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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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entstehen die beiden Grundlagen des öffentlichen Rechts derselben, welche
noch jetzt gelten: zuerst der Grundsatz, daß die Anlage der Apotheken
kein freies Unternehmen ist, sondern der Bewilligung bedarf; zwei-
tens
, daß der Betrieb dieser Unternehmung unter Aufsicht der öffent-
lichen Organe steht. Die Bewilligung wird dann eine behördliche, nach
dem Wesen der ständischen Zeit eine Bewilligung durch die Selbstver-
waltungskörper. An die Bewilligung knüpft sich, oft schon als Be-
dingung, das Realrecht der Apotheke; zugleich wird die Forderung der
berufsmäßigen Bildung zum Betriebe des Geschäfts die Bedingung der
persönlichen Bewilligung; und daraus entsteht dann mit dem achtzehnten
Jahrhundert das öffentliche Recht der Apothekerbildung, das in unsrer
Zeit zu einem allgemein gültigen Systeme erhoben wird. Die Ober-
aufsicht ist anfänglich eine rein amtliche; jedoch meist unter fachmän-
nischer Zuziehung der Aerzte. Mit dem achtzehnten Jahrhundert wird
das Apothekerwesen dann als ein Ganzes aufgefaßt, und der Gesund-
heitsverwaltung der neu entstehenden Collegia medica unterworfen.
Die Selbstverwaltungskörper verlieren die Oberaufsicht; die Verwaltung
nimmt im Namen des Heilwesens das Recht auf freie Concession zur
Anlage von Hypotheken in Anspruch, und befördert sie zum Theil direkt;
die Pflichten der Apotheker, der sanitäre Betrieb, die Rechte derselben
werden formulirt; die Taxen, die früher nur örtlich galten, werden
allgemeines Gesetz; es entsteht die Heilmittelordnung der gesetzlichen
Pharmacopöen, und zuletzt wird der Bildungsgang fast ganz dem ge-
werblichen Standpunkt entzogen und dem allgemeinen Bildungsrecht
eingeordnet. Dabei erhalten sich noch einzelne Momente aus dem
rein gewerblichen Rechte; namentlich der Gesichtspunkt der Beschränkung
in der Concurrenz des Apothekebetriebes, zum Theil sogar noch die ge-
werbliche Genossenschaft derselben. Im Großen und Ganzen aber ist
es kein Zweifel, daß das Apothekerwesen jetzt den berufsmäßigen Cha-
rakter und das öffentliche Recht einer großen Organisation der Heil-
mittel empfangen hat, und daß damit der wahre Standpunkt für diese
so wichtigen Anstalten gewonnen ist.

Das öffentliche Recht ist nun allerdings im vorigen Jahrhundert
vielfach codificirt, und zwar auf Veranlassung der neu entstandenen
obersten Gesundheitsverwaltung. Jedoch hat diese Codifikation sich meist
nur auf die berufsmäßige Ordnung bezogen, und das gewerbliche Leben
nicht umfaßt. Erst mit unsrem Jahrhundert hat das Princip der Ge-
werbefreiheit auch hier durchgegriffen; sein Erfolg ist im Wesentlichen,
daß gerade diese Gewerbefreiheit die letzten Hindernisse der vollen An-
wendung des öffentlichen Rechts des Apothekerwesens und seiner For-
derungen möglich gemacht hat, und daß man jetzt erst von einem

entſtehen die beiden Grundlagen des öffentlichen Rechts derſelben, welche
noch jetzt gelten: zuerſt der Grundſatz, daß die Anlage der Apotheken
kein freies Unternehmen iſt, ſondern der Bewilligung bedarf; zwei-
tens
, daß der Betrieb dieſer Unternehmung unter Aufſicht der öffent-
lichen Organe ſteht. Die Bewilligung wird dann eine behördliche, nach
dem Weſen der ſtändiſchen Zeit eine Bewilligung durch die Selbſtver-
waltungskörper. An die Bewilligung knüpft ſich, oft ſchon als Be-
dingung, das Realrecht der Apotheke; zugleich wird die Forderung der
berufsmäßigen Bildung zum Betriebe des Geſchäfts die Bedingung der
perſönlichen Bewilligung; und daraus entſteht dann mit dem achtzehnten
Jahrhundert das öffentliche Recht der Apothekerbildung, das in unſrer
Zeit zu einem allgemein gültigen Syſteme erhoben wird. Die Ober-
aufſicht iſt anfänglich eine rein amtliche; jedoch meiſt unter fachmän-
niſcher Zuziehung der Aerzte. Mit dem achtzehnten Jahrhundert wird
das Apothekerweſen dann als ein Ganzes aufgefaßt, und der Geſund-
heitsverwaltung der neu entſtehenden Collegia medica unterworfen.
Die Selbſtverwaltungskörper verlieren die Oberaufſicht; die Verwaltung
nimmt im Namen des Heilweſens das Recht auf freie Conceſſion zur
Anlage von Hypotheken in Anſpruch, und befördert ſie zum Theil direkt;
die Pflichten der Apotheker, der ſanitäre Betrieb, die Rechte derſelben
werden formulirt; die Taxen, die früher nur örtlich galten, werden
allgemeines Geſetz; es entſteht die Heilmittelordnung der geſetzlichen
Pharmacopöen, und zuletzt wird der Bildungsgang faſt ganz dem ge-
werblichen Standpunkt entzogen und dem allgemeinen Bildungsrecht
eingeordnet. Dabei erhalten ſich noch einzelne Momente aus dem
rein gewerblichen Rechte; namentlich der Geſichtspunkt der Beſchränkung
in der Concurrenz des Apothekebetriebes, zum Theil ſogar noch die ge-
werbliche Genoſſenſchaft derſelben. Im Großen und Ganzen aber iſt
es kein Zweifel, daß das Apothekerweſen jetzt den berufsmäßigen Cha-
rakter und das öffentliche Recht einer großen Organiſation der Heil-
mittel empfangen hat, und daß damit der wahre Standpunkt für dieſe
ſo wichtigen Anſtalten gewonnen iſt.

