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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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der Mann, der das zu einem systematischen Inhalt der Lehre macht,
wird sich ein unsterbliches Verdienst um sein Volk erwerben! -- An das
zweite schließt sich die Lehre von den Elementen der Mechanik und der
Chemie. Es ist nicht unsere Sache, über die Gränze dieses Theiles ein
Urtheil abzugeben; aber die Nothwendigkeit leuchtet von selber ein. --
An diese allgemeine Fortbildungsanstalten kann sich nun schon das
Vereinswesen der Handwerker anschließen und durch allgemeine Bildungs-
vereine
die allgemeine Bildung in das gewerbliche Leben aufnehmen.
Daß dabei namentlich öffentliche Lesezimmer und Bibliotheken von
größter Bedeutung sind, versteht sich von selbst; mit ihnen tritt dann
das Fortbildungswesen in das Gebiet der allgemeinen Bildung über.

Die zweite Hauptform möchten wir nun die eigentlichen Ge-
werbeschulen
nennen. Wir verstehen darunter diejenigen, deren
Zweck die Bildung für ein einzelnes, bestimmtes Gewerbe oder
Handwerk ist. Die Natur solcher Schulen fordert, daß sie mit ihrem
ganz speciellen Zweck auch ganz specielle Aufgaben haben, die sich nach
den Bedürfnissen und Voraussetzungen jedes einzelnen Gewerbes richten.
Dahin gehören z. B. Spinnschulen, Webeschulen, Schlosserschulen,
Tischlerschulen etc. Sie können nur in größeren Städten vorkommen
und nur für einzelne Gewerbe gelten. Bisher hat nur die Noth (Spinn-
schulen, Strohflechten) oder die gewaltige Mitwerbung (Weberschulen)
sie erzeugt; wenn wir durch die Natur der Sache die Kraft haben, zu
ersetzen, was hier mangelt?

II. Die zweite große Gruppe umfassen wir nun mit der allge-
meinen Bezeichnung des Realunterrichts und der Realbildung. Sie
zerfällt wieder, wie schon erwähnt, in zwei Formen, die Realschule
und das Realgymnasium.

Die Realschule, welche als der eigentliche Träger der wirthschaft-
lichen Berufsbildung in Deutschland anerkannt ist, hat nun einen,
wohl auch ganz unbezweifelt wesentlich von dem der Gewerbeschule
verschiedenen Charakter. Wir halten daran fest, daß die Verwaltungs-
lehre den pädagogischen Inhalt auch hier vorauszusetzen hat. Im orga-
nischen System des öffentlichen Bildungswesens aber kommt nur ihnen der
Charakter der eigentlichen Vorbildungsanstalten zu, indem die in ihnen
gegebene Bildung ihren Werth wenigstens principiell erst durch die ihnen
folgende Fachbildung empfängt. Während daher die Gewerbeschulen
lehren, was der Gewerbsmann anwenden kann, lehren die Realschulen
nur die Voraussetzungen der höheren gewerblichen Bildung. In ihnen
wird die Wahl eines Berufes noch als ganz unbestimmt vorausgesetzt,
mit der einzigen Beschränkung, daß der wissenschaftliche Beruf ausge-
schlossen bleibt. Die Realschulen schließen sich daher unmittelbar an

der Mann, der das zu einem ſyſtematiſchen Inhalt der Lehre macht,
wird ſich ein unſterbliches Verdienſt um ſein Volk erwerben! — An das
zweite ſchließt ſich die Lehre von den Elementen der Mechanik und der
Chemie. Es iſt nicht unſere Sache, über die Gränze dieſes Theiles ein
Urtheil abzugeben; aber die Nothwendigkeit leuchtet von ſelber ein. —
An dieſe allgemeine Fortbildungsanſtalten kann ſich nun ſchon das
Vereinsweſen der Handwerker anſchließen und durch allgemeine Bildungs-
vereine
die allgemeine Bildung in das gewerbliche Leben aufnehmen.
Daß dabei namentlich öffentliche Leſezimmer und Bibliotheken von
größter Bedeutung ſind, verſteht ſich von ſelbſt; mit ihnen tritt dann
das Fortbildungsweſen in das Gebiet der allgemeinen Bildung über.

Die zweite Hauptform möchten wir nun die eigentlichen Ge-
werbeſchulen
nennen. Wir verſtehen darunter diejenigen, deren
Zweck die Bildung für ein einzelnes, beſtimmtes Gewerbe oder
Handwerk iſt. Die Natur ſolcher Schulen fordert, daß ſie mit ihrem
ganz ſpeciellen Zweck auch ganz ſpecielle Aufgaben haben, die ſich nach
den Bedürfniſſen und Vorausſetzungen jedes einzelnen Gewerbes richten.
Dahin gehören z. B. Spinnſchulen, Webeſchulen, Schloſſerſchulen,
Tiſchlerſchulen ꝛc. Sie können nur in größeren Städten vorkommen
und nur für einzelne Gewerbe gelten. Bisher hat nur die Noth (Spinn-
ſchulen, Strohflechten) oder die gewaltige Mitwerbung (Weberſchulen)
ſie erzeugt; wenn wir durch die Natur der Sache die Kraft haben, zu
erſetzen, was hier mangelt?

