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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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derselben hervorgeht, in einigen Ländern gänzlich fehlt, in keinem ge-
nügend geordnet erscheint, fast allenthalben formell auf dem ärztlichen
Berufseid begründet ist.


Die Literatur ist hier wieder fast nur von Medicinern bearbeitet.
Eine Reihe von Aufsätzen über das Verhältniß der Aerzte "zum Staate"
in Henke's Zeitschrift von 1824 von Wedekind und mehreren Ano-
nymen. Den eigentlichen Anstoß gab wohl Nasse: Von der Stellung
der Aerzte im Staate 1823 (Besoldung der Aerzte), dann in Caspars
Vierteljahrsschrift VI. (XIV. und XIX.). Es ist nach dem ganzen streng
bureaukratischen Charakter des preußischen Gesundheitswesens wohl nicht
zu verwundern, daß gerade die preußische Literatur hier die reichste ist.
-- In Frankreich ward seit dem Grundsatz vom 19. Vent. a. XI
nur den berufsmäßig gebildeten Aerzten (docteurs en medecine) das
Recht der Gerichtsärzte vorbehalten. Die Freiheit der Heilmethode ist
nicht fraglich. Das Recht der Praxis wird erworben, indem die Aerzte
ihr Doktordiplom bei dem Gericht erster Instanz einfach deponiren; die
Procureurs und die Präfekten stellen jährlich eine Liste zusammen, die
dem Handelsministerium zugesandt wird. Das Verhältniß zu dem
niedern Heilpersonal (s. unten) ist genau bestimmt. (S. Code me-
dical ou recueil des lois sur l'etude, l'enseignement et l'exercice de
la medecine par Amette
1855.) -- Oesterreich. Das Recht zur
Praxis ist durch die Sanitätsprüfungen nach der Studienordnung von
1850 gegeben, ohne Bewilligung der Behörden; nur auswärtige Dok-
toren bedürfen der letzteren. Der frühere Standpunkt der Scheidung
des Rechts zur Praxis nach den Gewerben und Krankheiten zwischen
Aerzten und Wundärzten, nach welchem eine Uebertretung als Gewerbe-
störung
behandelt ward (Stubenrauch II. §. 288), ist jetzt aufge-
hoben. Die gesetzlichen Vorschriften über die Heilmethoden sind
beseitigt (Stubenrauch II. §. 284); dagegen sind Verletzungen oder
Gefährdungen der Krankheit durch Fehler des Arztes jetzt nach dem
Strafgesetzbuch zu behandeln (§. 356). Ueber die einzelnen, fast
alle noch geltenden Bestimmungen ist die fleißigste Zusammenstellung in
Juries Schrift, Pflichten und Rechte der österr. Aerzte 1847. --
Preußen: Hier gilt neben der Doktoratsprüfung noch die Appro-
bation
durch das Ministerium des Unterrichts für die Praxis, und
die Ablegung eines besondern Berufseides. Die Unterschiede im Recht
der ärztlichen Grade sind aufgehoben. Der Beginn der Praxis ist
jedoch durch ein festes Domicil bedingt. Ueber den früheren Unterschied
zwischen Civil- und Militärärzten bei Horn, Medicinalwesen II. S. 99.

derſelben hervorgeht, in einigen Ländern gänzlich fehlt, in keinem ge-
nügend geordnet erſcheint, faſt allenthalben formell auf dem ärztlichen
Berufseid begründet iſt.


