Dienstlosigkeit zu überwachen und ihre Heimathsberechtigung zu constatiren, so nützt die Meldung beim Dienstantritt nichts, da dann die Heimath- frage ohnehin unpraktisch ist, und beim Dienstaustritt nicht, weil der Betreffende ja doch nicht gleich ausgewiesen werden kann. Das wahre System ist daher hier auch nicht die Meldung, sondern die Veranlassung zur eigenen Legitimation, die durch regelmäßige Ausweisung unlegiti- mirter Dienstboten von selbst entsteht. Die Gesindebücher gehören dagegen als eine Form der Zeugnisse in das Gebiet der Arbeitsbücher und damit in die Gesellschaftslehre. Es ist ohne allen Zweifel gut, sie einzuführen und zu erhalten; allein das rechte Mittel dazu ist wieder nicht der polizeiliche Zwang, sondern die Verbindung des Rechts auf den Aufenthalt mit dem Besitze dieser Bücher, das sie allein ein- führen wird, so weit sie überhaupt eingeführt werden können. Die Gesetze darüber sind in den verschiedenen Staaten sehr verschieden und bilden einen Theil der Gesindeordnung, welche später zu behandeln sind. S. RönneII. 349. Pözl, Verwaltungsrecht §. 113. Stuben- rauchII. §. 443. Funke (Königreich Sachsen) II. S. 179 -- Mel- dung bei Strafe trotz der jährlichen polizeilichen Gesinderevision (Gesinde- ordnung vom 10. Januar 1835 §. 78).
5) Wanderbücher. Die Wanderbücher sind im Grunde nichts als eine besondere Form des polizeilichen Paßwesens. Sie beruhen darauf, daß das gewerbliche Leben zum Theil die Wanderpflicht für die Gesellen aussprach, während im Princip des polizeilichen Paßwesens das Recht der Erlaubniß zur Reise als Grundsatz galt. Andererseits forderte der Kampf gegen das Vagabundenthum die Möglichkeit, den Gesellen, der zum Zweck seiner gewerblichen Ausbildung reist, von dem zu unterscheiden, der bloß heimathslos sich umhertreibt. Das Wander- buch ist daher ein Paß für die Reise im Inlande, verbunden mit einem Arbeitsbuch und Zeugniß über die Zwecke seiner Reise, ohne daß der Geselle dabei wie beim Paß ein Ziel anzugeben habe. Das Wanderbuch ist daher eine Legitimation für den gewerblichen Zweck der Reise, und daher auch allenthalben von dem Passe sowie von den Legitimations- urkunden gesetzlich unterschieden. In Preußen hat schon das Paß- edikt von 1817 §. 2 das ordnungsmäßige Wanderbuch dem Paß gleich- gestellt; in Bayern ist das Arbeitsbuch und Wanderbuch ver- schmolzen (Pözl §. 156); eben so in Oesterreich (Stubenrauch, §. 447). Für Königreich Sachsen bestehen Wanderbücher und Wander- pässe (Funke, Polizeigesetze Bd. IV. I. C. 1. 2). Für Württem- berg gilt die Verordnung vom 4. Juli 1809 speziell für die Wander- bücher (Mohl, Württembergisches Verwaltungsrecht §. 185). Die Vorschriften des Deutschen Bundes über das Wandern der Handwerks-
Dienſtloſigkeit zu überwachen und ihre Heimathsberechtigung zu conſtatiren, ſo nützt die Meldung beim Dienſtantritt nichts, da dann die Heimath- frage ohnehin unpraktiſch iſt, und beim Dienſtaustritt nicht, weil der Betreffende ja doch nicht gleich ausgewieſen werden kann. Das wahre Syſtem iſt daher hier auch nicht die Meldung, ſondern die Veranlaſſung zur eigenen Legitimation, die durch regelmäßige Ausweiſung unlegiti- mirter Dienſtboten von ſelbſt entſteht. Die Geſindebücher gehören dagegen als eine Form der Zeugniſſe in das Gebiet der Arbeitsbücher und damit in die Geſellſchaftslehre. Es iſt ohne allen Zweifel gut, ſie einzuführen und zu erhalten; allein das rechte Mittel dazu iſt wieder nicht der polizeiliche Zwang, ſondern die Verbindung des Rechts auf den Aufenthalt mit dem Beſitze dieſer Bücher, das ſie allein ein- führen wird, ſo weit ſie überhaupt eingeführt werden können. Die Geſetze darüber ſind in den verſchiedenen Staaten ſehr verſchieden und bilden einen Theil der Geſindeordnung, welche ſpäter zu behandeln ſind. S. RönneII. 349. Pözl, Verwaltungsrecht §. 113. Stuben- rauchII. §. 443. Funke (Königreich Sachſen) II. S. 179 — Mel- dung bei Strafe trotz der jährlichen polizeilichen Geſindereviſion (Geſinde- ordnung vom 10. Januar 1835 §. 78).
