höhe der Summe und des Zinſes, und
als juriſtiſche das Datum der Urkunde, ihrer Einreihung, ihre etwaige
Ceſſion, die Kündigungsfriſt und die wirkliche Löſchung. Dieß ſind
abſolut nothwendige Elemente. Bei ſehr entwickeltem Grundbuchs-
weſen kommen dazu noch die Proteſtationen und Pränotationen,
die gleichfalls eigener Rubriken bedürfen.

C. Die volle Erfüllung der Aufgabe des Grundbuches in allen
Theilen ſetzt nun neben demſelben noch zwei Bücher voraus. Zuerſt
das Tagebuch oder Einlaufsregiſter mit Rubriken für Objekt, Tag
und Stunde der Präſentation, und zweitens das Urkundenbuch, in
welchem die Dokumente bewahrt werden, die als Beweis für den In-
halt der drei Folien (oder Bücher) dienen. Es iſt ſelbſtverſtändlich,
daß Bücher, Journal und Urkunden mit correſpondirenden Nummern
verſehen ſein müſſen.

Das ſind nun die Beſtandtheile und Ordnung eines vollkommenen
Grundbuches. Die wirklichen Grundbücher ſind dagegen von ein-
ander in allen dieſen Beziehungen ſehr verſchieden. Die Vergleichung
dieſer Verſchiedenheit iſt ein weſentliches Element des Verſtändniſſes
der eigentlichen Aufgabe des Grundbuchsweſens überhaupt.

Am letztern Orte beruht nämlich jene Verſchiedenheit darauf, ob
das Grundbuch die Sicherheit des Einzelcredits zur Hauptſache
macht, und dadurch nur indirekt das allgemeine Realcreditweſen för-
dern will, oder ob es grundſätzlich eine Anſtalt des öffentlichen,
allgemeinen Realcreditweſens iſt, und den Einzelcredit nur in ſich auf-
nimmt. Dieſer doppelte Charakter durchzieht das geſammte Grund-
buchsweſen und erſcheint, wenn man darnach die Grundbücher überhaupt

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[268/0292] den Werth deſſelben unabhängig von Privatverträgen vermindern. Zuerſt die auf dem Grundſtück haftenden dinglichen Rechte, dann die Summe der direkten Steuern, und endlich die geſetzlichen Pfandrechte. Es iſt klar und man iſt ſich vollkommen darüber einig, daß geſetzliche Pfandrechte, wenn ſie ohne Einverleibung beſtehen dürfen, durch die Unſicherheit des Werthes, die ſie erzeugen, den Werth des Grundbuches ſelber in Frage ſtellen, jedenfalls ihn weſentlich vermin- dern. Endlich muß gefordert werden, daß auch der Kaufpreis als Verkehrswerth ſo weit ſelbſtändig aufgenommen werde, als er aus den Akten erſichtlich iſt; ein Zwang zur Angabe deſſelben iſt weder durch- führbar noch räthlich. c) Das Schuldfolium oder das eigentliche Hypotheken- buch enthält nun die Geſammtheit von Rubriken, welche den Erwerb und das Aufgeben des Eigenthums am Werthe für den Gläubiger feſtſtellen und zwar als perſönliche Momente Namen des Gläubigers, als wirthſchaftliche die Höhe der Summe und des Zinſes, und als juriſtiſche das Datum der Urkunde, ihrer Einreihung, ihre etwaige Ceſſion, die Kündigungsfriſt und die wirkliche Löſchung. Dieß ſind abſolut nothwendige Elemente. Bei ſehr entwickeltem Grundbuchs- weſen kommen dazu noch die Proteſtationen und Pränotationen, die gleichfalls eigener Rubriken bedürfen. C. Die volle Erfüllung der Aufgabe des Grundbuches in allen Theilen ſetzt nun neben demſelben noch zwei Bücher voraus. Zuerſt das Tagebuch oder Einlaufsregiſter mit Rubriken für Objekt, Tag und Stunde der Präſentation, und zweitens das Urkundenbuch, in welchem die Dokumente bewahrt werden, die als Beweis für den In- halt der drei Folien (oder Bücher) dienen. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß Bücher, Journal und Urkunden mit correſpondirenden Nummern verſehen ſein müſſen. Das ſind nun die Beſtandtheile und Ordnung eines vollkommenen Grundbuches. Die wirklichen Grundbücher ſind dagegen von ein- ander in allen dieſen Beziehungen ſehr verſchieden. Die Vergleichung dieſer Verſchiedenheit iſt ein weſentliches Element des Verſtändniſſes der eigentlichen Aufgabe des Grundbuchsweſens überhaupt. Am letztern Orte beruht nämlich jene Verſchiedenheit darauf, ob das Grundbuch die Sicherheit des Einzelcredits zur Hauptſache macht, und dadurch nur indirekt das allgemeine Realcreditweſen för- dern will, oder ob es grundſätzlich eine Anſtalt des öffentlichen, allgemeinen Realcreditweſens iſt, und den Einzelcredit nur in ſich auf- nimmt. Dieſer doppelte Charakter durchzieht das geſammte Grund- buchsweſen und erſcheint, wenn man darnach die Grundbücher überhaupt

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/292>, abgerufen am 29.04.2024.