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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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so wurden die Steine dunkel und schmutzig, wenn der Ring über einen Giftteller gehalten
wurde. Man fängt eine Kröte mit einem Tuch, steckt sie auf einen Pfahl, um den man
unten rotes Fahnentuch legt und der einer glühenden Sonnenhitze ausgesetzt ist, und sticht
die Kröte mit einem spitzen Stock. Das Tier, durch die Sonne und den Stock gereizt, lässt
aus dem Maul giftige Tropfen fallen, die harte Steine werden.

Von einem Zigeuner stammt angeblich die Vorschrift: Man nagelt am Charfreitag
eine hässliche, buckelige Kröte auf ein ungebrauchtes Brett in der Stellung eines Gekreuzigten
und lässt es in der Sonne stehen von Tagesanbruch bis zum Abend, die Kröte schreit grässlich
und stirbt. Drei Tage lang wird sie noch an der Sonne getrocknet, dann am Feuer, bis
man sie zu Pulver stossen kann. Sie wird ganz zerstampft; nimmt man ein wenig von dem
Pulver und bläst es aus einem Rohr in das Schlüsselloch, springt jedes Schloss auf.

Jede Thür zu öffnen vermochte ein Neger, der davon für seine Liebschaften Gebrauch
machte. Der Herr versprach ihm ein Kleid für eine Probe der Kunst; sofort öffnete der
Schwarze die fest verschlossene Saalthüre. Die Peitsche entlockte ihm das Geheimniss: Er
hatte drei Blätter um den Hals, die ihm der Specht, der die Bäume offen hackt, geliefert.
Man vernagelt das Nest eines Spechtes mit einem Brettchen, wenn die Mutter draussen ist,
und reinigt unten sorgfältig den Erdboden. Der Specht kommt, kann nicht öffnen, fliegt
davon, kehrt mit einem Blatt im Schnabel zurück und pickt: da fällt das Blatt, man fängt
es auf und zwar ehe es den Boden erreicht. Dies spielt sich dreimal ab, beim dritten Blatt
springt das Brett bei Seite. Klopft man mit diesem "Breve" (!) von Blättern an, springt
jede Thür auf.

Alle Fesseln zu lösen braucht man nur in der Nacht vom Gründonnerstag auf
Charfreitag eine Jiboya-Schlange (Boa Cenchria) zu fangen und zwischen zwei Bäumen
auszuspannen. Sie stirbt nicht, sie ist am andern Tag verschwunden, doch der Strick, mit
dem man sie befestigt, ist noch da. Bindet man sich ihn um den Leib, so befreit man sich
ohne Mühe aus dem Stock oder jeder Art von Fesselung.

Unsichtbarwerden gelingt durch ein dem Spechtmittel ähnliches Verfahren. Im
Nest eines Königsgeiers (Sarcoramphus papa) tötet man den Vater oder ein Junges, wenn
die Mutter abwesend ist und legt das tote Tier in dem Nest zurecht. Hier holt die Mutter
einen Stein und lässt ihn aus dem Schnabel auf den Kadaver fallen. Der Stein wird mit
der Hand ergriffen, man sieht ihn nicht, man fühlt und hört ihn nur. Nun hat man Patua
man legt den Stein an einen Ort, ergreift ihn, wenn man ihn braucht, und ist unsichtbar,
die Leute werden ebenso geblendet, wie der Besitzer des Steins diesem gegenüber geblendet ist.

Blendwerk ist es auch nur und keine eigentliche Verwandlung, wenn man sich durch
ein Gebet an Gott den Augen der Menschen entzieht. Diese sehen dann einen Baumstamm,
einen Termitenhaufen oder dergleichen, immer etwas Stillstehendes, niemals ein Tier. Im
dichten Kamp kam eine Frau zwei Reitern entgegen, sie verschwand plötzlich. Die Reiter
stiegen ab, der eine stopfte sich sein Pfeifchen, der andere verrichtete ein Bedürfnis an
einem Termitenhaufen, den sie vorher nicht gesehen hatten. Als sie sich später umblickten,
war die Frau wieder da, aber der Termitenhaufen fehlte.

In S. Mathias in Bolivien verlor ein Soldat sein Pferd. Er musste den Sattel auf
dem Kopf bis zu einem Pferdegeripp tragen, der Herr Corregedor murmelte Zauber-
sprüche, das schönste Pferd sprang gesattelt auf, der Soldat bestieg es und konnte nicht
eher herunter, ehe das Ziel erreicht war; als er den Sattel abnahm, zerfiel das Pferd in Staub.

Curupira. Bei den Tupi gilt caypora = "Waldbewohner" als Waldgeist, der Kinder
raubt und in hohlen Bäumen füttert, und er erscheint als Jaguar oder dergleichen; als
neckischer Waldgeist in anderer Form heisst er gurupira, corubira (Martius, Zur Ethnographie
Amerika's p. 468, Fussnote). In Cuyaba sind Curupiras kleine hellfarbige, fast blonde,
nackte Zwerge, die in Hügeln oder Schluchten wohnen. Nach dem Einen sind sie hübsch,

so wurden die Steine dunkel und schmutzig, wenn der Ring über einen Giftteller gehalten
wurde. Man fängt eine Kröte mit einem Tuch, steckt sie auf einen Pfahl, um den man
unten rotes Fahnentuch legt und der einer glühenden Sonnenhitze ausgesetzt ist, und sticht
die Kröte mit einem spitzen Stock. Das Tier, durch die Sonne und den Stock gereizt, lässt
aus dem Maul giftige Tropfen fallen, die harte Steine werden.