Das öffentliche Recht iſt nun allerdings im vorigen Jahrhundert
vielfach codificirt, und zwar auf Veranlaſſung der neu entſtandenen
oberſten Geſundheitsverwaltung. Jedoch hat dieſe Codifikation ſich meiſt
nur auf die berufsmäßige Ordnung bezogen, und das gewerbliche Leben
nicht umfaßt. Erſt mit unſrem Jahrhundert hat das Princip der Ge-
werbefreiheit auch hier durchgegriffen; ſein Erfolg iſt im Weſentlichen,
daß gerade dieſe Gewerbefreiheit die letzten Hinderniſſe der vollen An-
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[110/0126] entſtehen die beiden Grundlagen des öffentlichen Rechts derſelben, welche noch jetzt gelten: zuerſt der Grundſatz, daß die Anlage der Apotheken kein freies Unternehmen iſt, ſondern der Bewilligung bedarf; zwei- tens, daß der Betrieb dieſer Unternehmung unter Aufſicht der öffent- lichen Organe ſteht. Die Bewilligung wird dann eine behördliche, nach dem Weſen der ſtändiſchen Zeit eine Bewilligung durch die Selbſtver- waltungskörper. An die Bewilligung knüpft ſich, oft ſchon als Be- dingung, das Realrecht der Apotheke; zugleich wird die Forderung der berufsmäßigen Bildung zum Betriebe des Geſchäfts die Bedingung der perſönlichen Bewilligung; und daraus entſteht dann mit dem achtzehnten Jahrhundert das öffentliche Recht der Apothekerbildung, das in unſrer Zeit zu einem allgemein gültigen Syſteme erhoben wird. Die Ober- aufſicht iſt anfänglich eine rein amtliche; jedoch meiſt unter fachmän- niſcher Zuziehung der Aerzte. Mit dem achtzehnten Jahrhundert wird das Apothekerweſen dann als ein Ganzes aufgefaßt, und der Geſund- heitsverwaltung der neu entſtehenden Collegia medica unterworfen. Die Selbſtverwaltungskörper verlieren die Oberaufſicht; die Verwaltung nimmt im Namen des Heilweſens das Recht auf freie Conceſſion zur Anlage von Hypotheken in Anſpruch, und befördert ſie zum Theil direkt; die Pflichten der Apotheker, der ſanitäre Betrieb, die Rechte derſelben werden formulirt; die Taxen, die früher nur örtlich galten, werden allgemeines Geſetz; es entſteht die Heilmittelordnung der geſetzlichen Pharmacopöen, und zuletzt wird der Bildungsgang faſt ganz dem ge- werblichen Standpunkt entzogen und dem allgemeinen Bildungsrecht eingeordnet. Dabei erhalten ſich noch einzelne Momente aus dem rein gewerblichen Rechte; namentlich der Geſichtspunkt der Beſchränkung in der Concurrenz des Apothekebetriebes, zum Theil ſogar noch die ge- werbliche Genoſſenſchaft derſelben. Im Großen und Ganzen aber iſt es kein Zweifel, daß das Apothekerweſen jetzt den berufsmäßigen Cha- rakter und das öffentliche Recht einer großen Organiſation der Heil- mittel empfangen hat, und daß damit der wahre Standpunkt für dieſe ſo wichtigen Anſtalten gewonnen iſt. Das öffentliche Recht iſt nun allerdings im vorigen Jahrhundert vielfach codificirt, und zwar auf Veranlaſſung der neu entſtandenen oberſten Geſundheitsverwaltung. Jedoch hat dieſe Codifikation ſich meiſt nur auf die berufsmäßige Ordnung bezogen, und das gewerbliche Leben nicht umfaßt. Erſt mit unſrem Jahrhundert hat das Princip der Ge- werbefreiheit auch hier durchgegriffen; ſein Erfolg iſt im Weſentlichen, daß gerade dieſe Gewerbefreiheit die letzten Hinderniſſe der vollen An- wendung des öffentlichen Rechts des Apothekerweſens und ſeiner For- derungen möglich gemacht hat, und daß man jetzt erſt von einem

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/126>, abgerufen am 29.04.2024.