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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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rüber bekannt, dass die Kayapo bis in diese Gegend gereicht haben. Sie
melden nur von Angriffen der "Coroados" auf die Fazendas am obern Cuyaba,
die Bakairi aber, die es besser wissen mussten, bezeichneten diesen Stamm als
"kayakho" = Kayapo, und sie nennen auch den am weitesten von Osten kommenden
Quellfluss des Paranatinga den Kayapofluss. Dieselben Kayapo sind östliche oder
südöstliche Nachbarn der Kulisehu-Bakairi, wie diese mir berichteten.

Ich habe endlich zu erfahren gesucht, wie weit der Gesichtskreis der West-
Bakairi nach Westen reiche: die Paressi sind ihnen als alte Nachbarn wohlbekannt.
Westlich jenseits von Diamantino hinter den Paressi wohnen noch, gab man an,
die "Woimare" und "Eneura", Sie seien keine Verwandten der Paressi, eine
Behauptung, die für die "Woimare" nicht zutrifft, wie wir bei den Paressi sehen
werden. Die "Eneura" sind sonst unbekannt. Noch viel weiter wohnen die
ebenfalls unbekannten "Pekoban". Die Vorfahren seien bis dahin vorgedrungen
und hätten erzählt, es gebe dort einen grossen Fluss und die Pekoban lebten
jenseits desselben. Das könnte nur der Guapore, der Oberlauf des Madeira, sein.

Sehr bemerkenswerth ist schliesslich eine Notiz über die Guana; sie hätten
in sehr, sehr alten Zeiten am Rio Beijaflor gewohnt, einem linken Nebenfluss des
Paranatinga, der noch oberhalb des Rio Verde einmündet. Vgl. Seite 379.

Das ist alles, was ich aus dem Munde der Westbakairi über die Geschichte
des Stammes und seine Beziehungen zu den Nachbarn erfahren konnte. Fasse
ich die Traditionen zusammen, so waren die ältesten Bakairi am Salto des Para-
natinga ansässig, gehörten also jedenfalls dem Quellgebiet des Tapajoz an, und
von dort aus wanderte ein Teil von ihnen an den Batovy und Kulisehu in das
Quellgebiet des Schingu. Nach der Sage sind sie aus dem Paranatinga- und
Ronuro-Quellgebiet an den Salto gelangt.

Die Trennung der West- und Ostbakairi würde unter allen Umständen
mindestens in des vorige Jahrhundert zurückverlegt werden müssen und vor die
Zeit fallen, als die Bakairi sich nach Südwesten in das Quellgebiet des Cuyaba
ausdehnten. Die sprachliche Vergleichung steht mit diesen Schlüssen in gutem
Einklang; die beiden Gruppen der Bakairi reden eine nach Form und Inhalt
identische Sprache mit geringen mundartlichen Verschiedenheiten. Einige Fische
und Bäume werden verschieden bezeichnet; der Name der Akuri-Palme des
Kulisehu ist der der Oaussu-Palme vom Paranatinga und umgekehrt. Von Seiten
der Schingu-Bahairi steht vollkommen fest, dass sie niemals in irgend eine Be-
rührung mit dem weissen Mann getreten sind.

Durch unsere Expedition von 1884 kamen West- und Ostbakairi wieder
zusammen. Antonio erzählte nach seiner Heimkehr an den Paranatinga von den
Stammesgenossen am Batovy, und der praktische Häuptling Felipe verfiel auf
den Gedanken, dass er versuchen müsse, sie zur Ansiedelung am Paranatinga zu
bewegen. Er machte sich mit Antonio und einem Andern im September 1886
auf den Weg, sie erreichten den Batovy in drei Tagen und gebrauchten weitere
drei Tage den Fluss entlang bis zum ersten Dorfe.


rüber bekannt, dass die Kayapó bis in diese Gegend gereicht haben. Sie
melden nur von Angriffen der »Coroados« auf die Fazendas am obern Cuyabá,
die Bakaïrí aber, die es besser wissen mussten, bezeichneten diesen Stamm als
»kayáχo« = Kayapó, und sie nennen auch den am weitesten von Osten kommenden
Quellfluss des Paranatinga den Kayapófluss. Dieselben Kayapó sind östliche oder
südöstliche Nachbarn der Kulisehu-Bakaïrí, wie diese mir berichteten.

Ich habe endlich zu erfahren gesucht, wie weit der Gesichtskreis der West-
Bakaïrí nach Westen reiche: die Paressí sind ihnen als alte Nachbarn wohlbekannt.
Westlich jenseits von Diamantino hinter den Paressí wohnen noch, gab man an,
die »Woimaré« und »Eneurá«, Sie seien keine Verwandten der Paressí, eine
Behauptung, die für die »Woimaré« nicht zutrifft, wie wir bei den Paressí sehen
werden. Die »Eneurá« sind sonst unbekannt. Noch viel weiter wohnen die
ebenfalls unbekannten »Pekoban«. Die Vorfahren seien bis dahin vorgedrungen
und hätten erzählt, es gebe dort einen grossen Fluss und die Pekoban lebten
jenseits desselben. Das könnte nur der Guaporé, der Oberlauf des Madeira, sein.

Sehr bemerkenswerth ist schliesslich eine Notiz über die Guaná; sie hätten
in sehr, sehr alten Zeiten am Rio Beijaflor gewohnt, einem linken Nebenfluss des
Paranatinga, der noch oberhalb des Rio Verde einmündet. Vgl. Seite 379.

Das ist alles, was ich aus dem Munde der Westbakaïrí über die Geschichte
des Stammes und seine Beziehungen zu den Nachbarn erfahren konnte. Fasse
ich die Traditionen zusammen, so waren die ältesten Bakaïrí am Salto des Para-
natinga ansässig, gehörten also jedenfalls dem Quellgebiet des Tapajoz an, und
von dort aus wanderte ein Teil von ihnen an den Batovy und Kulisehu in das
Quellgebiet des Schingú. Nach der Sage sind sie aus dem Paranatinga- und
Ronuro-Quellgebiet an den Salto gelangt.

Die Trennung der West- und Ostbakaïrí würde unter allen Umständen
mindestens in des vorige Jahrhundert zurückverlegt werden müssen und vor die
Zeit fallen, als die Bakaïrí sich nach Südwesten in das Quellgebiet des Cuyabá
ausdehnten. Die sprachliche Vergleichung steht mit diesen Schlüssen in gutem
Einklang; die beiden Gruppen der Bakaïrí reden eine nach Form und Inhalt
identische Sprache mit geringen mundartlichen Verschiedenheiten. Einige Fische
und Bäume werden verschieden bezeichnet; der Name der Akurí-Palme des
Kulisehu ist der der Oaussú-Palme vom Paranatinga und umgekehrt. Von Seiten
der Schingú-Bahaïrí steht vollkommen fest, dass sie niemals in irgend eine Be-
rührung mit dem weissen Mann getreten sind.

Durch unsere Expedition von 1884 kamen West- und Ostbakaïrí wieder
zusammen. Antonio erzählte nach seiner Heimkehr an den Paranatinga von den
Stammesgenossen am Batovy, und der praktische Häuptling Felipe verfiel auf
den Gedanken, dass er versuchen müsse, sie zur Ansiedelung am Paranatinga zu
bewegen. Er machte sich mit Antonio und einem Andern im September 1886
auf den Weg, sie erreichten den Batovy in drei Tagen und gebrauchten weitere
drei Tage den Fluss entlang bis zum ersten Dorfe.


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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/458>, abgerufen am 27.04.2024.