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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Einführung des Standrechts. Seesanitätswesen sehr gut geordnet,
zuletzt durch Verordnung vom 13. Dec. 1851, speciell für die Ein-
schleppung des gelben Fiebers. Unterscheidung der Länder der patente
libera
und non libera, letztere wieder netta (wenn 21 Tage mehr
kein Pestfall vorgekommen), brutta und brutta aggravata. Vor-
schriften über die Reinigung sehr genau. Einheimische Krankheiten siehe
unten. (Kopetz, Polizeigesetze II. S. 829. Stubenrauch II. §§. 303,
306. Müller, Oesterreichisches Sanitätswesen. Die obigen Verord-
nungen in der Manz'schen Gesetzesausgabe IV.) Bei den Landstaaten
ist alles Inneres Seuchenwesen (s. unten). -- In Preußen ist das
Quarantänewesen neben dem allgemeinen Seuchenregulativ vom 8. Aug.
1835 speciell unter Mitwirkung des Ministerium des Aeußern geregelt
durch das Reglement vom 3. Juli 1863 unter Aufhebung des Regle-
ments vom 30. April 1847. Convention mit Dänemark vom
26. Mai 1846. (Rönne, Staatsrecht §. 362.) Das Regulativ von 1835,
das neben der Quarantäne auch die Cholera, Pocken und Masern nebst
andern Krankheiten umfaßt, enthält zugleich die Maßregeln zur Einzel-
absperrung, die Errichtung und Einrichtung von Krankenhäusern, das
Desinfektionsverfahren; vollständig in Horn, Preußisches Medicinal-
wesen I. S. 170--210. Das preußische Strafgesetzbuch hat die Ueber-
tretung der Absperrungsvorschriften mit eigenen Strafen belegt §§. 306,
307. Das Quarantänewesen speziell betrifft die Verordnung vom
30. April 1847. (Horn S. 209 ff.) -- Württemberg scheint nur die
Absperrung einzelner Häuser und Hülfe für die Kranken zu kennen;
hier bestehen auch noch besondere Vorschriften für die Polizei der Krätze.
(Roller §§. 169 und 170.) -- In Bayern scheint das ganze System
nicht vorhanden. (Pözl §. 119.) -- Ueber die früheren "Contagions-
Anstalten" in Sachsen, schon am Ende des siebzehnten Jahrhunderts
entstanden (Verordnung vom 26. Juli 1666 und 11. Mai 1686), siehe
Funke III. S. 282. Jetzt scheint nach demselben das Princip vollständig
aufgegeben und nur noch Maßregeln gegen einzelne Epidemien zu bestehen.

Was England betrifft, so wird das Quarantänewesen hier auf
dem Verordnungswege regulirt, durch Ordres in Council. Die Haupt-
vorschrift ist 6 Georg. IV. 78. Das Centralbureau im Privy Council;
die Praxis ist sehr lax. (Gneist, Englisches Verwaltungsrecht II. 2. Ab-
theilung, §. 113.) -- Das holländische Quarantänewesen beruhte
früher ausschließlich auf der Verordnung vom 10. Januar 1805; der
Minister der Marine hat darnach das Recht, die Quarantäne von Fall
zu Fall einzuführen. (De Bosch-Kemper, Neederl. Staatsregt 1865
S. 684 und 813.) In beiden Ländern gibt es kein Recht der inneren
Absperrung. -- Rußlands Quarantäne-Reglement für die Ostseehäfen

Einführung des Standrechts. Seeſanitätsweſen ſehr gut geordnet,
zuletzt durch Verordnung vom 13. Dec. 1851, ſpeciell für die Ein-
ſchleppung des gelben Fiebers. Unterſcheidung der Länder der patente
libera
und non libera, letztere wieder netta (wenn 21 Tage mehr
kein Peſtfall vorgekommen), brutta und brutta aggravata. Vor-
ſchriften über die Reinigung ſehr genau. Einheimiſche Krankheiten ſiehe
unten. (Kopetz, Polizeigeſetze II. S. 829. Stubenrauch II. §§. 303,
306. Müller, Oeſterreichiſches Sanitätsweſen. Die obigen Verord-
nungen in der Manz’ſchen Geſetzesausgabe IV.) Bei den Landſtaaten
iſt alles Inneres Seuchenweſen (ſ. unten). — In Preußen iſt das
Quarantäneweſen neben dem allgemeinen Seuchenregulativ vom 8. Aug.
1835 ſpeciell unter Mitwirkung des Miniſterium des Aeußern geregelt
durch das Reglement vom 3. Juli 1863 unter Aufhebung des Regle-
ments vom 30. April 1847. Convention mit Dänemark vom
26. Mai 1846. (Rönne, Staatsrecht §. 362.) Das Regulativ von 1835,
das neben der Quarantäne auch die Cholera, Pocken und Maſern nebſt
andern Krankheiten umfaßt, enthält zugleich die Maßregeln zur Einzel-
abſperrung, die Errichtung und Einrichtung von Krankenhäuſern, das
Desinfektionsverfahren; vollſtändig in Horn, Preußiſches Medicinal-
weſen I. S. 170—210. Das preußiſche Strafgeſetzbuch hat die Ueber-
tretung der Abſperrungsvorſchriften mit eigenen Strafen belegt §§. 306,
307. Das Quarantäneweſen ſpeziell betrifft die Verordnung vom
30. April 1847. (Horn S. 209 ff.) — Württemberg ſcheint nur die
Abſperrung einzelner Häuſer und Hülfe für die Kranken zu kennen;
hier beſtehen auch noch beſondere Vorſchriften für die Polizei der Krätze.
(Roller §§. 169 und 170.) — In Bayern ſcheint das ganze Syſtem
nicht vorhanden. (Pözl §. 119.) — Ueber die früheren „Contagions-
Anſtalten“ in Sachſen, ſchon am Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts
entſtanden (Verordnung vom 26. Juli 1666 und 11. Mai 1686), ſiehe
Funke III. S. 282. Jetzt ſcheint nach demſelben das Princip vollſtändig
aufgegeben und nur noch Maßregeln gegen einzelne Epidemien zu beſtehen.

