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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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die Ausübung dieser Kunst in ihren Bereich zieht, und so ein Heb-
ammenrecht
bildet, das in unserem Jahrhundert sich zu einem ziem-
lich klaren und einfachen System entwickelt hat, dessen Grundzüge fol-
gende sind:

Für das Hebammenwesen werden eigene Hebammenschulen er-
richtet, und Prüfungen abgehalten. Die Prüfung gibt allein das
Recht zur Ausübung. Die Hebammen stehen unter den Aerzten, und
haben die Pflicht, in bedenklichen Fällen den Arzt zu rufen. Sie
dürfen Arzneien nur in höchster Noth verabreichen, und sind zum
Geheimniß verpflichtet. Sie haften strafrechtlich für die Ueber-
schreitung ihrer Instruktion, haben aber dafür eine gesetzliche Taxe zu
fordern.


In England ist mir ein öffentliches Hebammenwesen unbekannt.
Klage über den früheren Zustand schon bei Frank VII. 2. 8. Die
Geschichte der Bildung der Hebammen sehr gut bei Frank, Medicinal-
polizei VII. 2. 8. Charakteristisch ist, daß noch im vorigen Jahrhundert
männliche Geburtshülfe als zum Theil unsittlich angesehen ward. Der
erste praktische Unterricht 1728 in Straßburg; darnach die Hebammen-
bildung in Oesterreich durch v. Swieten eingeführt seit 1748 (Frank
S. 519 ff.) 1774 ein Professor für theoretische Geburtshülfe; in Berlin
Unterricht seit 1751; Kopenhagen 1751; Brüssel 1754. Namentlich
Frank stellte dann die Theorie eines guten Hebammenwesens auf;
Vorschläge nebst Literatur S. 547--601. Auf dieser Grundlage ent-
steht die Gesetzgebung und das öffentliche Recht, von dem Collegiis
medicis
ausgehend. -- Oesterreich. Instruktion für die Hebammen
vom 3. Nov. 1808. Organisirung der Prüfungen nebst Diplom (Dekret
vom 19. März 1827. Stubenrauch II. §. 282. 287). -- Preußen.
Hebammen-Lehranstalten und ihre Organisation (Simon und Rönne,
Medicinalwesen I. 538 ff. Horn, Medicinalwesen II. 179); Eid der
Hebammen (Rescript vom 6. März 1856); Prüfung nach dem Regu-
lativ vom 1. Dec. 1825; Approbation durch die Regierung, oder
concessionirtes Gewerbe (Gewerbeordnung 1848 §. 15); Rechte: Rönne
Staatsrecht II. 354. -- Königreich Sachsen. Sehr ausführliches Man-
dat über die Ausübung der Geburtshülfe vom 2. April 1818, nebst
den neuen Bestimmungen (Funk III. 109 ff. vollständig). -- Hannover.
Regulativ für die Hebammenanstalt von 1864 (ausführlich s. Austria
1864 S. 133 und Verordnung vom 1. Mai 1865). -- Mecklenburg.
Verordnung, betreffend das Hebammenwesen vom 15. Februar 1864;
Unterricht in der Hebammen-Lehranstalt in Rostock; Oberaufsicht des
Kreisphysikus (Austria S. 178). -- Württemberg. Prüfungen seit

die Ausübung dieſer Kunſt in ihren Bereich zieht, und ſo ein Heb-
ammenrecht
bildet, das in unſerem Jahrhundert ſich zu einem ziem-
lich klaren und einfachen Syſtem entwickelt hat, deſſen Grundzüge fol-
gende ſind:

Für das Hebammenweſen werden eigene Hebammenſchulen er-
richtet, und Prüfungen abgehalten. Die Prüfung gibt allein das
Recht zur Ausübung. Die Hebammen ſtehen unter den Aerzten, und
haben die Pflicht, in bedenklichen Fällen den Arzt zu rufen. Sie
dürfen Arzneien nur in höchſter Noth verabreichen, und ſind zum
Geheimniß verpflichtet. Sie haften ſtrafrechtlich für die Ueber-
ſchreitung ihrer Inſtruktion, haben aber dafür eine geſetzliche Taxe zu
fordern.


