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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Die frühesten Nachrichten über die Blatternpolizei seit 1713, in
Holland seit 1748, in Frankreich seit 1754, bei Ehrhardt a. a. O.
I. 34. -- Der Streit über das obligatorische Impfwesen in Deutschland
aus dem vorigen Jahrhundert bei Berg, Polizeirecht II. Bd. III. Abschn. 3.

England. Langer Kampf vor Einführung des polizeilichen Impf-
zwanges. Die Acte 3, 4 Vict. 28 und 4, 5 Vict. 42 stehen noch auf
dem Standpunkt der bloßen Impfungsbeförderung; erst die Acte 16,
17 Vict. c. 100 (an act to make compulsory the Practise of Vacci-
nation
) führte den Zwang ein mit Beihülfe der Beamten der Armen-
verwaltung und der Registrars. Einführung in Schottland erst
durch 26, 23 Vict. 108 als Sache der Kirchengemeinde (Parochial Board)
Austria 1865 S. 77. Das neueste Gesetz 24, 25 Vict. 59 (1861) be-
stimmt dann, daß zum Zweck der Ausführung dieser Verordnung die
Guardians jeder Union und Parish durch eigene Organe (und unter
der üblichen Buße) die Mitglieder der letzteren eventuell durch Klage
vor dem Friedensrichter zur Impfung zwingen sollen. (Austria von
1864 Nr. 41.) Nach 26, 27 Vict. 52 (1863) soll jetzt jeder Hausvater
sein Kind in den ersten sechs Monaten impfen, und ein eigenes Impf-
register geführt, die Unterlassung aber mit 20 Schill. gebüßt werden.
Austria 1865. (Thomson, Historical sketch of the smal pox. Lon-
don
1822. Gneist, Englisches Verfassungsrecht §. 113.) -- Frank-
reich
. Bis jetzt Standpunkt der Impfbeförderung; schon 1803
bildete sich ein Impfungsverein (Comite de vaccine); Empfehlung
durch die Regierung durch Cirkular vom 26. Mai 1803. Ein Arrete
vom 31. Okt. 1814 setzte dann die ersten Preise für Verbreitung der
Impfung aus. Dieselbe ist den Beamteten aufgetragen und durch
Ordonnanz vom 20. Dec. 1820 die Academie de medecine angewiesen,
die letzteren in aller Weise zu unterstützen. Die Akademie legt jährlich
einen Bericht vor, und auf ihren Vorschlag werden die für die
Impfung thätigen Aerzte mit Preisen und Medaillen belohnt. (Arrete
vom 16. Juli und 10. Dec. 1823.) Das Arrete vom 25. Sept. steht
noch auf demselben bloßen Beförderungsstandpunkt. (Tardieu, Dic-
tionnaire III. p. 256 sq.
) In einigen Departements sind eigene
Impfärzte aufgestellt; in allen Hospitälern werden die Kinder
zwangsweise geimpft und in sehr vielen die Bevölkerung auf Verlangen
unentgeldlich. -- Oesterreich. Beginn mit der Impfbeförderung
durch öffentlichen Unterricht seit 1790; Pflicht zur Impfung mit Men-
schenblattern seit 1796; Verzeichnisse seit 1813 organisirt; Organisirung
des gegenwärtigen Systems durch Verordnung vom 30. Juni 1806.
Spätere Instruktion vom 9. Juli 1836; Förderung durch öffent-
liche Ermahnungen; Aufstellung und Verfahren der Impfärzte und

Die früheſten Nachrichten über die Blatternpolizei ſeit 1713, in
Holland ſeit 1748, in Frankreich ſeit 1754, bei Ehrhardt a. a. O.
I. 34. — Der Streit über das obligatoriſche Impfweſen in Deutſchland
aus dem vorigen Jahrhundert bei Berg, Polizeirecht II. Bd. III. Abſchn. 3.

