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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Beziehung aller Lebensverhältnisse der Einzelnen zu der gesammten
Organisation der vollziehenden Gewalt umfaßt, so ist es wohl einleuch-
tend, daß das System dieses Rechts der administrativen, eben für die
Function der Vollziehung selbst erst hingestellten Ordnung auf dem Or-
ganismus dieser vollziehenden Gewalt beruhen muß. Und in der That
ist dem so, und die betreffenden Begriffe erscheinen erst in dieser Be-
ziehung leicht und klar verständlich.

Die vollziehende Gewalt theilt sich nämlich, wie bekannt, unter
allen Verhältnissen ihrem Wesen nach in drei Organismen: den amt-
lichen oder rein staatlichen, den Organismus der Selbstverwaltung und
den des Vereinswesens. Das Angehören an den Verein nennen wir
die Mitgliedschaft. Sie ist ihrer Natur nach frei, und dem subjektiven
Willen unterworfen; daher gibt es für sie im obigen Sinne kein objek-
tives Recht der Organisation. Dasselbe erscheint vielmehr in zwei großen
Theilen, deren allgemeinsten Inhalt wie deren Definition und rechtliches
Grundprincip wir als organische, das ist dauernde und stets vor-
handene, wenn auch oft durch die verschiedensten Verhältnisse und Formen
verdeckte hinstellen müssen.

Der erste Theil dieses Rechts entsteht, indem wir den Einzelnen
mit seinen örtlich wechselnden Lebensverhältnissen gegenüber der Gesammt-
heit aller Organe der amtlichen Verwaltung denken. Es ergeben sich
daraus zwei Grundverhältnisse und zwei Rechtsbegriffe.

1) Die Competenz. Das erste Verhältniß ist die Bestimmung
des Maßes und der Gränze für die vollziehende Gewalt, welche den
einzelnen amtlichen Organen übertragen ist, und zwar theils in Be-
ziehung auf die örtliche, theils in Beziehung auf die sachliche, theils
endlich in Beziehung auf die persönliche Begränzung derselben. Diese
Bestimmung und die aus ihr hervorgehende Gränze bilden die Com-
petenz
des Organes, und in ihrer objektiven, von der Organisations-
gewalt bald als Gesetz, bald als Verordnung festgestellten Gültigkeit
das Competenzrecht desselben. Der gesammte Organismus eines
jeden Staates in seiner vollziehenden Gewalt erscheint daher, wie das
schon im ersten Bande ausgeführt ist, als ein, das ganze Gebiet des
staatlichen Organismus umfassendes System von Competenzen,
welche das Recht der Vollziehung für jedes einzelne Organ feststellen.

2) Die Zuständigkeit. Das zweite Verhältniß entsteht dadurch,
daß der Einzelne in Lebensverhältnissen und Aufenthalt, und daher
auch in Beziehung auf die Competenzen wechselt. Durch diesen Wechsel
entsteht daher für den Einzelnen in Beziehung theils auf die Verwal-
tungsfunction, theils auf die Berechtigungen aus dem Einzelverkehr die
Frage, welcher Competenz der Einzelne in jedem einzelnen Falle

Beziehung aller Lebensverhältniſſe der Einzelnen zu der geſammten
Organiſation der vollziehenden Gewalt umfaßt, ſo iſt es wohl einleuch-
tend, daß das Syſtem dieſes Rechts der adminiſtrativen, eben für die
Function der Vollziehung ſelbſt erſt hingeſtellten Ordnung auf dem Or-
ganismus dieſer vollziehenden Gewalt beruhen muß. Und in der That
iſt dem ſo, und die betreffenden Begriffe erſcheinen erſt in dieſer Be-
ziehung leicht und klar verſtändlich.

Die vollziehende Gewalt theilt ſich nämlich, wie bekannt, unter
allen Verhältniſſen ihrem Weſen nach in drei Organismen: den amt-
lichen oder rein ſtaatlichen, den Organismus der Selbſtverwaltung und
den des Vereinsweſens. Das Angehören an den Verein nennen wir
die Mitgliedſchaft. Sie iſt ihrer Natur nach frei, und dem ſubjektiven
Willen unterworfen; daher gibt es für ſie im obigen Sinne kein objek-
tives Recht der Organiſation. Daſſelbe erſcheint vielmehr in zwei großen
Theilen, deren allgemeinſten Inhalt wie deren Definition und rechtliches
Grundprincip wir als organiſche, das iſt dauernde und ſtets vor-
handene, wenn auch oft durch die verſchiedenſten Verhältniſſe und Formen
verdeckte hinſtellen müſſen.

Der erſte Theil dieſes Rechts entſteht, indem wir den Einzelnen
mit ſeinen örtlich wechſelnden Lebensverhältniſſen gegenüber der Geſammt-
heit aller Organe der amtlichen Verwaltung denken. Es ergeben ſich
daraus zwei Grundverhältniſſe und zwei Rechtsbegriffe.

