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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Polizei, Kochs Agrarwesen und hundert andern, oder den gleichfalls
nach Hunderten zählenden Aufsätzen in den Zeitschriften, oder ganzen
Encyclopädien begegnen. Nur das Eine darf man dabei nicht ver-
gessen, daß wir mit ihnen alles bis auf die Einheit der Verwaltungslehre
besitzen. Die Verwaltungslehre wird nie ohne sie den Namen einer
Wissenschaft verdienen, aber mit ihnen allein haben wir noch keine
Wissenschaft der Verwaltung
. -- Die folgende Arbeit soll es
versuchen, für dieß specifische Element der Einheit die Grundlagen auf-
zustellen.

So hat diese erste Richtung ihre hochbedeutende Entwicklung.
Während diese aber allmälig die juristische Basis verläßt, hält die zweite
ihrer Natur nach daran fest und entwickelt sich mehr ihrem Umfang als
ihrem Inhalt nach.

II. Diese zweite Richtung können wir wohl kurz und erschöpfend
als die der territorialen Verwaltungsgesetzsammlungen be-
zeichnen, wie sie in möglichst vollständiger Weise früher Kopetz und
jetzt Stubenrauch für Oesterreich, Funke für Sachsen gegeben haben.
Wir haben über dieselben nichts hinzuzufügen, als daß sie, wesentlich
praktischer Natur, auch nur an das praktische Bedürfniß der Kenntniß
der bestehenden Gesetze denken, dabei aber jedes Systems baar sind,
und deßhalb der Uebersichtlichkeit und der festen Gränzen ermangeln,
so daß man, hätten sie nicht ausführliche Wortregister, ihnen das System
der französischen administrativen Dictionnaires vorziehen würde, das
bekanntlich durch Block seinen besten Ausdruck gefunden. Das wird
erst dann besser werden, wenn man sich erst in der Verwaltung über
ein System einigen wird. Wird das in der deutschen Wissenschaft je
möglich werden?

III. Die dritte Richtung ist nun in ihrer Weise eine sehr bedeu-
tende, und sie zeigt, indem sie die Verbindung des Staatsrechts mit
der Verwaltungslehre zu ihrem wahren Ausdruck bringt, den Weg, den
wir in dieser Beziehung für die Zukunft einzuschlagen haben. Es ist
die Aufstellung des Verwaltungsrechts als eines zweiten organischen
Theiles des Staatsrechts neben dem Verfassungsrecht. Diese Richtung
ist bekanntlich von R. v. Mohl in seinem Staatsrecht des Königreichs
Württemberg zuerst ins Leben gerufen und von den bedeutendsten Män-
nern des öffentlichen Rechts, wie Pözl für Bayern und Rönne für
Preußen, angenommen. Es ist gar kein Zweifel, daß sie nicht bloß
dauernd bleiben, sondern als die einzig rationelle Grundlage der Ord-
nung des öffentlichen Rechts kräftig durchgreifen wird. Gibt es über-
haupt eine selbständige Verwaltungslehre, so wird es auch ein selbstän-
diges Verwaltungsrecht der Staaten geben müssen. Nur wird man

Polizei, Kochs Agrarweſen und hundert andern, oder den gleichfalls
nach Hunderten zählenden Aufſätzen in den Zeitſchriften, oder ganzen
Encyclopädien begegnen. Nur das Eine darf man dabei nicht ver-
geſſen, daß wir mit ihnen alles bis auf die Einheit der Verwaltungslehre
beſitzen. Die Verwaltungslehre wird nie ohne ſie den Namen einer
Wiſſenſchaft verdienen, aber mit ihnen allein haben wir noch keine
Wiſſenſchaft der Verwaltung
. — Die folgende Arbeit ſoll es
verſuchen, für dieß ſpecifiſche Element der Einheit die Grundlagen auf-
zuſtellen.

So hat dieſe erſte Richtung ihre hochbedeutende Entwicklung.
Während dieſe aber allmälig die juriſtiſche Baſis verläßt, hält die zweite
ihrer Natur nach daran feſt und entwickelt ſich mehr ihrem Umfang als
ihrem Inhalt nach.

II. Dieſe zweite Richtung können wir wohl kurz und erſchöpfend
als die der territorialen Verwaltungsgeſetzſammlungen be-
zeichnen, wie ſie in möglichſt vollſtändiger Weiſe früher Kopetz und
jetzt Stubenrauch für Oeſterreich, Funke für Sachſen gegeben haben.
Wir haben über dieſelben nichts hinzuzufügen, als daß ſie, weſentlich
praktiſcher Natur, auch nur an das praktiſche Bedürfniß der Kenntniß
der beſtehenden Geſetze denken, dabei aber jedes Syſtems baar ſind,
und deßhalb der Ueberſichtlichkeit und der feſten Gränzen ermangeln,
ſo daß man, hätten ſie nicht ausführliche Wortregiſter, ihnen das Syſtem
der franzöſiſchen adminiſtrativen Dictionnaires vorziehen würde, das
bekanntlich durch Block ſeinen beſten Ausdruck gefunden. Das wird
erſt dann beſſer werden, wenn man ſich erſt in der Verwaltung über
ein Syſtem einigen wird. Wird das in der deutſchen Wiſſenſchaft je
möglich werden?

