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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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zugleich für den Realcredit bestimmt oder eigene öffentliche Anstalten errichtet
wurden. -- Bayern: Hypotheken- und Wechselbank, mit der Verpflichtung
3/5 ihres Fonds zu Anlagen auf Grund und Boden zu verwenden (Gesetz vom
1. Juli 1834). -- Hannover: Creditanstalt von 1848 (Bening im Archiv etc.
neue Folge IX. 272). -- Nassau: Landesbank von 1849, an der Stelle der
Landescreditkasse von 1840 (Instruktion vom 14. April 1849; Rau §. 113).
-- Gotha: Landescreditanstalt vom 25. Dec. 1833. -- K. Sachsen: Erb-
licher Creditverein von 1844 (vergl. Rau und Roscher a. a. O.). Eine all-
gemein systematische Darstellung für Deutschland fehlt. -- England hat der-
artige Institute überhaupt schon wegen des Mangels an einem Grundbuch nicht
ausbilden können. -- Frankreich dagegen hat durch Decret vom 28. Febr. 1852
die Creditvereine ins Leben gerufen, die durchaus nach deutschem Muster, aber
strenge als Aktiengesellschaften, organisirt und concessionirt sind; bisher vier
(vergl. Block, Dict. v. Credit foncier).

c) Oeffentliches Recht der Realcredit-Vereine.

Das öffentliche Recht der Realcreditvereine besteht nun in den-
jenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche solchen Vereinen diejenigen
rechtlichen Bedingungen der Sicherheit ihrer Forderungen geben, für
welche das Grundbuchswesen nicht mehr ausreicht. Diese nun
scheiden sich in zwei Gruppen.

Die erste ist nichts anderes, als die Anwendung der geltenden
Bestimmungen des Vereinsrechts auf diese Vereine, die jedoch nur
in der zweiten Classe ganz zur Geltung gelangen, da die erste Classe
seit ihrem Entstehen den Charakter von Corporationen nie ganz hat
beseitigen, und deßhalb auch nicht mit vollem Erfolg hat wirken
können.

Die zweite Gruppe jedoch enthält das eigentliche öffentliche, nur
auf die Bedürfnisse der Creditoren bezügliche Recht derselben. Hier
nun scheiden sich die beiden Arten.

Die ständischen Creditvereine sind meistens auf Grundlage direkter
Staatshülfe gegründet, unterstehen daher der unmittelbaren Oberauf-
sicht der Regierung, und genießen (Preußen) die Garantie der (ständi-
schen) Landschaft, wofür die letztere auch die Sequestration bietet.

Erst bei dem eigentlichen Creditverein kommt daher die reine Natur
des Verwaltungsrechts zur Geltung. Der Staat gibt demselben gar
keine
direkte Unterstützung, sondern nur Rechte. Diese sind principiell
doppelter Natur: erstlich enthalten sie die Berechtigung, die Zinsen
mit dem Rechte der Steuern einzutreiben, und zweitens Vorrechte
bei der Execution der Schuldsumme. Wo noch Zinsbeschränkungen
bestehen, werden auch diese aufgehoben; Stempel- und andere Befreiun-
gen können nur durch besondere Gründe motivirt erscheinen. Diese

zugleich für den Realcredit beſtimmt oder eigene öffentliche Anſtalten errichtet
wurden. — Bayern: Hypotheken- und Wechſelbank, mit der Verpflichtung
⅗ ihres Fonds zu Anlagen auf Grund und Boden zu verwenden (Geſetz vom
1. Juli 1834). — Hannover: Creditanſtalt von 1848 (Bening im Archiv ꝛc.
neue Folge IX. 272). — Naſſau: Landesbank von 1849, an der Stelle der
Landescreditkaſſe von 1840 (Inſtruktion vom 14. April 1849; Rau §. 113).
Gotha: Landescreditanſtalt vom 25. Dec. 1833. — K. Sachſen: Erb-
licher Creditverein von 1844 (vergl. Rau und Roſcher a. a. O.). Eine all-
gemein ſyſtematiſche Darſtellung für Deutſchland fehlt. — England hat der-
artige Inſtitute überhaupt ſchon wegen des Mangels an einem Grundbuch nicht
ausbilden können. — Frankreich dagegen hat durch Decret vom 28. Febr. 1852
die Creditvereine ins Leben gerufen, die durchaus nach deutſchem Muſter, aber
ſtrenge als Aktiengeſellſchaften, organiſirt und conceſſionirt ſind; bisher vier
(vergl. Block, Dict. v. Crédit foncier).

c) Oeffentliches Recht der Realcredit-Vereine.

Das öffentliche Recht der Realcreditvereine beſteht nun in den-
jenigen geſetzlichen Beſtimmungen, welche ſolchen Vereinen diejenigen
rechtlichen Bedingungen der Sicherheit ihrer Forderungen geben, für
welche das Grundbuchsweſen nicht mehr ausreicht. Dieſe nun
ſcheiden ſich in zwei Gruppen.