Von einem Zigeuner stammt angeblich die Vorschrift: Man nagelt am Charfreitag
eine hässliche, buckelige Kröte auf ein ungebrauchtes Brett in der Stellung eines Gekreuzigten
und lässt es in der Sonne stehen von Tagesanbruch bis zum Abend, die Kröte schreit grässlich
und stirbt. Drei Tage lang wird sie noch an der Sonne getrocknet, dann am Feuer, bis
man sie zu Pulver stossen kann. Sie wird ganz zerstampft; nimmt man ein wenig von dem
Pulver und bläst es aus einem Rohr in das Schlüsselloch, springt jedes Schloss auf.

Jede Thür zu öffnen vermochte ein Neger, der davon für seine Liebschaften Gebrauch
machte. Der Herr versprach ihm ein Kleid für eine Probe der Kunst; sofort öffnete der
Schwarze die fest verschlossene Saalthüre. Die Peitsche entlockte ihm das Geheimniss: Er
hatte drei Blätter um den Hals, die ihm der Specht, der die Bäume offen hackt, geliefert.
Man vernagelt das Nest eines Spechtes mit einem Brettchen, wenn die Mutter draussen ist,
und reinigt unten sorgfältig den Erdboden. Der Specht kommt, kann nicht öffnen, fliegt
davon, kehrt mit einem Blatt im Schnabel zurück und pickt: da fällt das Blatt, man fängt
es auf und zwar ehe es den Boden erreicht. Dies spielt sich dreimal ab, beim dritten Blatt
springt das Brett bei Seite. Klopft man mit diesem »Breve« (!) von Blättern an, springt
jede Thür auf.

Alle Fesseln zu lösen braucht man nur in der Nacht vom Gründonnerstag auf
Charfreitag eine Jiboya-Schlange (Boa Cenchria) zu fangen und zwischen zwei Bäumen
auszuspannen. Sie stirbt nicht, sie ist am andern Tag verschwunden, doch der Strick, mit
dem man sie befestigt, ist noch da. Bindet man sich ihn um den Leib, so befreit man sich
ohne Mühe aus dem Stock oder jeder Art von Fesselung.

Unsichtbarwerden gelingt durch ein dem Spechtmittel ähnliches Verfahren. Im
Nest eines Königsgeiers (Sarcoramphus papa) tötet man den Vater oder ein Junges, wenn
die Mutter abwesend ist und legt das tote Tier in dem Nest zurecht. Hier holt die Mutter
einen Stein und lässt ihn aus dem Schnabel auf den Kadaver fallen. Der Stein wird mit
der Hand ergriffen, man sieht ihn nicht, man fühlt und hört ihn nur. Nun hat man Patuá
man legt den Stein an einen Ort, ergreift ihn, wenn man ihn braucht, und ist unsichtbar,
die Leute werden ebenso geblendet, wie der Besitzer des Steins diesem gegenüber geblendet ist.

Blendwerk ist es auch nur und keine eigentliche Verwandlung, wenn man sich durch
ein Gebet an Gott den Augen der Menschen entzieht. Diese sehen dann einen Baumstamm,
einen Termitenhaufen oder dergleichen, immer etwas Stillstehendes, niemals ein Tier. Im
dichten Kamp kam eine Frau zwei Reitern entgegen, sie verschwand plötzlich. Die Reiter
stiegen ab, der eine stopfte sich sein Pfeifchen, der andere verrichtete ein Bedürfnis an
einem Termitenhaufen, den sie vorher nicht gesehen hatten. Als sie sich später umblickten,
war die Frau wieder da, aber der Termitenhaufen fehlte.

In S. Mathias in Bolivien verlor ein Soldat sein Pferd. Er musste den Sattel auf
dem Kopf bis zu einem Pferdegeripp tragen, der Herr Corregedor murmelte Zauber-
sprüche, das schönste Pferd sprang gesattelt auf, der Soldat bestieg es und konnte nicht
eher herunter, ehe das Ziel erreicht war; als er den Sattel abnahm, zerfiel das Pferd in Staub.