III. Die dritte Richtung iſt nun in ihrer Weiſe eine ſehr bedeu-
tende, und ſie zeigt, indem ſie die Verbindung des Staatsrechts mit
der Verwaltungslehre zu ihrem wahren Ausdruck bringt, den Weg, den
wir in dieſer Beziehung für die Zukunft einzuſchlagen haben. Es iſt
die Aufſtellung des Verwaltungsrechts als eines zweiten organiſchen
Theiles des Staatsrechts neben dem Verfaſſungsrecht. Dieſe Richtung
iſt bekanntlich von R. v. Mohl in ſeinem Staatsrecht des Königreichs
Württemberg zuerſt ins Leben gerufen und von den bedeutendſten Män-
nern des öffentlichen Rechts, wie Pözl für Bayern und Rönne für
Preußen, angenommen. Es iſt gar kein Zweifel, daß ſie nicht bloß
dauernd bleiben, ſondern als die einzig rationelle Grundlage der Ord-
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[38/0060] Polizei, Kochs Agrarweſen und hundert andern, oder den gleichfalls nach Hunderten zählenden Aufſätzen in den Zeitſchriften, oder ganzen Encyclopädien begegnen. Nur das Eine darf man dabei nicht ver- geſſen, daß wir mit ihnen alles bis auf die Einheit der Verwaltungslehre beſitzen. Die Verwaltungslehre wird nie ohne ſie den Namen einer Wiſſenſchaft verdienen, aber mit ihnen allein haben wir noch keine Wiſſenſchaft der Verwaltung. — Die folgende Arbeit ſoll es verſuchen, für dieß ſpecifiſche Element der Einheit die Grundlagen auf- zuſtellen. So hat dieſe erſte Richtung ihre hochbedeutende Entwicklung. Während dieſe aber allmälig die juriſtiſche Baſis verläßt, hält die zweite ihrer Natur nach daran feſt und entwickelt ſich mehr ihrem Umfang als ihrem Inhalt nach. II. Dieſe zweite Richtung können wir wohl kurz und erſchöpfend als die der territorialen Verwaltungsgeſetzſammlungen be- zeichnen, wie ſie in möglichſt vollſtändiger Weiſe früher Kopetz und jetzt Stubenrauch für Oeſterreich, Funke für Sachſen gegeben haben. Wir haben über dieſelben nichts hinzuzufügen, als daß ſie, weſentlich praktiſcher Natur, auch nur an das praktiſche Bedürfniß der Kenntniß der beſtehenden Geſetze denken, dabei aber jedes Syſtems baar ſind, und deßhalb der Ueberſichtlichkeit und der feſten Gränzen ermangeln, ſo daß man, hätten ſie nicht ausführliche Wortregiſter, ihnen das Syſtem der franzöſiſchen adminiſtrativen Dictionnaires vorziehen würde, das bekanntlich durch Block ſeinen beſten Ausdruck gefunden. Das wird erſt dann beſſer werden, wenn man ſich erſt in der Verwaltung über ein Syſtem einigen wird. Wird das in der deutſchen Wiſſenſchaft je möglich werden? III. Die dritte Richtung iſt nun in ihrer Weiſe eine ſehr bedeu- tende, und ſie zeigt, indem ſie die Verbindung des Staatsrechts mit der Verwaltungslehre zu ihrem wahren Ausdruck bringt, den Weg, den wir in dieſer Beziehung für die Zukunft einzuſchlagen haben. Es iſt die Aufſtellung des Verwaltungsrechts als eines zweiten organiſchen Theiles des Staatsrechts neben dem Verfaſſungsrecht. Dieſe Richtung iſt bekanntlich von R. v. Mohl in ſeinem Staatsrecht des Königreichs Württemberg zuerſt ins Leben gerufen und von den bedeutendſten Män- nern des öffentlichen Rechts, wie Pözl für Bayern und Rönne für Preußen, angenommen. Es iſt gar kein Zweifel, daß ſie nicht bloß dauernd bleiben, ſondern als die einzig rationelle Grundlage der Ord- nung des öffentlichen Rechts kräftig durchgreifen wird. Gibt es über- haupt eine ſelbſtändige Verwaltungslehre, ſo wird es auch ein ſelbſtän- diges Verwaltungsrecht der Staaten geben müſſen. Nur wird man

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/60>, abgerufen am 26.04.2024.