1) Die Competenz. Das erſte Verhältniß iſt die Beſtimmung
des Maßes und der Gränze für die vollziehende Gewalt, welche den
einzelnen amtlichen Organen übertragen iſt, und zwar theils in Be-
ziehung auf die örtliche, theils in Beziehung auf die ſachliche, theils
endlich in Beziehung auf die perſönliche Begränzung derſelben. Dieſe
Beſtimmung und die aus ihr hervorgehende Gränze bilden die Com-
petenz
des Organes, und in ihrer objektiven, von der Organiſations-
gewalt bald als Geſetz, bald als Verordnung feſtgeſtellten Gültigkeit
das Competenzrecht deſſelben. Der geſammte Organismus eines
jeden Staates in ſeiner vollziehenden Gewalt erſcheint daher, wie das
ſchon im erſten Bande ausgeführt iſt, als ein, das ganze Gebiet des
ſtaatlichen Organismus umfaſſendes Syſtem von Competenzen,
welche das Recht der Vollziehung für jedes einzelne Organ feſtſtellen.

2) Die Zuſtändigkeit. Das zweite Verhältniß entſteht dadurch,
daß der Einzelne in Lebensverhältniſſen und Aufenthalt, und daher
auch in Beziehung auf die Competenzen wechſelt. Durch dieſen Wechſel
entſteht daher für den Einzelnen in Beziehung theils auf die Verwal-
tungsfunction, theils auf die Berechtigungen aus dem Einzelverkehr die
Frage, welcher Competenz der Einzelne in jedem einzelnen Falle

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[275/0297] Beziehung aller Lebensverhältniſſe der Einzelnen zu der geſammten Organiſation der vollziehenden Gewalt umfaßt, ſo iſt es wohl einleuch- tend, daß das Syſtem dieſes Rechts der adminiſtrativen, eben für die Function der Vollziehung ſelbſt erſt hingeſtellten Ordnung auf dem Or- ganismus dieſer vollziehenden Gewalt beruhen muß. Und in der That iſt dem ſo, und die betreffenden Begriffe erſcheinen erſt in dieſer Be- ziehung leicht und klar verſtändlich. Die vollziehende Gewalt theilt ſich nämlich, wie bekannt, unter allen Verhältniſſen ihrem Weſen nach in drei Organismen: den amt- lichen oder rein ſtaatlichen, den Organismus der Selbſtverwaltung und den des Vereinsweſens. Das Angehören an den Verein nennen wir die Mitgliedſchaft. Sie iſt ihrer Natur nach frei, und dem ſubjektiven Willen unterworfen; daher gibt es für ſie im obigen Sinne kein objek- tives Recht der Organiſation. Daſſelbe erſcheint vielmehr in zwei großen Theilen, deren allgemeinſten Inhalt wie deren Definition und rechtliches Grundprincip wir als organiſche, das iſt dauernde und ſtets vor- handene, wenn auch oft durch die verſchiedenſten Verhältniſſe und Formen verdeckte hinſtellen müſſen. Der erſte Theil dieſes Rechts entſteht, indem wir den Einzelnen mit ſeinen örtlich wechſelnden Lebensverhältniſſen gegenüber der Geſammt- heit aller Organe der amtlichen Verwaltung denken. Es ergeben ſich daraus zwei Grundverhältniſſe und zwei Rechtsbegriffe. 1) Die Competenz. Das erſte Verhältniß iſt die Beſtimmung des Maßes und der Gränze für die vollziehende Gewalt, welche den einzelnen amtlichen Organen übertragen iſt, und zwar theils in Be- ziehung auf die örtliche, theils in Beziehung auf die ſachliche, theils endlich in Beziehung auf die perſönliche Begränzung derſelben. Dieſe Beſtimmung und die aus ihr hervorgehende Gränze bilden die Com- petenz des Organes, und in ihrer objektiven, von der Organiſations- gewalt bald als Geſetz, bald als Verordnung feſtgeſtellten Gültigkeit das Competenzrecht deſſelben. Der geſammte Organismus eines jeden Staates in ſeiner vollziehenden Gewalt erſcheint daher, wie das ſchon im erſten Bande ausgeführt iſt, als ein, das ganze Gebiet des ſtaatlichen Organismus umfaſſendes Syſtem von Competenzen, welche das Recht der Vollziehung für jedes einzelne Organ feſtſtellen. 2) Die Zuſtändigkeit. Das zweite Verhältniß entſteht dadurch, daß der Einzelne in Lebensverhältniſſen und Aufenthalt, und daher auch in Beziehung auf die Competenzen wechſelt. Durch dieſen Wechſel entſteht daher für den Einzelnen in Beziehung theils auf die Verwal- tungsfunction, theils auf die Berechtigungen aus dem Einzelverkehr die Frage, welcher Competenz der Einzelne in jedem einzelnen Falle

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/297>, abgerufen am 29.03.2024.