Curupira. Bei den Tupí gilt caypora = »Waldbewohner« als Waldgeist, der Kinder
raubt und in hohlen Bäumen füttert, und er erscheint als Jaguar oder dergleichen; als
neckischer Waldgeist in anderer Form heisst er gurupira, corubira (Martius, Zur Ethnographie
Amerika’s p. 468, Fussnote). In Cuyabá sind Curupiras kleine hellfarbige, fast blonde,
nackte Zwerge, die in Hügeln oder Schluchten wohnen. Nach dem Einen sind sie hübsch,

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[555/0631] so wurden die Steine dunkel und schmutzig, wenn der Ring über einen Giftteller gehalten wurde. Man fängt eine Kröte mit einem Tuch, steckt sie auf einen Pfahl, um den man unten rotes Fahnentuch legt und der einer glühenden Sonnenhitze ausgesetzt ist, und sticht die Kröte mit einem spitzen Stock. Das Tier, durch die Sonne und den Stock gereizt, lässt aus dem Maul giftige Tropfen fallen, die harte Steine werden. Von einem Zigeuner stammt angeblich die Vorschrift: Man nagelt am Charfreitag eine hässliche, buckelige Kröte auf ein ungebrauchtes Brett in der Stellung eines Gekreuzigten und lässt es in der Sonne stehen von Tagesanbruch bis zum Abend, die Kröte schreit grässlich und stirbt. Drei Tage lang wird sie noch an der Sonne getrocknet, dann am Feuer, bis man sie zu Pulver stossen kann. Sie wird ganz zerstampft; nimmt man ein wenig von dem Pulver und bläst es aus einem Rohr in das Schlüsselloch, springt jedes Schloss auf. Jede Thür zu öffnen vermochte ein Neger, der davon für seine Liebschaften Gebrauch machte. Der Herr versprach ihm ein Kleid für eine Probe der Kunst; sofort öffnete der Schwarze die fest verschlossene Saalthüre. Die Peitsche entlockte ihm das Geheimniss: Er hatte drei Blätter um den Hals, die ihm der Specht, der die Bäume offen hackt, geliefert. Man vernagelt das Nest eines Spechtes mit einem Brettchen, wenn die Mutter draussen ist, und reinigt unten sorgfältig den Erdboden. Der Specht kommt, kann nicht öffnen, fliegt davon, kehrt mit einem Blatt im Schnabel zurück und pickt: da fällt das Blatt, man fängt es auf und zwar ehe es den Boden erreicht. Dies spielt sich dreimal ab, beim dritten Blatt springt das Brett bei Seite. Klopft man mit diesem »Breve« (!) von Blättern an, springt jede Thür auf. Alle Fesseln zu lösen braucht man nur in der Nacht vom Gründonnerstag auf Charfreitag eine Jiboya-Schlange (Boa Cenchria) zu fangen und zwischen zwei Bäumen auszuspannen. Sie stirbt nicht, sie ist am andern Tag verschwunden, doch der Strick, mit dem man sie befestigt, ist noch da. Bindet man sich ihn um den Leib, so befreit man sich ohne Mühe aus dem Stock oder jeder Art von Fesselung. Unsichtbarwerden gelingt durch ein dem Spechtmittel ähnliches Verfahren. Im Nest eines Königsgeiers (Sarcoramphus papa) tötet man den Vater oder ein Junges, wenn die Mutter abwesend ist und legt das tote Tier in dem Nest zurecht. Hier holt die Mutter einen Stein und lässt ihn aus dem Schnabel auf den Kadaver fallen. Der Stein wird mit der Hand ergriffen, man sieht ihn nicht, man fühlt und hört ihn nur. Nun hat man Patuá man legt den Stein an einen Ort, ergreift ihn, wenn man ihn braucht, und ist unsichtbar, die Leute werden ebenso geblendet, wie der Besitzer des Steins diesem gegenüber geblendet ist. Blendwerk ist es auch nur und keine eigentliche Verwandlung, wenn man sich durch ein Gebet an Gott den Augen der Menschen entzieht. Diese sehen dann einen Baumstamm, einen Termitenhaufen oder dergleichen, immer etwas Stillstehendes, niemals ein Tier. Im dichten Kamp kam eine Frau zwei Reitern entgegen, sie verschwand plötzlich. Die Reiter stiegen ab, der eine stopfte sich sein Pfeifchen, der andere verrichtete ein Bedürfnis an einem Termitenhaufen, den sie vorher nicht gesehen hatten. Als sie sich später umblickten, war die Frau wieder da, aber der Termitenhaufen fehlte. In S. Mathias in Bolivien verlor ein Soldat sein Pferd. Er musste den Sattel auf dem Kopf bis zu einem Pferdegeripp tragen, der Herr Corregedor murmelte Zauber- sprüche, das schönste Pferd sprang gesattelt auf, der Soldat bestieg es und konnte nicht eher herunter, ehe das Ziel erreicht war; als er den Sattel abnahm, zerfiel das Pferd in Staub. Curupira. Bei den Tupí gilt caypora = »Waldbewohner« als Waldgeist, der Kinder raubt und in hohlen Bäumen füttert, und er erscheint als Jaguar oder dergleichen; als neckischer Waldgeist in anderer Form heisst er gurupira, corubira (Martius, Zur Ethnographie Amerika’s p. 468, Fussnote). In Cuyabá sind Curupiras kleine hellfarbige, fast blonde, nackte Zwerge, die in Hügeln oder Schluchten wohnen. Nach dem Einen sind sie hübsch,

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/631>, abgerufen am 27.04.2024.