Die Literatur iſt hier wieder faſt nur von Medicinern bearbeitet.
Eine Reihe von Aufſätzen über das Verhältniß der Aerzte „zum Staate“
in Henke’s Zeitſchrift von 1824 von Wedekind und mehreren Ano-
nymen. Den eigentlichen Anſtoß gab wohl Naſſe: Von der Stellung
der Aerzte im Staate 1823 (Beſoldung der Aerzte), dann in Caſpars
Vierteljahrsſchrift VI. (XIV. und XIX.). Es iſt nach dem ganzen ſtreng
bureaukratiſchen Charakter des preußiſchen Geſundheitsweſens wohl nicht
zu verwundern, daß gerade die preußiſche Literatur hier die reichſte iſt.
— In Frankreich ward ſeit dem Grundſatz vom 19. Vent. a. XI
nur den berufsmäßig gebildeten Aerzten (docteurs en médecine) das
Recht der Gerichtsärzte vorbehalten. Die Freiheit der Heilmethode iſt
nicht fraglich. Das Recht der Praxis wird erworben, indem die Aerzte
ihr Doktordiplom bei dem Gericht erſter Inſtanz einfach deponiren; die
Procureurs und die Präfekten ſtellen jährlich eine Liſte zuſammen, die
dem Handelsminiſterium zugeſandt wird. Das Verhältniß zu dem
niedern Heilperſonal (ſ. unten) iſt genau beſtimmt. (S. Code mé-
dical ou recueil des lois sur l’étude, l’enseignement et l’exercice de
la médecine par Amette
1855.) — Oeſterreich. Das Recht zur
Praxis iſt durch die Sanitätsprüfungen nach der Studienordnung von
1850 gegeben, ohne Bewilligung der Behörden; nur auswärtige Dok-
toren bedürfen der letzteren. Der frühere Standpunkt der Scheidung
des Rechts zur Praxis nach den Gewerben und Krankheiten zwiſchen
Aerzten und Wundärzten, nach welchem eine Uebertretung als Gewerbe-
ſtörung
behandelt ward (Stubenrauch II. §. 288), iſt jetzt aufge-
hoben. Die geſetzlichen Vorſchriften über die Heilmethoden ſind
beſeitigt (Stubenrauch II. §. 284); dagegen ſind Verletzungen oder
Gefährdungen der Krankheit durch Fehler des Arztes jetzt nach dem
Strafgeſetzbuch zu behandeln (§. 356). Ueber die einzelnen, faſt
alle noch geltenden Beſtimmungen iſt die fleißigſte Zuſammenſtellung in
Juriés Schrift, Pflichten und Rechte der öſterr. Aerzte 1847. —
Preußen: Hier gilt neben der Doktoratsprüfung noch die Appro-
bation
durch das Miniſterium des Unterrichts für die Praxis, und
die Ablegung eines beſondern Berufseides. Die Unterſchiede im Recht
der ärztlichen Grade ſind aufgehoben. Der Beginn der Praxis iſt
jedoch durch ein feſtes Domicil bedingt. Ueber den früheren Unterſchied
zwiſchen Civil- und Militärärzten bei Horn, Medicinalweſen II. S. 99.

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[107/0123] derſelben hervorgeht, in einigen Ländern gänzlich fehlt, in keinem ge- nügend geordnet erſcheint, faſt allenthalben formell auf dem ärztlichen Berufseid begründet iſt. Die Literatur iſt hier wieder faſt nur von Medicinern bearbeitet. Eine Reihe von Aufſätzen über das Verhältniß der Aerzte „zum Staate“ in Henke’s Zeitſchrift von 1824 von Wedekind und mehreren Ano- nymen. Den eigentlichen Anſtoß gab wohl Naſſe: Von der Stellung der Aerzte im Staate 1823 (Beſoldung der Aerzte), dann in Caſpars Vierteljahrsſchrift VI. (XIV. und XIX.). Es iſt nach dem ganzen ſtreng bureaukratiſchen Charakter des preußiſchen Geſundheitsweſens wohl nicht zu verwundern, daß gerade die preußiſche Literatur hier die reichſte iſt. — In Frankreich ward ſeit dem Grundſatz vom 19. Vent. a. XI nur den berufsmäßig gebildeten Aerzten (docteurs en médecine) das Recht der Gerichtsärzte vorbehalten. Die Freiheit der Heilmethode iſt nicht fraglich. Das Recht der Praxis wird erworben, indem die Aerzte ihr Doktordiplom bei dem Gericht erſter Inſtanz einfach deponiren; die Procureurs und die Präfekten ſtellen jährlich eine Liſte zuſammen, die dem Handelsminiſterium zugeſandt wird. Das Verhältniß zu dem niedern Heilperſonal (ſ. unten) iſt genau beſtimmt. (S. Code mé- dical ou recueil des lois sur l’étude, l’enseignement et l’exercice de la médecine par Amette 1855.) — Oeſterreich. Das Recht zur Praxis iſt durch die Sanitätsprüfungen nach der Studienordnung von 1850 gegeben, ohne Bewilligung der Behörden; nur auswärtige Dok- toren bedürfen der letzteren. Der frühere Standpunkt der Scheidung des Rechts zur Praxis nach den Gewerben und Krankheiten zwiſchen Aerzten und Wundärzten, nach welchem eine Uebertretung als Gewerbe- ſtörung behandelt ward (Stubenrauch II. §. 288), iſt jetzt aufge- hoben. Die geſetzlichen Vorſchriften über die Heilmethoden ſind beſeitigt (Stubenrauch II. §. 284); dagegen ſind Verletzungen oder Gefährdungen der Krankheit durch Fehler des Arztes jetzt nach dem Strafgeſetzbuch zu behandeln (§. 356). Ueber die einzelnen, faſt alle noch geltenden Beſtimmungen iſt die fleißigſte Zuſammenſtellung in Juriés Schrift, Pflichten und Rechte der öſterr. Aerzte 1847. — Preußen: Hier gilt neben der Doktoratsprüfung noch die Appro- bation durch das Miniſterium des Unterrichts für die Praxis, und die Ablegung eines beſondern Berufseides. Die Unterſchiede im Recht der ärztlichen Grade ſind aufgehoben. Der Beginn der Praxis iſt jedoch durch ein feſtes Domicil bedingt. Ueber den früheren Unterſchied zwiſchen Civil- und Militärärzten bei Horn, Medicinalweſen II. S. 99.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/123>, abgerufen am 28.04.2024.