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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Auswanderungsrecht mit den Bestimmungen über den Erwerb und
Verlust der Staatsbürgerschaft zusammengefaßt, und ein Theil
dieses öffentlichen Rechts wurden, was die Ausschließung des Aus-
wanderungsrechts aus der Verwaltungs- (oder Polizei-) Wissenschaft
und selbst der Verwaltungsgesetzkunde definitiv entschied. Dennoch ist
dasselbe nicht unwichtig. In Preußen hatte das allgemeine Landrecht
(§. 130 a. a. O.) bereits erklärt, daß es zur Auswanderung keiner
Erlaubniß, sondern nur eines Vorwissens des Staats bedürfe, was
nach kurzer Unterbrechung seit 1812 mit dem Gesetz vom 15. Sep-
tember 1818 wieder allgemein gültig ward. Allein dabei blieb zuerst
das Abzugsrecht noch bis zur Verordnung vom 21. Juni 1816 auch
für inländische Heimathsänderung bestehen, während die Bundesakte
(Art. 18) es bereits zwischen allen deutschen Bundesstaaten aufgehoben
hatte, und erst die königliche Ordonnanz vom 11. April 1822 hat dieß
Recht mit ausländischen Staaten auf das Princip des Retorsions-
rechts
zurückgeführt, indem mit den meisten Staaten die Aufhebung
des Abzugsrechts vertragsmäßig vereinbart ist. -- Zweitens aber hält
man entschieden daran fest, daß zwar die Behörden kein Recht haben,
die Entlassung aus dem Staatsverbande zu verweigern, daß aber die
Auswanderung ohne eine solche Entlassung strafbar sei; und dieser
Grundsatz fand seine gesetzliche Formulirung im Gesetze vom 31. December
1842. Es war klar, daß man hier noch immer zwischen Freiheit und
Polizei schwankte; namentlich wurde die Entlassung ausdrücklich wegen
nicht erfüllter Wehrpflicht verweigert (§. 17--19; der auswandernde
Wehrpflichtige soll als Deserteur sein ganzes Vermögen verlieren!) Erst
die Verordnung vom 4. Januar 1849 minderte die Strafe auf 50 bis
1000 Thaler, was dann neben der von der Verfassungsurkunde von
1850 (Art. 11) aufgestellten vollen Freiheit der Auswanderung noch
nach dem Gesetze vom 11. März 1850 als geltendes Recht bestehen
geblieben ist. (Rönne Staatsrecht, §. 91.) In Oesterreich folgte
dem Auswanderungspatente von Joseph II. das neue noch gegenwärtig
geltende vom 24. März 1832, welches im Wesentlichen die damals auch
in Preußen geltenden Normen enthält, die "befugte" von der "unbe-
fugten" Auswanderung scheidet, die Gewährung der Auswanderung als
Regel feststellt, wenn der Betreffende der Militärpflicht genügt hat und
daß "keine Standes- und Amtsverpflichtungen entgegenstehen." Die
unbefugte Auswanderung wird mit Sequestration des Vermögens --
nicht mit Confiscation wie in Preußen -- bis zum Tode des Ausge-
wanderten bestraft, dann aber mit der rechtlichen Unfähigkeit Eigen-
thum zu erwerben. Das Verfahren bei der Einberufung ist genau
vorgeschrieben. (Fr. Swieceny, das Heimathsrecht in den k. k. öster-

Auswanderungsrecht mit den Beſtimmungen über den Erwerb und
Verluſt der Staatsbürgerſchaft zuſammengefaßt, und ein Theil
dieſes öffentlichen Rechts wurden, was die Ausſchließung des Aus-
wanderungsrechts aus der Verwaltungs- (oder Polizei-) Wiſſenſchaft
und ſelbſt der Verwaltungsgeſetzkunde definitiv entſchied. Dennoch iſt
daſſelbe nicht unwichtig. In Preußen hatte das allgemeine Landrecht
(§. 130 a. a. O.) bereits erklärt, daß es zur Auswanderung keiner
Erlaubniß, ſondern nur eines Vorwiſſens des Staats bedürfe, was
nach kurzer Unterbrechung ſeit 1812 mit dem Geſetz vom 15. Sep-
tember 1818 wieder allgemein gültig ward. Allein dabei blieb zuerſt
das Abzugsrecht noch bis zur Verordnung vom 21. Juni 1816 auch
für inländiſche Heimathsänderung beſtehen, während die Bundesakte
(Art. 18) es bereits zwiſchen allen deutſchen Bundesſtaaten aufgehoben
hatte, und erſt die königliche Ordonnanz vom 11. April 1822 hat dieß
Recht mit ausländiſchen Staaten auf das Princip des Retorſions-
rechts
zurückgeführt, indem mit den meiſten Staaten die Aufhebung
des Abzugsrechts vertragsmäßig vereinbart iſt. — Zweitens aber hält
man entſchieden daran feſt, daß zwar die Behörden kein Recht haben,
die Entlaſſung aus dem Staatsverbande zu verweigern, daß aber die
Auswanderung ohne eine ſolche Entlaſſung ſtrafbar ſei; und dieſer
Grundſatz fand ſeine geſetzliche Formulirung im Geſetze vom 31. December