England. Langer Kampf vor Einführung des polizeilichen Impf-
zwanges. Die Acte 3, 4 Vict. 28 und 4, 5 Vict. 42 ſtehen noch auf
dem Standpunkt der bloßen Impfungsbeförderung; erſt die Acte 16,
17 Vict. c. 100 (an act to make compulsory the Practise of Vacci-
nation
) führte den Zwang ein mit Beihülfe der Beamten der Armen-
verwaltung und der Registrars. Einführung in Schottland erſt
durch 26, 23 Vict. 108 als Sache der Kirchengemeinde (Parochial Board)
Auſtria 1865 S. 77. Das neueſte Geſetz 24, 25 Vict. 59 (1861) be-
ſtimmt dann, daß zum Zweck der Ausführung dieſer Verordnung die
Guardians jeder Union und Parish durch eigene Organe (und unter
der üblichen Buße) die Mitglieder der letzteren eventuell durch Klage
vor dem Friedensrichter zur Impfung zwingen ſollen. (Auſtria von
1864 Nr. 41.) Nach 26, 27 Vict. 52 (1863) ſoll jetzt jeder Hausvater
ſein Kind in den erſten ſechs Monaten impfen, und ein eigenes Impf-
regiſter geführt, die Unterlaſſung aber mit 20 Schill. gebüßt werden.
Auſtria 1865. (Thomson, Historical sketch of the smal pox. Lon-
don
1822. Gneiſt, Engliſches Verfaſſungsrecht §. 113.) — Frank-
reich
. Bis jetzt Standpunkt der Impfbeförderung; ſchon 1803
bildete ſich ein Impfungsverein (Comité de vaccine); Empfehlung
durch die Regierung durch Cirkular vom 26. Mai 1803. Ein Arrêté
vom 31. Okt. 1814 ſetzte dann die erſten Preiſe für Verbreitung der
Impfung aus. Dieſelbe iſt den Beamteten aufgetragen und durch
Ordonnanz vom 20. Dec. 1820 die Académie de médecine angewieſen,
die letzteren in aller Weiſe zu unterſtützen. Die Akademie legt jährlich
einen Bericht vor, und auf ihren Vorſchlag werden die für die
Impfung thätigen Aerzte mit Preiſen und Medaillen belohnt. (Arrêté
vom 16. Juli und 10. Dec. 1823.) Das Arrêté vom 25. Sept. ſteht
noch auf demſelben bloßen Beförderungsſtandpunkt. (Tardieu, Dic-
tionnaire III. p. 256 sq.
) In einigen Departements ſind eigene
Impfärzte aufgeſtellt; in allen Hoſpitälern werden die Kinder
zwangsweiſe geimpft und in ſehr vielen die Bevölkerung auf Verlangen
unentgeldlich. — Oeſterreich. Beginn mit der Impfbeförderung
durch öffentlichen Unterricht ſeit 1790; Pflicht zur Impfung mit Men-
ſchenblattern ſeit 1796; Verzeichniſſe ſeit 1813 organiſirt; Organiſirung
des gegenwärtigen Syſtems durch Verordnung vom 30. Juni 1806.
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liche Ermahnungen; Aufſtellung und Verfahren der Impfärzte und

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[47/0063] Die früheſten Nachrichten über die Blatternpolizei ſeit 1713, in Holland ſeit 1748, in Frankreich ſeit 1754, bei Ehrhardt a. a. O. I. 34. — Der Streit über das obligatoriſche Impfweſen in Deutſchland aus dem vorigen Jahrhundert bei Berg, Polizeirecht II. Bd. III. Abſchn. 3. England. Langer Kampf vor Einführung des polizeilichen Impf- zwanges. Die Acte 3, 4 Vict. 28 und 4, 5 Vict. 42 ſtehen noch auf dem Standpunkt der bloßen Impfungsbeförderung; erſt die Acte 16, 17 Vict. c. 100 (an act to make compulsory the Practise of Vacci- nation) führte den Zwang ein mit Beihülfe der Beamten der Armen- verwaltung und der Registrars. Einführung in Schottland erſt durch 26, 23 Vict. 108 als Sache der Kirchengemeinde (Parochial Board) Auſtria 1865 S. 77. Das neueſte Geſetz 24, 25 Vict. 59 (1861) be- ſtimmt dann, daß zum Zweck der Ausführung dieſer Verordnung die Guardians jeder Union und Parish durch eigene Organe (und unter der üblichen Buße) die Mitglieder der letzteren eventuell durch Klage vor dem Friedensrichter zur Impfung zwingen ſollen. (Auſtria von 1864 Nr. 41.) Nach 26, 27 Vict. 52 (1863) ſoll jetzt jeder Hausvater ſein Kind in den erſten ſechs Monaten impfen, und ein eigenes Impf- regiſter geführt, die Unterlaſſung aber mit 20 Schill. gebüßt werden. Auſtria 1865. (Thomson, Historical sketch of the smal pox. Lon- don 1822. Gneiſt, Engliſches Verfaſſungsrecht §. 113.) — Frank- reich. Bis jetzt Standpunkt der Impfbeförderung; ſchon 1803 bildete ſich ein Impfungsverein (Comité de vaccine); Empfehlung durch die Regierung durch Cirkular vom 26. Mai 1803. Ein Arrêté vom 31. Okt. 1814 ſetzte dann die erſten Preiſe für Verbreitung der Impfung aus. Dieſelbe iſt den Beamteten aufgetragen und durch Ordonnanz vom 20. Dec. 1820 die Académie de médecine angewieſen, die letzteren in aller Weiſe zu unterſtützen. Die Akademie legt jährlich einen Bericht vor, und auf ihren Vorſchlag werden die für die Impfung thätigen Aerzte mit Preiſen und Medaillen belohnt. (Arrêté vom 16. Juli und 10. Dec. 1823.) Das Arrêté vom 25. Sept. ſteht noch auf demſelben bloßen Beförderungsſtandpunkt. (Tardieu, Dic- tionnaire III. p. 256 sq.) In einigen Departements ſind eigene Impfärzte aufgeſtellt; in allen Hoſpitälern werden die Kinder zwangsweiſe geimpft und in ſehr vielen die Bevölkerung auf Verlangen unentgeldlich. — Oeſterreich. Beginn mit der Impfbeförderung durch öffentlichen Unterricht ſeit 1790; Pflicht zur Impfung mit Men- ſchenblattern ſeit 1796; Verzeichniſſe ſeit 1813 organiſirt; Organiſirung des gegenwärtigen Syſtems durch Verordnung vom 30. Juni 1806. Spätere Inſtruktion vom 9. Juli 1836; Förderung durch öffent- liche Ermahnungen; Aufſtellung und Verfahren der Impfärzte und

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/63>, abgerufen am 28.04.2024.