In England iſt mir ein öffentliches Hebammenweſen unbekannt.
Klage über den früheren Zuſtand ſchon bei Frank VII. 2. 8. Die
Geſchichte der Bildung der Hebammen ſehr gut bei Frank, Medicinal-
polizei VII. 2. 8. Charakteriſtiſch iſt, daß noch im vorigen Jahrhundert
männliche Geburtshülfe als zum Theil unſittlich angeſehen ward. Der
erſte praktiſche Unterricht 1728 in Straßburg; darnach die Hebammen-
bildung in Oeſterreich durch v. Swieten eingeführt ſeit 1748 (Frank
S. 519 ff.) 1774 ein Profeſſor für theoretiſche Geburtshülfe; in Berlin
Unterricht ſeit 1751; Kopenhagen 1751; Brüſſel 1754. Namentlich
Frank ſtellte dann die Theorie eines guten Hebammenweſens auf;
Vorſchläge nebſt Literatur S. 547—601. Auf dieſer Grundlage ent-
ſteht die Geſetzgebung und das öffentliche Recht, von dem Collegiis
medicis
ausgehend. — Oeſterreich. Inſtruktion für die Hebammen
vom 3. Nov. 1808. Organiſirung der Prüfungen nebſt Diplom (Dekret
vom 19. März 1827. Stubenrauch II. §. 282. 287). — Preußen.
Hebammen-Lehranſtalten und ihre Organiſation (Simon und Rönne,
Medicinalweſen I. 538 ff. Horn, Medicinalweſen II. 179); Eid der
Hebammen (Reſcript vom 6. März 1856); Prüfung nach dem Regu-
lativ vom 1. Dec. 1825; Approbation durch die Regierung, oder
conceſſionirtes Gewerbe (Gewerbeordnung 1848 §. 15); Rechte: Rönne
Staatsrecht II. 354. — Königreich Sachſen. Sehr ausführliches Man-
dat über die Ausübung der Geburtshülfe vom 2. April 1818, nebſt
den neuen Beſtimmungen (Funk III. 109 ff. vollſtändig). — Hannover.
Regulativ für die Hebammenanſtalt von 1864 (ausführlich ſ. Auſtria
1864 S. 133 und Verordnung vom 1. Mai 1865). — Mecklenburg.
Verordnung, betreffend das Hebammenweſen vom 15. Februar 1864;
Unterricht in der Hebammen-Lehranſtalt in Roſtock; Oberaufſicht des
Kreisphyſikus (Auſtria S. 178). — Württemberg. Prüfungen ſeit

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[118/0134] die Ausübung dieſer Kunſt in ihren Bereich zieht, und ſo ein Heb- ammenrecht bildet, das in unſerem Jahrhundert ſich zu einem ziem- lich klaren und einfachen Syſtem entwickelt hat, deſſen Grundzüge fol- gende ſind: Für das Hebammenweſen werden eigene Hebammenſchulen er- richtet, und Prüfungen abgehalten. Die Prüfung gibt allein das Recht zur Ausübung. Die Hebammen ſtehen unter den Aerzten, und haben die Pflicht, in bedenklichen Fällen den Arzt zu rufen. Sie dürfen Arzneien nur in höchſter Noth verabreichen, und ſind zum Geheimniß verpflichtet. Sie haften ſtrafrechtlich für die Ueber- ſchreitung ihrer Inſtruktion, haben aber dafür eine geſetzliche Taxe zu fordern. In England iſt mir ein öffentliches Hebammenweſen unbekannt. Klage über den früheren Zuſtand ſchon bei Frank VII. 2. 8. Die Geſchichte der Bildung der Hebammen ſehr gut bei Frank, Medicinal- polizei VII. 2. 8. Charakteriſtiſch iſt, daß noch im vorigen Jahrhundert männliche Geburtshülfe als zum Theil unſittlich angeſehen ward. Der erſte praktiſche Unterricht 1728 in Straßburg; darnach die Hebammen- bildung in Oeſterreich durch v. Swieten eingeführt ſeit 1748 (Frank S. 519 ff.) 1774 ein Profeſſor für theoretiſche Geburtshülfe; in Berlin Unterricht ſeit 1751; Kopenhagen 1751; Brüſſel 1754. Namentlich Frank ſtellte dann die Theorie eines guten Hebammenweſens auf; Vorſchläge nebſt Literatur S. 547—601. Auf dieſer Grundlage ent- ſteht die Geſetzgebung und das öffentliche Recht, von dem Collegiis medicis ausgehend. — Oeſterreich. Inſtruktion für die Hebammen vom 3. Nov. 1808. Organiſirung der Prüfungen nebſt Diplom (Dekret vom 19. März 1827. Stubenrauch II. §. 282. 287). — Preußen. Hebammen-Lehranſtalten und ihre Organiſation (Simon und Rönne, Medicinalweſen I. 538 ff. Horn, Medicinalweſen II. 179); Eid der Hebammen (Reſcript vom 6. März 1856); Prüfung nach dem Regu- lativ vom 1. Dec. 1825; Approbation durch die Regierung, oder conceſſionirtes Gewerbe (Gewerbeordnung 1848 §. 15); Rechte: Rönne Staatsrecht II. 354. — Königreich Sachſen. Sehr ausführliches Man- dat über die Ausübung der Geburtshülfe vom 2. April 1818, nebſt den neuen Beſtimmungen (Funk III. 109 ff. vollſtändig). — Hannover. Regulativ für die Hebammenanſtalt von 1864 (ausführlich ſ. Auſtria 1864 S. 133 und Verordnung vom 1. Mai 1865). — Mecklenburg. Verordnung, betreffend das Hebammenweſen vom 15. Februar 1864; Unterricht in der Hebammen-Lehranſtalt in Roſtock; Oberaufſicht des Kreisphyſikus (Auſtria S. 178). — Württemberg. Prüfungen ſeit

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/134>, abgerufen am 29.04.2024.