5) Wanderbücher. Die Wanderbücher ſind im Grunde nichts als eine beſondere Form des polizeilichen Paßweſens. Sie beruhen darauf, daß das gewerbliche Leben zum Theil die Wanderpflicht für die Geſellen ausſprach, während im Princip des polizeilichen Paßweſens das Recht der Erlaubniß zur Reiſe als Grundſatz galt. Andererſeits forderte der Kampf gegen das Vagabundenthum die Möglichkeit, den Geſellen, der zum Zweck ſeiner gewerblichen Ausbildung reist, von dem zu unterſcheiden, der bloß heimathslos ſich umhertreibt. Das Wander- buch iſt daher ein Paß für die Reiſe im Inlande, verbunden mit einem Arbeitsbuch und Zeugniß über die Zwecke ſeiner Reiſe, ohne daß der Geſelle dabei wie beim Paß ein Ziel anzugeben habe. Das Wanderbuch iſt daher eine Legitimation für den gewerblichen Zweck der Reiſe, und daher auch allenthalben von dem Paſſe ſowie von den Legitimations- urkunden geſetzlich unterſchieden. In Preußen hat ſchon das Paß- edikt von 1817 §. 2 das ordnungsmäßige Wanderbuch dem Paß gleich- geſtellt; in Bayern iſt das Arbeitsbuch und Wanderbuch ver- ſchmolzen (Pözl §. 156); eben ſo in Oeſterreich (Stubenrauch, §. 447). Für Königreich Sachſen beſtehen Wanderbücher und Wander- päſſe (Funke, Polizeigeſetze Bd. IV. I. C. 1. 2). Für Württem- berg gilt die Verordnung vom 4. Juli 1809 ſpeziell für die Wander- bücher (Mohl, Württembergiſches Verwaltungsrecht §. 185). Die Vorſchriften des Deutſchen Bundes über das Wandern der Handwerks-
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Dienſtloſigkeit zu überwachen und ihre Heimathsberechtigung zu conſtatiren,
ſo nützt die Meldung beim Dienſtantritt nichts, da dann die Heimath-
frage ohnehin unpraktiſch iſt, und beim Dienſtaustritt nicht, weil der
Betreffende ja doch nicht gleich ausgewieſen werden kann. Das wahre
Syſtem iſt daher hier auch nicht die Meldung, ſondern die Veranlaſſung
zur eigenen Legitimation, die durch regelmäßige Ausweiſung unlegiti-
mirter Dienſtboten von ſelbſt entſteht. Die Geſindebücher gehören
dagegen als eine Form der Zeugniſſe in das Gebiet der Arbeitsbücher
und damit in die Geſellſchaftslehre. Es iſt ohne allen Zweifel gut, ſie
einzuführen und zu erhalten; allein das rechte Mittel dazu iſt wieder
nicht der polizeiliche Zwang, ſondern die Verbindung des Rechts auf
den Aufenthalt mit dem Beſitze dieſer Bücher, das ſie allein ein-
führen wird, ſo weit ſie überhaupt eingeführt werden können. Die
Geſetze darüber ſind in den verſchiedenen Staaten ſehr verſchieden und
bilden einen Theil der Geſindeordnung, welche ſpäter zu behandeln ſind.
S. Rönne II. 349. Pözl, Verwaltungsrecht §. 113. Stuben-
rauch II. §. 443. Funke (Königreich Sachſen) II. S. 179 — Mel-
dung bei Strafe trotz der jährlichen polizeilichen Geſindereviſion (Geſinde-
ordnung vom 10. Januar 1835 §. 78).
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als eine beſondere Form des polizeilichen Paßweſens. Sie beruhen
darauf, daß das gewerbliche Leben zum Theil die Wanderpflicht für
die Geſellen ausſprach, während im Princip des polizeilichen Paßweſens
das Recht der Erlaubniß zur Reiſe als Grundſatz galt. Andererſeits
forderte der Kampf gegen das Vagabundenthum die Möglichkeit, den
Geſellen, der zum Zweck ſeiner gewerblichen Ausbildung reist, von dem
zu unterſcheiden, der bloß heimathslos ſich umhertreibt. Das Wander-
buch iſt daher ein Paß für die Reiſe im Inlande, verbunden mit einem
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Geſelle dabei wie beim Paß ein Ziel anzugeben habe. Das Wanderbuch
iſt daher eine Legitimation für den gewerblichen Zweck der Reiſe, und
daher auch allenthalben von dem Paſſe ſowie von den Legitimations-
urkunden geſetzlich unterſchieden. In Preußen hat ſchon das Paß-
edikt von 1817 §. 2 das ordnungsmäßige Wanderbuch dem Paß gleich-
geſtellt; in Bayern iſt das Arbeitsbuch und Wanderbuch ver-
ſchmolzen (Pözl §. 156); eben ſo in Oeſterreich (Stubenrauch,
§. 447). Für Königreich Sachſen beſtehen Wanderbücher und Wander-
päſſe (Funke, Polizeigeſetze Bd. IV. I. C. 1. 2). Für Württem-
berg gilt die Verordnung vom 4. Juli 1809 ſpeziell für die Wander-
bücher (Mohl, Württembergiſches Verwaltungsrecht §. 185). Die
Vorſchriften des Deutſchen Bundes über das Wandern der Handwerks-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/292>, abgerufen am 27.07.2024.
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