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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Kreisverfassung S. 758) diese Entwicklung angegeben. Der allgemeine
Gang aber dürfte im Wesentlichen der folgende gewesen sein.

Als zuerst der Wunsch entsteht, die Auswanderung zu hindern,
muß sich die noch junge Verwaltung der Staaten damit begnügen, ihre
Maßregeln einfach an das Auswanderungsrecht der ständischen Epoche
anzuschließen. Und hier entsteht einer von jenen Uebergängen,
welche die gesammte Bewegung im öffentlichen Recht des vorigen Jahr-
hunderts und die Umgestaltung seiner Grundlagen mehr wie vieles
andere kennzeichnen. Es ist die Umwandlung des Rechtstitels des
bestehenden Rechts, der wir auch im Auswanderungsrecht begegnen.
Die Regierungen ließen die Abzugs- und Nachschoßsteuer bestehen, aber
sie erklärten sie für ein Recht des Staatsoberhaupts, indem sie
zum Theil aus dem Corpus Juris (l. un Cod. non licere habit., l. fin.
Cod. d. Ed. Div. Hadr., l. 21 Dig. de probat.)
zum Theil aus den
germanischen Begriffen des jus eminens folgerten, daß eigentlich nur
der König berechtigt sei, die gabella zu erheben; man sagte geradezu,
das Recht auf die gabella sei ein Regal. Daher entsteht jetzt die
Frage, ob die Abzugsrechte durch Gesetze der Landesherren eingeführt
werden können, worüber Heineccius (Repertor. Jur. Germ. Priv.
p. 16 Gr.
§. 7); Menke (Systema Jur. Civ. I. T. 1. §. 11. 12);
Cramer (Wetzlarer Nebenstunden VI. S. 1 ff.) viel gestritten und zum
Theil, wie Heineccius, die Anwendung der römischen Bestimmungen,
nicht zu Gunsten der freien Entwicklung, heftig bekämpft haben. Das
Ende war die Anerkennung der Regalität, und zwar theils theoretisch,
wie von Joh. Gottfr. Faust ("Beweis, daß das Recht der Nachsteuer
ein Regal sei, 1756); Fischer (Polizeirecht §. 625: "Heut zu Tage ist
der landesherrliche Detract aus dem Staatsobereigenthum abgeleitet
und ist ganz unstreitig ein Regal") -- theils praktisch, indem einerseits
die Landstände es selbst als solches anerkannten, und sich dasselbe daher
oft ausdrücklich bestätigen ließen (Lüneburger Stat. p. IX. t. 10;
Hohenzollern'sche Landesordnung Titel XXIV.; Zell, Stat. Tit. 17;
Anhaltische Landesordnung Tit. XIV.; der in Preußen von Seiten
der Regierung "sowohl dem Adel als den Städten nachgelassene Besitz
und Ausübung des Abzugsrechts und der Nachsteuer gegen die übrigen
königlichen Unterthanen" speciell aufgeführt bei Fischer, Polizeirecht
§. 624); anderseits der Satz Raum gewann, daß wo eine Grundherr-
lichkeit das Recht auf den Detract behauptet, sie dasselbe auch beweisen
müsse (Ertel, De jurisd. inferiora et bassa P. 1. c. 19. obs. 1;
Pesler, de bon. Nobil. J. Detractus non obnoxiis. §. 5). Man
ging weiter, und das neue Recht der jungen administrativen Gewalt
fand seine tiefere Begründung bereits in dem Satz, daß der Staat, in

Kreisverfaſſung S. 758) dieſe Entwicklung angegeben. Der allgemeine
Gang aber dürfte im Weſentlichen der folgende geweſen ſein.

