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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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stimmten Häusern begangen, wo das Heiligenbild auf einem Altar zwischen Lichtern steht;
es bilden sich schon ein Jahr vorher Gesellschaften, durch das Loos werden Aemter gezogen:
König, Königin, Richter, Richterin, Hauptmann der Flaggenstange und Leutnant der
Flagge etc. So wird z. B. am 12. Juni (S. Antonio 13. Juni) in der Nacht ein "Mastbaum"
gesetzt und die Flagge, auf die der Heilige gemalt ist, mit grossen Feierlichkeiten gehisst.
Kururugesang und Tanz, nachher Ball. An den Tagen der drei Heiligen Joao, Antonio und
Pedro werden Freudenfeuer angezündet und süsse Kartoffeln, Mandioka und Kara (Yams)
in den Kohlen gebraten. Schnaps in Menge; Festessen. Eine Woche später wird der
Mastbaum weggenommen und der für das nächste Jahr gewählte Leutnant erhält die Flagge.
Ueber das Johannisfeuer springt man, Kohlen kann man in den Mund nehmen und ver-
brennt sich nicht. Für den heiligen Johannes macht man keine Gelöbnisse, denn er thut
keine Wunder vor dem jüngsten Tage, bis zu dem er schläft. Wüsste er den Tag, an dem
sein Fest gefeiert wird, so würde die ganze Welt im Feuer untergehen. Er hat als Feuer-
heiliger allein eine rote Flagge, die der andern ist weiss.

Der Kururu ist der beliebteste Matogrossotanz, an dem nur Männer teilnehmen.
Musikinstrumente: Koscho, eine selbstgemachte Geige aus Weidenholz mit wenigen Darm-
saiten, Krakascha, ein Stück Bambusrohr oder ein langer Kürbis mit eingeschnittenen Kerben,
über die man mit einem andern Stück Rohr "krakascha ..." kratzt, Adufe, ein Tamburin
mit alten Kupfermünzen statt der Schellen, Viola, die Geige mit Drahtsaiten, zuweilen auch
die Marimba der Neger. Den Anfang des Festes bildet ein allgemeines Spiel. Der Heilige
wird im Kreis umtanzt und umsungen, und wer passiert, macht seine Kniebeugung. Dann
werden König und Königin besungen, kommen mit der Schnapsflasche in den Kreis,
schenken Jedem ein und schliessen sich dem Kreis an, der nun einen andern besingt und
von ihm bewirtet wird etc. Verse giebt es, lauter Vierzeiler, von allen denkbaren Arten;
denen der Andacht folgen im Kururu die der Liebe, des Spottes und irgendwelcher Launen;
sie werden der Feststimmung angepasst und die bekannten machen bald den frisch impro-
visierten Platz. Tambaque wird eine Baumtrommel -- ein ausgehöhltes Stück Stamm mit
Fell überzogen -- und der zugehörige Tanz genannt. Eintöniges Singen z. B.: "kagado
trepado no telhado e coisa que nunca se viu
" "eine Schildkröte, die auf ein Dach steigt, das
hat noch Niemand gesehn."

Garnicht selten werden "Tiertänze" bei den Festen der Heiligen getanzt, allein nicht
auf indianische Art. Es sind hauptsächlich Ringeltänze und zwar der Frauen. So ein
Kaimantanz mit den Worten: "deixe estar, jacare, sua lagoa ha de seccar" "lass nur gut
sein, Kaiman, Dein Sumpf wird austrocknen." Ein anderer bezog sich auf Bienen und Glüh-
würmchen: "Abelinha, come pao! quando come, nao me dao" "Bienchen, iss Brod! Wenn
es isst, kriege ich nichts" und "Vamos tirar mel! Eu cago fogo! Donna Maria quer lamber"
"Lass uns Honig holen! Ich kacke Feuer! Donna Maria will lecken." Jede Tänzerin hat
einen Stock und, wenn der Takt fogo kommt, dreht sie sich um und schlägt auf den Stock
der nächsten. Sehr gern wird der Peru- oder Putertanz getanzt; drei Frauen, von denen
zwei Männchen und die dritte ein Weibchen darstellen, breiten die Röcke aus und kollern.
Das Weibchen läuft zwischen die Zuschauer, um sich zu verstecken; wer von den ver-
folgenden Männchen es fertig bringt, sich gerade vor das Weibchen zu stellen, ist der Sieger.
"Schlag mit den Flügeln, Puter!" "avoa, peru, avoa!" Das sind also sehr harmlose Scherze
die den Heiligen nicht verdriessen können.

