Dritte Abtheilung. Niedere Sicherheitspolizei. Begriff und Recht.
Die niedere Sicherheitspolizei entsteht dadurch, daß durch mensch- liche oder natürliche Kräfte die Existenz der Einzelnen gefährdet werden kann, ohne daß eine bestimmte unmittelbar gefährdende That vorläge- und dieselbe im Stande wäre, sich überhaupt oder ohne Anwendung ganz außergewöhnlicher Vorsicht dagegen zu schützen. Es ist natürlich, daß eine solche Polizei überhaupt erst da entsteht, wo eine gewisse Dich- tigkeit der Bevölkerung solchen Gefahren den Charakter allgemeiner Zu- stände gibt. In dem Beginne der Civilisation sowohl als da, wo auch bei hoch ausgebildeter Gesittung die Bevölkerung sehr dünn ist, wie in einsamen Gegenden, muß die Gemeinschaft es den Individuen selbst überlassen, sich diesen Schutz zu schaffen. Je enger die Bevölkerung rückt, je mehr wälzt sie diese Sorge auf die Verwaltung, und so ent- steht ein ganzes System von Maßregeln, welche zusammen die niedere Sicherheitspolizei bilden.
Dieselbe hat demgemäß einen ganz unbestimmten Umfang, weil sie sich auf alle den Einzelnen gefährlichen Verhältnisse bezieht. Je- doch scheiden sich in derselben drei ganz bestimmte Gebiete nach den drei Elementen der Gefahr. Die erste Ursache der Gefährdung der Sicher- heit sind die Menschen selbst als solche, die zweite sind die Beschäfti- gungen und die Besitzer derselben, die dritte endlich die natürlichen Zu- stände. Es ist dabei natürlich weder möglich, noch hat es einen Werth, alle einzelnen auf diese Gefährdungen bezüglichen Bestimmungen in den verschiedenen Ländern anzugeben, schon darum nicht, weil eben die natür- lichen Verhältnisse örtlicher Natur sind. Wohl aber hat das daraus entstehende niedere Polizeiwesen und sein Recht einen gewissen gleich- artigen Charakter, je nach der Ursache, aus der es entsteht, und auf diesen als das eigentliche Element der Vergleichung sind die einzelnen Bestimmungen zurückzuführen.
Da nämlich die Sicherheitspolizei gefährlicher Personen und gefähr- licher Unternehmungen stets eine unvermeidliche Beschränkung der per- sönlichen Freiheit mit sich bringt, so wird das diese Freiheit beschrän- kende Recht stets ein gesetzmäßiges sein müssen, während die Ausführung seiner Bestimmungen den Selbstverwaltungskörpern um ihrer örtlichen Natur willen überlassen wird. Die rein natürliche Sicherheitspolizei dagegen beruht auf Verfügungen, und diese müssen stets von dem ört- lichen Verwaltungsorgane, vorzugsweise von den Selbstverwaltungskörpern
Dritte Abtheilung. Niedere Sicherheitspolizei. Begriff und Recht.
Die niedere Sicherheitspolizei entſteht dadurch, daß durch menſch- liche oder natürliche Kräfte die Exiſtenz der Einzelnen gefährdet werden kann, ohne daß eine beſtimmte unmittelbar gefährdende That vorläge- und dieſelbe im Stande wäre, ſich überhaupt oder ohne Anwendung ganz außergewöhnlicher Vorſicht dagegen zu ſchützen. Es iſt natürlich, daß eine ſolche Polizei überhaupt erſt da entſteht, wo eine gewiſſe Dich- tigkeit der Bevölkerung ſolchen Gefahren den Charakter allgemeiner Zu- ſtände gibt. In dem Beginne der Civiliſation ſowohl als da, wo auch bei hoch ausgebildeter Geſittung die Bevölkerung ſehr dünn iſt, wie in einſamen Gegenden, muß die Gemeinſchaft es den Individuen ſelbſt überlaſſen, ſich dieſen Schutz zu ſchaffen. Je enger die Bevölkerung rückt, je mehr wälzt ſie dieſe Sorge auf die Verwaltung, und ſo ent- ſteht ein ganzes Syſtem von Maßregeln, welche zuſammen die niedere Sicherheitspolizei bilden.