Als zuerſt der Wunſch entſteht, die Auswanderung zu hindern,
muß ſich die noch junge Verwaltung der Staaten damit begnügen, ihre
Maßregeln einfach an das Auswanderungsrecht der ſtändiſchen Epoche
anzuſchließen. Und hier entſteht einer von jenen Uebergängen,
welche die geſammte Bewegung im öffentlichen Recht des vorigen Jahr-
hunderts und die Umgeſtaltung ſeiner Grundlagen mehr wie vieles
andere kennzeichnen. Es iſt die Umwandlung des Rechtstitels des
beſtehenden Rechts, der wir auch im Auswanderungsrecht begegnen.
Die Regierungen ließen die Abzugs- und Nachſchoßſteuer beſtehen, aber
ſie erklärten ſie für ein Recht des Staatsoberhaupts, indem ſie
zum Theil aus dem Corpus Juris (l. un Cod. non licere habit., l. fin.
Cod. d. Ed. Div. Hadr., l. 21 Dig. de probat.)
zum Theil aus den
germaniſchen Begriffen des jus eminens folgerten, daß eigentlich nur
der König berechtigt ſei, die gabella zu erheben; man ſagte geradezu,
das Recht auf die gabella ſei ein Regal. Daher entſteht jetzt die
Frage, ob die Abzugsrechte durch Geſetze der Landesherren eingeführt
werden können, worüber Heineccius (Repertor. Jur. Germ. Priv.
p. 16 Gr.
§. 7); Menke (Systema Jur. Civ. I. T. 1. §. 11. 12);
Cramer (Wetzlarer Nebenſtunden VI. S. 1 ff.) viel geſtritten und zum
Theil, wie Heineccius, die Anwendung der römiſchen Beſtimmungen,
nicht zu Gunſten der freien Entwicklung, heftig bekämpft haben. Das
Ende war die Anerkennung der Regalität, und zwar theils theoretiſch,
wie von Joh. Gottfr. Fauſt („Beweis, daß das Recht der Nachſteuer
ein Regal ſei, 1756); Fiſcher (Polizeirecht §. 625: „Heut zu Tage iſt
der landesherrliche Detract aus dem Staatsobereigenthum abgeleitet
und iſt ganz unſtreitig ein Regal“) — theils praktiſch, indem einerſeits
die Landſtände es ſelbſt als ſolches anerkannten, und ſich daſſelbe daher
oft ausdrücklich beſtätigen ließen (Lüneburger Stat. p. IX. t. 10;
Hohenzollern’ſche Landesordnung Titel XXIV.; Zell, Stat. Tit. 17;
Anhaltiſche Landesordnung Tit. XIV.; der in Preußen von Seiten
der Regierung „ſowohl dem Adel als den Städten nachgelaſſene Beſitz
und Ausübung des Abzugsrechts und der Nachſteuer gegen die übrigen
königlichen Unterthanen“ ſpeciell aufgeführt bei Fiſcher, Polizeirecht
§. 624); anderſeits der Satz Raum gewann, daß wo eine Grundherr-
lichkeit das Recht auf den Detract behauptet, ſie daſſelbe auch beweiſen
müſſe (Ertel, De jurisd. inferiora et bassa P. 1. c. 19. obs. 1;
Pesler, de bon. Nobil. J. Detractus non obnoxiis. §. 5). Man
ging weiter, und das neue Recht der jungen adminiſtrativen Gewalt
fand ſeine tiefere Begründung bereits in dem Satz, daß der Staat, in

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[195/0217] Kreisverfaſſung S. 758) dieſe Entwicklung angegeben. Der allgemeine Gang aber dürfte im Weſentlichen der folgende geweſen ſein. Als zuerſt der Wunſch entſteht, die Auswanderung zu hindern, muß ſich die noch junge Verwaltung der Staaten damit begnügen, ihre Maßregeln einfach an das Auswanderungsrecht der ſtändiſchen Epoche anzuſchließen. Und hier entſteht einer von jenen Uebergängen, welche die geſammte Bewegung im öffentlichen Recht des vorigen Jahr- hunderts und die Umgeſtaltung ſeiner Grundlagen mehr wie vieles andere kennzeichnen. Es iſt die Umwandlung des Rechtstitels des beſtehenden Rechts, der wir auch im Auswanderungsrecht begegnen. Die Regierungen ließen die Abzugs- und Nachſchoßſteuer beſtehen, aber ſie erklärten ſie für ein Recht des Staatsoberhaupts, indem ſie zum Theil aus dem Corpus Juris (l. un Cod. non licere habit., l. fin. Cod. d. Ed. Div. Hadr., l. 21 Dig. de probat.) zum Theil aus den germaniſchen Begriffen des jus eminens folgerten, daß eigentlich nur der König berechtigt ſei, die gabella zu erheben; man ſagte geradezu, das Recht auf die gabella ſei ein Regal. Daher entſteht jetzt die Frage, ob die Abzugsrechte durch Geſetze der Landesherren eingeführt werden können, worüber Heineccius (Repertor. Jur. Germ. Priv. p. 16 Gr. §. 7); Menke (Systema Jur. Civ. I. T. 1. §. 11. 12); Cramer (Wetzlarer Nebenſtunden VI. S. 1 ff.) viel geſtritten und zum Theil, wie Heineccius, die Anwendung der römiſchen Beſtimmungen, nicht zu Gunſten der freien Entwicklung, heftig bekämpft haben. Das Ende war die Anerkennung der Regalität, und zwar theils theoretiſch, wie von Joh. Gottfr. Fauſt („Beweis, daß das Recht der Nachſteuer ein Regal ſei, 1756); Fiſcher (Polizeirecht §. 625: „Heut zu Tage iſt der landesherrliche Detract aus dem Staatsobereigenthum abgeleitet und iſt ganz unſtreitig ein Regal“) — theils praktiſch, indem einerſeits die Landſtände es ſelbſt als ſolches anerkannten, und ſich daſſelbe daher oft ausdrücklich beſtätigen ließen (Lüneburger Stat. p. IX. t. 10; Hohenzollern’ſche Landesordnung Titel XXIV.; Zell, Stat. Tit. 17; Anhaltiſche Landesordnung Tit. XIV.; der in Preußen von Seiten der Regierung „ſowohl dem Adel als den Städten nachgelaſſene Beſitz und Ausübung des Abzugsrechts und der Nachſteuer gegen die übrigen königlichen Unterthanen“ ſpeciell aufgeführt bei Fiſcher, Polizeirecht §. 624); anderſeits der Satz Raum gewann, daß wo eine Grundherr- lichkeit das Recht auf den Detract behauptet, ſie daſſelbe auch beweiſen müſſe (Ertel, De jurisd. inferiora et bassa P. 1. c. 19. obs. 1; Pesler, de bon. Nobil. J. Detractus non obnoxiis. §. 5). Man ging weiter, und das neue Recht der jungen adminiſtrativen Gewalt fand ſeine tiefere Begründung bereits in dem Satz, daß der Staat, in

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/217>, abgerufen am 27.04.2024.