Was England betrifft, ſo wird das Quarantäneweſen hier auf
dem Verordnungswege regulirt, durch Ordres in Council. Die Haupt-
vorſchrift iſt 6 Georg. IV. 78. Das Centralbureau im Privy Council;
die Praxis iſt ſehr lax. (Gneiſt, Engliſches Verwaltungsrecht II. 2. Ab-
theilung, §. 113.) — Das holländiſche Quarantäneweſen beruhte
früher ausſchließlich auf der Verordnung vom 10. Januar 1805; der
Miniſter der Marine hat darnach das Recht, die Quarantäne von Fall
zu Fall einzuführen. (De Bosch-Kemper, Neederl. Staatsregt 1865
S. 684 und 813.) In beiden Ländern gibt es kein Recht der inneren
Abſperrung. — Rußlands Quarantäne-Reglement für die Oſtſeehäfen

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[45/0061] Einführung des Standrechts. Seeſanitätsweſen ſehr gut geordnet, zuletzt durch Verordnung vom 13. Dec. 1851, ſpeciell für die Ein- ſchleppung des gelben Fiebers. Unterſcheidung der Länder der patente libera und non libera, letztere wieder netta (wenn 21 Tage mehr kein Peſtfall vorgekommen), brutta und brutta aggravata. Vor- ſchriften über die Reinigung ſehr genau. Einheimiſche Krankheiten ſiehe unten. (Kopetz, Polizeigeſetze II. S. 829. Stubenrauch II. §§. 303, 306. Müller, Oeſterreichiſches Sanitätsweſen. Die obigen Verord- nungen in der Manz’ſchen Geſetzesausgabe IV.) Bei den Landſtaaten iſt alles Inneres Seuchenweſen (ſ. unten). — In Preußen iſt das Quarantäneweſen neben dem allgemeinen Seuchenregulativ vom 8. Aug. 1835 ſpeciell unter Mitwirkung des Miniſterium des Aeußern geregelt durch das Reglement vom 3. Juli 1863 unter Aufhebung des Regle- ments vom 30. April 1847. Convention mit Dänemark vom 26. Mai 1846. (Rönne, Staatsrecht §. 362.) Das Regulativ von 1835, das neben der Quarantäne auch die Cholera, Pocken und Maſern nebſt andern Krankheiten umfaßt, enthält zugleich die Maßregeln zur Einzel- abſperrung, die Errichtung und Einrichtung von Krankenhäuſern, das Desinfektionsverfahren; vollſtändig in Horn, Preußiſches Medicinal- weſen I. S. 170—210. Das preußiſche Strafgeſetzbuch hat die Ueber- tretung der Abſperrungsvorſchriften mit eigenen Strafen belegt §§. 306, 307. Das Quarantäneweſen ſpeziell betrifft die Verordnung vom 30. April 1847. (Horn S. 209 ff.) — Württemberg ſcheint nur die Abſperrung einzelner Häuſer und Hülfe für die Kranken zu kennen; hier beſtehen auch noch beſondere Vorſchriften für die Polizei der Krätze. (Roller §§. 169 und 170.) — In Bayern ſcheint das ganze Syſtem nicht vorhanden. (Pözl §. 119.) — Ueber die früheren „Contagions- Anſtalten“ in Sachſen, ſchon am Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts entſtanden (Verordnung vom 26. Juli 1666 und 11. Mai 1686), ſiehe Funke III. S. 282. Jetzt ſcheint nach demſelben das Princip vollſtändig aufgegeben und nur noch Maßregeln gegen einzelne Epidemien zu beſtehen. Was England betrifft, ſo wird das Quarantäneweſen hier auf dem Verordnungswege regulirt, durch Ordres in Council. Die Haupt- vorſchrift iſt 6 Georg. IV. 78. Das Centralbureau im Privy Council; die Praxis iſt ſehr lax. (Gneiſt, Engliſches Verwaltungsrecht II. 2. Ab- theilung, §. 113.) — Das holländiſche Quarantäneweſen beruhte früher ausſchließlich auf der Verordnung vom 10. Januar 1805; der Miniſter der Marine hat darnach das Recht, die Quarantäne von Fall zu Fall einzuführen. (De Bosch-Kemper, Neederl. Staatsregt 1865 S. 684 und 813.) In beiden Ländern gibt es kein Recht der inneren Abſperrung. — Rußlands Quarantäne-Reglement für die Oſtſeehäfen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/61>, abgerufen am 27.04.2024.