Dieſelbe hat demgemäß einen ganz unbeſtimmten Umfang, weil ſie ſich auf alle den Einzelnen gefährlichen Verhältniſſe bezieht. Je- doch ſcheiden ſich in derſelben drei ganz beſtimmte Gebiete nach den drei Elementen der Gefahr. Die erſte Urſache der Gefährdung der Sicher- heit ſind die Menſchen ſelbſt als ſolche, die zweite ſind die Beſchäfti- gungen und die Beſitzer derſelben, die dritte endlich die natürlichen Zu- ſtände. Es iſt dabei natürlich weder möglich, noch hat es einen Werth, alle einzelnen auf dieſe Gefährdungen bezüglichen Beſtimmungen in den verſchiedenen Ländern anzugeben, ſchon darum nicht, weil eben die natür- lichen Verhältniſſe örtlicher Natur ſind. Wohl aber hat das daraus entſtehende niedere Polizeiweſen und ſein Recht einen gewiſſen gleich- artigen Charakter, je nach der Urſache, aus der es entſteht, und auf dieſen als das eigentliche Element der Vergleichung ſind die einzelnen Beſtimmungen zurückzuführen.
Da nämlich die Sicherheitspolizei gefährlicher Perſonen und gefähr- licher Unternehmungen ſtets eine unvermeidliche Beſchränkung der per- ſönlichen Freiheit mit ſich bringt, ſo wird das dieſe Freiheit beſchrän- kende Recht ſtets ein geſetzmäßiges ſein müſſen, während die Ausführung ſeiner Beſtimmungen den Selbſtverwaltungskörpern um ihrer örtlichen Natur willen überlaſſen wird. Die rein natürliche Sicherheitspolizei dagegen beruht auf Verfügungen, und dieſe müſſen ſtets von dem ört- lichen Verwaltungsorgane, vorzugsweiſe von den Selbſtverwaltungskörpern
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0182"n="160"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Dritte Abtheilung.</hi><lb/>
Niedere Sicherheitspolizei.<lb/><hirendition="#b">Begriff und Recht.</hi></head><lb/><p>Die niedere Sicherheitspolizei entſteht dadurch, daß durch menſch-<lb/>
liche oder natürliche Kräfte die Exiſtenz der <hirendition="#g">Einzelnen</hi> gefährdet werden<lb/>
kann, ohne daß eine beſtimmte unmittelbar gefährdende That vorläge-<lb/>
und dieſelbe im Stande wäre, ſich überhaupt oder ohne Anwendung<lb/>
ganz außergewöhnlicher Vorſicht dagegen zu ſchützen. Es iſt natürlich,<lb/>
daß eine ſolche Polizei überhaupt erſt da entſteht, wo eine gewiſſe Dich-<lb/>
tigkeit der Bevölkerung ſolchen Gefahren den Charakter allgemeiner Zu-<lb/>ſtände gibt. In dem Beginne der Civiliſation ſowohl als da, wo auch<lb/>
bei hoch ausgebildeter Geſittung die Bevölkerung ſehr dünn iſt, wie<lb/>
in einſamen Gegenden, muß die Gemeinſchaft es den Individuen ſelbſt<lb/>
überlaſſen, ſich dieſen Schutz zu ſchaffen. Je enger die Bevölkerung<lb/>
rückt, je mehr wälzt ſie dieſe Sorge auf die Verwaltung, und ſo ent-<lb/>ſteht ein ganzes Syſtem von Maßregeln, welche zuſammen die niedere<lb/>
Sicherheitspolizei bilden.</p><lb/><p>Dieſelbe hat demgemäß einen ganz unbeſtimmten Umfang, weil<lb/>ſie ſich auf <hirendition="#g">alle</hi> den Einzelnen gefährlichen Verhältniſſe bezieht. Je-<lb/>
doch ſcheiden ſich in derſelben drei ganz beſtimmte Gebiete nach den drei<lb/>
Elementen der Gefahr. Die erſte Urſache der Gefährdung der Sicher-<lb/>
heit ſind die Menſchen ſelbſt als ſolche, die zweite ſind die Beſchäfti-<lb/>
gungen und die Beſitzer derſelben, die dritte endlich die natürlichen Zu-<lb/>ſtände. Es iſt dabei natürlich weder möglich, noch hat es einen Werth,<lb/>
alle einzelnen auf dieſe Gefährdungen bezüglichen Beſtimmungen in den<lb/>
verſchiedenen Ländern anzugeben, ſchon darum nicht, weil eben die natür-<lb/>
lichen Verhältniſſe örtlicher Natur ſind. Wohl aber hat das daraus<lb/>
entſtehende niedere Polizeiweſen und ſein Recht einen gewiſſen gleich-<lb/>
artigen Charakter, je nach der Urſache, aus der es entſteht, und auf<lb/>
dieſen als das eigentliche Element der Vergleichung ſind die einzelnen<lb/>
Beſtimmungen zurückzuführen.</p><lb/><p>Da nämlich die Sicherheitspolizei gefährlicher Perſonen und gefähr-<lb/>
licher Unternehmungen ſtets eine unvermeidliche Beſchränkung der per-<lb/>ſönlichen Freiheit mit ſich bringt, ſo wird das dieſe Freiheit beſchrän-<lb/>
kende Recht ſtets ein geſetzmäßiges ſein müſſen, während die Ausführung<lb/>ſeiner Beſtimmungen den Selbſtverwaltungskörpern um ihrer örtlichen<lb/>
Natur willen überlaſſen wird. Die rein natürliche Sicherheitspolizei<lb/>
dagegen beruht auf Verfügungen, und dieſe müſſen ſtets von dem ört-<lb/>
lichen Verwaltungsorgane, vorzugsweiſe von den Selbſtverwaltungskörpern<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[160/0182]
Dritte Abtheilung.