II. Die zweite große Gruppe umfaſſen wir nun mit der allge-
meinen Bezeichnung des Realunterrichts und der Realbildung. Sie
zerfällt wieder, wie ſchon erwähnt, in zwei Formen, die Realſchule
und das Realgymnaſium.

Die Realſchule, welche als der eigentliche Träger der wirthſchaft-
lichen Berufsbildung in Deutſchland anerkannt iſt, hat nun einen,
wohl auch ganz unbezweifelt weſentlich von dem der Gewerbeſchule
verſchiedenen Charakter. Wir halten daran feſt, daß die Verwaltungs-
lehre den pädagogiſchen Inhalt auch hier vorauszuſetzen hat. Im orga-
niſchen Syſtem des öffentlichen Bildungsweſens aber kommt nur ihnen der
Charakter der eigentlichen Vorbildungsanſtalten zu, indem die in ihnen
gegebene Bildung ihren Werth wenigſtens principiell erſt durch die ihnen
folgende Fachbildung empfängt. Während daher die Gewerbeſchulen
lehren, was der Gewerbsmann anwenden kann, lehren die Realſchulen
nur die Vorausſetzungen der höheren gewerblichen Bildung. In ihnen
wird die Wahl eines Berufes noch als ganz unbeſtimmt vorausgeſetzt,
mit der einzigen Beſchränkung, daß der wiſſenſchaftliche Beruf ausge-
ſchloſſen bleibt. Die Realſchulen ſchließen ſich daher unmittelbar an

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[252/0280] der Mann, der das zu einem ſyſtematiſchen Inhalt der Lehre macht, wird ſich ein unſterbliches Verdienſt um ſein Volk erwerben! — An das zweite ſchließt ſich die Lehre von den Elementen der Mechanik und der Chemie. Es iſt nicht unſere Sache, über die Gränze dieſes Theiles ein Urtheil abzugeben; aber die Nothwendigkeit leuchtet von ſelber ein. — An dieſe allgemeine Fortbildungsanſtalten kann ſich nun ſchon das Vereinsweſen der Handwerker anſchließen und durch allgemeine Bildungs- vereine die allgemeine Bildung in das gewerbliche Leben aufnehmen. Daß dabei namentlich öffentliche Leſezimmer und Bibliotheken von größter Bedeutung ſind, verſteht ſich von ſelbſt; mit ihnen tritt dann das Fortbildungsweſen in das Gebiet der allgemeinen Bildung über. Die zweite Hauptform möchten wir nun die eigentlichen Ge- werbeſchulen nennen. Wir verſtehen darunter diejenigen, deren Zweck die Bildung für ein einzelnes, beſtimmtes Gewerbe oder Handwerk iſt. Die Natur ſolcher Schulen fordert, daß ſie mit ihrem ganz ſpeciellen Zweck auch ganz ſpecielle Aufgaben haben, die ſich nach den Bedürfniſſen und Vorausſetzungen jedes einzelnen Gewerbes richten. Dahin gehören z. B. Spinnſchulen, Webeſchulen, Schloſſerſchulen, Tiſchlerſchulen ꝛc. Sie können nur in größeren Städten vorkommen und nur für einzelne Gewerbe gelten. Bisher hat nur die Noth (Spinn- ſchulen, Strohflechten) oder die gewaltige Mitwerbung (Weberſchulen) ſie erzeugt; wenn wir durch die Natur der Sache die Kraft haben, zu erſetzen, was hier mangelt? II. Die zweite große Gruppe umfaſſen wir nun mit der allge- meinen Bezeichnung des Realunterrichts und der Realbildung. Sie zerfällt wieder, wie ſchon erwähnt, in zwei Formen, die Realſchule und das Realgymnaſium. Die Realſchule, welche als der eigentliche Träger der wirthſchaft- lichen Berufsbildung in Deutſchland anerkannt iſt, hat nun einen, wohl auch ganz unbezweifelt weſentlich von dem der Gewerbeſchule verſchiedenen Charakter. Wir halten daran feſt, daß die Verwaltungs- lehre den pädagogiſchen Inhalt auch hier vorauszuſetzen hat. Im orga- niſchen Syſtem des öffentlichen Bildungsweſens aber kommt nur ihnen der Charakter der eigentlichen Vorbildungsanſtalten zu, indem die in ihnen gegebene Bildung ihren Werth wenigſtens principiell erſt durch die ihnen folgende Fachbildung empfängt. Während daher die Gewerbeſchulen lehren, was der Gewerbsmann anwenden kann, lehren die Realſchulen nur die Vorausſetzungen der höheren gewerblichen Bildung. In ihnen wird die Wahl eines Berufes noch als ganz unbeſtimmt vorausgeſetzt, mit der einzigen Beſchränkung, daß der wiſſenſchaftliche Beruf ausge- ſchloſſen bleibt. Die Realſchulen ſchließen ſich daher unmittelbar an

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/280>, abgerufen am 29.04.2024.