Die erſte iſt nichts anderes, als die Anwendung der geltenden
Beſtimmungen des Vereinsrechts auf dieſe Vereine, die jedoch nur
in der zweiten Claſſe ganz zur Geltung gelangen, da die erſte Claſſe
ſeit ihrem Entſtehen den Charakter von Corporationen nie ganz hat
beſeitigen, und deßhalb auch nicht mit vollem Erfolg hat wirken
können.

Die zweite Gruppe jedoch enthält das eigentliche öffentliche, nur
auf die Bedürfniſſe der Creditoren bezügliche Recht derſelben. Hier
nun ſcheiden ſich die beiden Arten.

Die ſtändiſchen Creditvereine ſind meiſtens auf Grundlage direkter
Staatshülfe gegründet, unterſtehen daher der unmittelbaren Oberauf-
ſicht der Regierung, und genießen (Preußen) die Garantie der (ſtändi-
ſchen) Landſchaft, wofür die letztere auch die Sequeſtration bietet.

Erſt bei dem eigentlichen Creditverein kommt daher die reine Natur
des Verwaltungsrechts zur Geltung. Der Staat gibt demſelben gar
keine
direkte Unterſtützung, ſondern nur Rechte. Dieſe ſind principiell
doppelter Natur: erſtlich enthalten ſie die Berechtigung, die Zinſen
mit dem Rechte der Steuern einzutreiben, und zweitens Vorrechte
bei der Execution der Schuldſumme. Wo noch Zinsbeſchränkungen
beſtehen, werden auch dieſe aufgehoben; Stempel- und andere Befreiun-
gen können nur durch beſondere Gründe motivirt erſcheinen. Dieſe

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[283/0307] zugleich für den Realcredit beſtimmt oder eigene öffentliche Anſtalten errichtet wurden. — Bayern: Hypotheken- und Wechſelbank, mit der Verpflichtung ⅗ ihres Fonds zu Anlagen auf Grund und Boden zu verwenden (Geſetz vom 1. Juli 1834). — Hannover: Creditanſtalt von 1848 (Bening im Archiv ꝛc. neue Folge IX. 272). — Naſſau: Landesbank von 1849, an der Stelle der Landescreditkaſſe von 1840 (Inſtruktion vom 14. April 1849; Rau §. 113). — Gotha: Landescreditanſtalt vom 25. Dec. 1833. — K. Sachſen: Erb- licher Creditverein von 1844 (vergl. Rau und Roſcher a. a. O.). Eine all- gemein ſyſtematiſche Darſtellung für Deutſchland fehlt. — England hat der- artige Inſtitute überhaupt ſchon wegen des Mangels an einem Grundbuch nicht ausbilden können. — Frankreich dagegen hat durch Decret vom 28. Febr. 1852 die Creditvereine ins Leben gerufen, die durchaus nach deutſchem Muſter, aber ſtrenge als Aktiengeſellſchaften, organiſirt und conceſſionirt ſind; bisher vier (vergl. Block, Dict. v. Crédit foncier). c) Oeffentliches Recht der Realcredit-Vereine. Das öffentliche Recht der Realcreditvereine beſteht nun in den- jenigen geſetzlichen Beſtimmungen, welche ſolchen Vereinen diejenigen rechtlichen Bedingungen der Sicherheit ihrer Forderungen geben, für welche das Grundbuchsweſen nicht mehr ausreicht. Dieſe nun ſcheiden ſich in zwei Gruppen. Die erſte iſt nichts anderes, als die Anwendung der geltenden Beſtimmungen des Vereinsrechts auf dieſe Vereine, die jedoch nur in der zweiten Claſſe ganz zur Geltung gelangen, da die erſte Claſſe ſeit ihrem Entſtehen den Charakter von Corporationen nie ganz hat beſeitigen, und deßhalb auch nicht mit vollem Erfolg hat wirken können. Die zweite Gruppe jedoch enthält das eigentliche öffentliche, nur auf die Bedürfniſſe der Creditoren bezügliche Recht derſelben. Hier nun ſcheiden ſich die beiden Arten. Die ſtändiſchen Creditvereine ſind meiſtens auf Grundlage direkter Staatshülfe gegründet, unterſtehen daher der unmittelbaren Oberauf- ſicht der Regierung, und genießen (Preußen) die Garantie der (ſtändi- ſchen) Landſchaft, wofür die letztere auch die Sequeſtration bietet. Erſt bei dem eigentlichen Creditverein kommt daher die reine Natur des Verwaltungsrechts zur Geltung. Der Staat gibt demſelben gar keine direkte Unterſtützung, ſondern nur Rechte. Dieſe ſind principiell doppelter Natur: erſtlich enthalten ſie die Berechtigung, die Zinſen mit dem Rechte der Steuern einzutreiben, und zweitens Vorrechte bei der Execution der Schuldſumme. Wo noch Zinsbeſchränkungen beſtehen, werden auch dieſe aufgehoben; Stempel- und andere Befreiun- gen können nur durch beſondere Gründe motivirt erſcheinen. Dieſe

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/307>, abgerufen am 28.04.2024.