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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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je nach den Bestimmungen der einzelnen Körperschaften auch jetzt noch
fortgeführt werden. Es unterscheidet sich wesentlich von dem fran-
zösischen in der Aufstellung eines eigenen Organes für die Standes-
register, und in der vollständigen Ausschließung jeder administrativen
Jurisdiction der Maires. Und jetzt kam es nur noch darauf an, eben
jenes Organ zu finden. Das nun bot sich in dem neuen Statut über
Armenpflege (4. 5. Will. IV. 76. 1834) dar. Die Eintheilung Eng-
lands nämlich in die Unions, welche dieß Statut möglich macht, und
für welches dann der board of guardians eingesetzt wird, gab den
Anlaß, entweder dem Schriftführer (clerc) dieses board oder einer andern
geeigneten Person von dem board die Führung der neuen Standesregister
zu übertragen. Diese Führer sind die Registrars, welche wieder unter
einem Superintendent Registrar stehen, und deren Mittelpunkt der
Registrar General in London ist. Die Führung der Standesregister
ist dabei genau vorgeschrieben. Zunächst dachte man dabei allerdings
nur an Geburts- und Todesregister. Das Eherecht Englands stand
noch neben denselben, und Pitts Vorschlag, die bürgerliche Ehe als
Auskunftsmittel für die Ehe zwischen verschiedenen Confessionen einzu-
führen, blieb ohne Erfolg; die Nothwendigkeit aber, über die Ehen
und ihre Gültigkeit eben so wohl als über Geburt und Tod öffentliche
Documente zu besitzen, zwang daher die Regierung dazu, neben den
Geburts- und Todesregistern eigene Heirathsregister anzulegen, und
die Führung dieser Heirathsregister gleichfalls dem Registrar zu über-
geben. Die Stellung des Registrars nun in Beziehung auf die Hei-
rathen läßt sich im Wesentlichen in einem Satze ausdrücken. Jede
Confession schließt ihre Ehe wie sie will; aber jede Ehe muß (vom
1. März 1837 an) dem Registrar gemeldet und von diesem ein
Meldeschein ausgewirkt werden, bevor die Ehe rechtsgültig ist. Dieser
"Erlaubnißschein" ist ein ganz formeller Eheconsens (s. oben unter
Ehe) -- "so bewillige Ich hiedurch Ihnen, auf Grund der nach dem
Statut mir zustehenden Befugniß, die Ermächtigung, die Vollziehung
dieser Heirath vorzunehmen" etc. (Formular C. zu 6. 7. Will. IV.
c.
85) -- ein Recht des Beamteten, das dadurch geschützt ist, daß jede
Ehe, die ohne Meldung, ohne Schein und ohne Erlaubniß des
Regierungsbeamten vorgenommen wird, "nichtig und wirkungslos sein
soll" (6. 7. Will. IV. c. 85. a. 42). Eine solche polizeiliche Bevor-
mundung des Volkes durch die Beamten ist nur dadurch erklärlich, daß
der Beamtete wieder dem bürgerlichen Klagerecht verfällt, wenn er
gegen das Recht die Erlaubniß verweigert (Lehre von der vollziehen-
den Gewalt
, Verordnungsrecht in England S. 129 ff.). Diese Be-
stimmungen nun wurden in 6. 7. Will. IV. c. 86 über Geburts- und

je nach den Beſtimmungen der einzelnen Körperſchaften auch jetzt noch
fortgeführt werden. Es unterſcheidet ſich weſentlich von dem fran-
zöſiſchen in der Aufſtellung eines eigenen Organes für die Standes-
regiſter, und in der vollſtändigen Ausſchließung jeder adminiſtrativen
Jurisdiction der Maires. Und jetzt kam es nur noch darauf an, eben
jenes Organ zu finden. Das nun bot ſich in dem neuen Statut über
Armenpflege (4. 5. Will. IV. 76. 1834) dar. Die Eintheilung Eng-
lands nämlich in die Unions, welche dieß Statut möglich macht, und
für welches dann der board of guardians eingeſetzt wird, gab den
Anlaß, entweder dem Schriftführer (clerc) dieſes board oder einer andern
geeigneten Perſon von dem board die Führung der neuen Standesregiſter
zu übertragen. Dieſe Führer ſind die Registrars, welche wieder unter
einem Superintendent Registrar ſtehen, und deren Mittelpunkt der
Registrar General in London iſt. Die Führung der Standesregiſter
iſt dabei genau vorgeſchrieben. Zunächſt dachte man dabei allerdings
nur an Geburts- und Todesregiſter. Das Eherecht Englands ſtand
noch neben denſelben, und Pitts Vorſchlag, die bürgerliche Ehe als
Auskunftsmittel für die Ehe zwiſchen verſchiedenen Confeſſionen einzu-
führen, blieb ohne Erfolg; die Nothwendigkeit aber, über die Ehen
und ihre Gültigkeit eben ſo wohl als über Geburt und Tod öffentliche
Documente zu beſitzen, zwang daher die Regierung dazu, neben den
Geburts- und Todesregiſtern eigene Heirathsregiſter anzulegen, und
die Führung dieſer Heirathsregiſter gleichfalls dem Registrar zu über-
geben. Die Stellung des Registrars nun in Beziehung auf die Hei-
rathen läßt ſich im Weſentlichen in einem Satze ausdrücken. Jede
Confeſſion ſchließt ihre Ehe wie ſie will; aber jede Ehe muß (vom
1. März 1837 an) dem Registrar gemeldet und von dieſem ein
Meldeſchein ausgewirkt werden, bevor die Ehe rechtsgültig iſt. Dieſer
„Erlaubnißſchein“ iſt ein ganz formeller Eheconſens (ſ. oben unter
Ehe) — „ſo bewillige Ich hiedurch Ihnen, auf Grund der nach dem
Statut mir zuſtehenden Befugniß, die Ermächtigung, die Vollziehung
dieſer Heirath vorzunehmen“ ꝛc. (Formular C. zu 6. 7. Will. IV.
c.
85) — ein Recht des Beamteten, das dadurch geſchützt iſt, daß jede
Ehe, die ohne Meldung, ohne Schein und ohne Erlaubniß des
Regierungsbeamten vorgenommen wird, „nichtig und wirkungslos ſein
ſoll“ (6. 7. Will. IV. c. 85. a. 42). Eine ſolche polizeiliche Bevor-
mundung des Volkes durch die Beamten iſt nur dadurch erklärlich, daß
der Beamtete wieder dem bürgerlichen Klagerecht verfällt, wenn er
gegen das Recht die Erlaubniß verweigert (Lehre von der vollziehen-
den Gewalt
, Verordnungsrecht in England S. 129 ff.). Dieſe Be-
ſtimmungen nun wurden in 6. 7. Will. IV. c. 86 über Geburts- und