1842. Es war klar, daß man hier noch immer zwiſchen Freiheit und
Polizei ſchwankte; namentlich wurde die Entlaſſung ausdrücklich wegen
nicht erfüllter Wehrpflicht verweigert (§. 17—19; der auswandernde
Wehrpflichtige ſoll als Deſerteur ſein ganzes Vermögen verlieren!) Erſt
die Verordnung vom 4. Januar 1849 minderte die Strafe auf 50 bis
1000 Thaler, was dann neben der von der Verfaſſungsurkunde von
1850 (Art. 11) aufgeſtellten vollen Freiheit der Auswanderung noch
nach dem Geſetze vom 11. März 1850 als geltendes Recht beſtehen
geblieben iſt. (Rönne Staatsrecht, §. 91.) In Oeſterreich folgte
dem Auswanderungspatente von Joſeph II. das neue noch gegenwärtig
geltende vom 24. März 1832, welches im Weſentlichen die damals auch
in Preußen geltenden Normen enthält, die „befugte“ von der „unbe-
fugten“ Auswanderung ſcheidet, die Gewährung der Auswanderung als
Regel feſtſtellt, wenn der Betreffende der Militärpflicht genügt hat und
daß „keine Standes- und Amtsverpflichtungen entgegenſtehen.“ Die
unbefugte Auswanderung wird mit Sequeſtration des Vermögens —
nicht mit Confiscation wie in Preußen — bis zum Tode des Ausge-
wanderten beſtraft, dann aber mit der rechtlichen Unfähigkeit Eigen-
thum zu erwerben. Das Verfahren bei der Einberufung iſt genau
vorgeſchrieben. (Fr. Swieceny, das Heimathsrecht in den k. k. öſter-

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[204/0226] Auswanderungsrecht mit den Beſtimmungen über den Erwerb und Verluſt der Staatsbürgerſchaft zuſammengefaßt, und ein Theil dieſes öffentlichen Rechts wurden, was die Ausſchließung des Aus- wanderungsrechts aus der Verwaltungs- (oder Polizei-) Wiſſenſchaft und ſelbſt der Verwaltungsgeſetzkunde definitiv entſchied. Dennoch iſt daſſelbe nicht unwichtig. In Preußen hatte das allgemeine Landrecht (§. 130 a. a. O.) bereits erklärt, daß es zur Auswanderung keiner Erlaubniß, ſondern nur eines Vorwiſſens des Staats bedürfe, was nach kurzer Unterbrechung ſeit 1812 mit dem Geſetz vom 15. Sep- tember 1818 wieder allgemein gültig ward. Allein dabei blieb zuerſt das Abzugsrecht noch bis zur Verordnung vom 21. Juni 1816 auch für inländiſche Heimathsänderung beſtehen, während die Bundesakte (Art. 18) es bereits zwiſchen allen deutſchen Bundesſtaaten aufgehoben hatte, und erſt die königliche Ordonnanz vom 11. April 1822 hat dieß Recht mit ausländiſchen Staaten auf das Princip des Retorſions- rechts zurückgeführt, indem mit den meiſten Staaten die Aufhebung des Abzugsrechts vertragsmäßig vereinbart iſt. — Zweitens aber hält man entſchieden daran feſt, daß zwar die Behörden kein Recht haben, die Entlaſſung aus dem Staatsverbande zu verweigern, daß aber die Auswanderung ohne eine ſolche Entlaſſung ſtrafbar ſei; und dieſer Grundſatz fand ſeine geſetzliche Formulirung im Geſetze vom 31. December 1842. Es war klar, daß man hier noch immer zwiſchen Freiheit und Polizei ſchwankte; namentlich wurde die Entlaſſung ausdrücklich wegen nicht erfüllter Wehrpflicht verweigert (§. 17—19; der auswandernde Wehrpflichtige ſoll als Deſerteur ſein ganzes Vermögen verlieren!) Erſt die Verordnung vom 4. Januar 1849 minderte die Strafe auf 50 bis 1000 Thaler, was dann neben der von der Verfaſſungsurkunde von 1850 (Art. 11) aufgeſtellten vollen Freiheit der Auswanderung noch nach dem Geſetze vom 11. März 1850 als geltendes Recht beſtehen geblieben iſt. (Rönne Staatsrecht, §. 91.) In Oeſterreich folgte dem Auswanderungspatente von Joſeph II. das neue noch gegenwärtig geltende vom 24. März 1832, welches im Weſentlichen die damals auch in Preußen geltenden Normen enthält, die „befugte“ von der „unbe- fugten“ Auswanderung ſcheidet, die Gewährung der Auswanderung als Regel feſtſtellt, wenn der Betreffende der Militärpflicht genügt hat und daß „keine Standes- und Amtsverpflichtungen entgegenſtehen.“ Die unbefugte Auswanderung wird mit Sequeſtration des Vermögens — nicht mit Confiscation wie in Preußen — bis zum Tode des Ausge- wanderten beſtraft, dann aber mit der rechtlichen Unfähigkeit Eigen- thum zu erwerben. Das Verfahren bei der Einberufung iſt genau vorgeſchrieben. (Fr. Swieceny, das Heimathsrecht in den k. k. öſter-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/226>, abgerufen am 29.04.2024.