Niedere Sicherheitspolizei.
Begriff und Recht.
Die niedere Sicherheitspolizei entſteht dadurch, daß durch menſch-
liche oder natürliche Kräfte die Exiſtenz der Einzelnen gefährdet werden
kann, ohne daß eine beſtimmte unmittelbar gefährdende That vorläge-
und dieſelbe im Stande wäre, ſich überhaupt oder ohne Anwendung
ganz außergewöhnlicher Vorſicht dagegen zu ſchützen. Es iſt natürlich,
daß eine ſolche Polizei überhaupt erſt da entſteht, wo eine gewiſſe Dich-
tigkeit der Bevölkerung ſolchen Gefahren den Charakter allgemeiner Zu-
ſtände gibt. In dem Beginne der Civiliſation ſowohl als da, wo auch
bei hoch ausgebildeter Geſittung die Bevölkerung ſehr dünn iſt, wie
in einſamen Gegenden, muß die Gemeinſchaft es den Individuen ſelbſt
überlaſſen, ſich dieſen Schutz zu ſchaffen. Je enger die Bevölkerung
rückt, je mehr wälzt ſie dieſe Sorge auf die Verwaltung, und ſo ent-
ſteht ein ganzes Syſtem von Maßregeln, welche zuſammen die niedere
Sicherheitspolizei bilden.
Dieſelbe hat demgemäß einen ganz unbeſtimmten Umfang, weil
ſie ſich auf alle den Einzelnen gefährlichen Verhältniſſe bezieht. Je-
doch ſcheiden ſich in derſelben drei ganz beſtimmte Gebiete nach den drei
Elementen der Gefahr. Die erſte Urſache der Gefährdung der Sicher-
heit ſind die Menſchen ſelbſt als ſolche, die zweite ſind die Beſchäfti-
gungen und die Beſitzer derſelben, die dritte endlich die natürlichen Zu-
ſtände. Es iſt dabei natürlich weder möglich, noch hat es einen Werth,
alle einzelnen auf dieſe Gefährdungen bezüglichen Beſtimmungen in den
verſchiedenen Ländern anzugeben, ſchon darum nicht, weil eben die natür-
lichen Verhältniſſe örtlicher Natur ſind. Wohl aber hat das daraus
entſtehende niedere Polizeiweſen und ſein Recht einen gewiſſen gleich-
artigen Charakter, je nach der Urſache, aus der es entſteht, und auf
dieſen als das eigentliche Element der Vergleichung ſind die einzelnen
Beſtimmungen zurückzuführen.
Da nämlich die Sicherheitspolizei gefährlicher Perſonen und gefähr-
licher Unternehmungen ſtets eine unvermeidliche Beſchränkung der per-
ſönlichen Freiheit mit ſich bringt, ſo wird das dieſe Freiheit beſchrän-
kende Recht ſtets ein geſetzmäßiges ſein müſſen, während die Ausführung
ſeiner Beſtimmungen den Selbſtverwaltungskörpern um ihrer örtlichen
Natur willen überlaſſen wird. Die rein natürliche Sicherheitspolizei
dagegen beruht auf Verfügungen, und dieſe müſſen ſtets von dem ört-
lichen Verwaltungsorgane, vorzugsweiſe von den Selbſtverwaltungskörpern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/182>, abgerufen am 11.12.2023.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2023. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.