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[244/0266] je nach den Beſtimmungen der einzelnen Körperſchaften auch jetzt noch fortgeführt werden. Es unterſcheidet ſich weſentlich von dem fran- zöſiſchen in der Aufſtellung eines eigenen Organes für die Standes- regiſter, und in der vollſtändigen Ausſchließung jeder adminiſtrativen Jurisdiction der Maires. Und jetzt kam es nur noch darauf an, eben jenes Organ zu finden. Das nun bot ſich in dem neuen Statut über Armenpflege (4. 5. Will. IV. 76. 1834) dar. Die Eintheilung Eng- lands nämlich in die Unions, welche dieß Statut möglich macht, und für welches dann der board of guardians eingeſetzt wird, gab den Anlaß, entweder dem Schriftführer (clerc) dieſes board oder einer andern geeigneten Perſon von dem board die Führung der neuen Standesregiſter zu übertragen. Dieſe Führer ſind die Registrars, welche wieder unter einem Superintendent Registrar ſtehen, und deren Mittelpunkt der Registrar General in London iſt. Die Führung der Standesregiſter iſt dabei genau vorgeſchrieben. Zunächſt dachte man dabei allerdings nur an Geburts- und Todesregiſter. Das Eherecht Englands ſtand noch neben denſelben, und Pitts Vorſchlag, die bürgerliche Ehe als Auskunftsmittel für die Ehe zwiſchen verſchiedenen Confeſſionen einzu- führen, blieb ohne Erfolg; die Nothwendigkeit aber, über die Ehen und ihre Gültigkeit eben ſo wohl als über Geburt und Tod öffentliche Documente zu beſitzen, zwang daher die Regierung dazu, neben den Geburts- und Todesregiſtern eigene Heirathsregiſter anzulegen, und die Führung dieſer Heirathsregiſter gleichfalls dem Registrar zu über- geben. Die Stellung des Registrars nun in Beziehung auf die Hei- rathen läßt ſich im Weſentlichen in einem Satze ausdrücken. Jede Confeſſion ſchließt ihre Ehe wie ſie will; aber jede Ehe muß (vom 1. März 1837 an) dem Registrar gemeldet und von dieſem ein Meldeſchein ausgewirkt werden, bevor die Ehe rechtsgültig iſt. Dieſer „Erlaubnißſchein“ iſt ein ganz formeller Eheconſens (ſ. oben unter Ehe) — „ſo bewillige Ich hiedurch Ihnen, auf Grund der nach dem Statut mir zuſtehenden Befugniß, die Ermächtigung, die Vollziehung dieſer Heirath vorzunehmen“ ꝛc. (Formular C. zu 6. 7. Will. IV. c. 85) — ein Recht des Beamteten, das dadurch geſchützt iſt, daß jede Ehe, die ohne Meldung, ohne Schein und ohne Erlaubniß des Regierungsbeamten vorgenommen wird, „nichtig und wirkungslos ſein ſoll“ (6. 7. Will. IV. c. 85. a. 42). Eine ſolche polizeiliche Bevor- mundung des Volkes durch die Beamten iſt nur dadurch erklärlich, daß der Beamtete wieder dem bürgerlichen Klagerecht verfällt, wenn er gegen das Recht die Erlaubniß verweigert (Lehre von der vollziehen- den Gewalt, Verordnungsrecht in England S. 129 ff.). Dieſe Be- ſtimmungen nun wurden in 6. 7. Will. IV. c. 86 über Geburts- und

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/266>, abgerufen am 26.04.2024.