Gegen Gebräuche am St. Johannistag wendete sich mit scharfen Worten der Bischof
Carlos von Cuyaba am 27. Mai 1888 in einem Hirtenbrief, der folgende nähere Angaben
macht. Am Vorabend werden "mit wahrem Possenspiel kleine Bilder des Heiligen an die
Flüsse, die Quellen, sogar die Wasserleitung gebracht und unter Gesang mit Musikbegleitung
eingetaucht, in der Ueberzeugung, eine fromme Handlung zu begehen; am andern Tage

v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 36

stimmten Häusern begangen, wo das Heiligenbild auf einem Altar zwischen Lichtern steht;
es bilden sich schon ein Jahr vorher Gesellschaften, durch das Loos werden Aemter gezogen:
König, Königin, Richter, Richterin, Hauptmann der Flaggenstange und Leutnant der
Flagge etc. So wird z. B. am 12. Juni (S. Antonio 13. Juni) in der Nacht ein »Mastbaum«
gesetzt und die Flagge, auf die der Heilige gemalt ist, mit grossen Feierlichkeiten gehisst.
Kururúgesang und Tanz, nachher Ball. An den Tagen der drei Heiligen João, Antonio und
Pedro werden Freudenfeuer angezündet und süsse Kartoffeln, Mandioka und Kará (Yams)
in den Kohlen gebraten. Schnaps in Menge; Festessen. Eine Woche später wird der
Mastbaum weggenommen und der für das nächste Jahr gewählte Leutnant erhält die Flagge.
Ueber das Johannisfeuer springt man, Kohlen kann man in den Mund nehmen und ver-
brennt sich nicht. Für den heiligen Johannes macht man keine Gelöbnisse, denn er thut
keine Wunder vor dem jüngsten Tage, bis zu dem er schläft. Wüsste er den Tag, an dem
sein Fest gefeiert wird, so würde die ganze Welt im Feuer untergehen. Er hat als Feuer-
heiliger allein eine rote Flagge, die der andern ist weiss.

Der Kururú ist der beliebteste Matogrossotanz, an dem nur Männer teilnehmen.
Musikinstrumente: Koschó, eine selbstgemachte Geige aus Weidenholz mit wenigen Darm-
saiten, Krakaschá, ein Stück Bambusrohr oder ein langer Kürbis mit eingeschnittenen Kerben,
über die man mit einem andern Stück Rohr „krakascha …“ kratzt, Adufe, ein Tamburin
mit alten Kupfermünzen statt der Schellen, Viola, die Geige mit Drahtsaiten, zuweilen auch
die Marimba der Neger. Den Anfang des Festes bildet ein allgemeines Spiel. Der Heilige
wird im Kreis umtanzt und umsungen, und wer passiert, macht seine Kniebeugung. Dann
werden König und Königin besungen, kommen mit der Schnapsflasche in den Kreis,
schenken Jedem ein und schliessen sich dem Kreis an, der nun einen andern besingt und
von ihm bewirtet wird etc. Verse giebt es, lauter Vierzeiler, von allen denkbaren Arten;
denen der Andacht folgen im Kururú die der Liebe, des Spottes und irgendwelcher Launen;
sie werden der Feststimmung angepasst und die bekannten machen bald den frisch impro-
visierten Platz. Tambaque wird eine Baumtrommel — ein ausgehöhltes Stück Stamm mit
Fell überzogen — und der zugehörige Tanz genannt. Eintöniges Singen z. B.: „kágado
trepado no telhado é coisa que nunca se viu
“ »eine Schildkröte, die auf ein Dach steigt, das
hat noch Niemand gesehn.«

Garnicht selten werden »Tiertänze« bei den Festen der Heiligen getanzt, allein nicht
auf indianische Art. Es sind hauptsächlich Ringeltänze und zwar der Frauen. So ein
Kaimantanz mit den Worten: „deixe estar, jacaré, sua lagôa ha de seccar“ »lass nur gut
sein, Kaiman, Dein Sumpf wird austrocknen.« Ein anderer bezog sich auf Bienen und Glüh-
würmchen: „Abelinha, come pão! quando come, nâo me dâo“ »Bienchen, iss Brod! Wenn
es isst, kriege ich nichts« und „Vamos tirar mel! Eu cago fogo! Donna Maria quer lamber
»Lass uns Honig holen! Ich kacke Feuer! Donna Maria will lecken.« Jede Tänzerin hat
einen Stock und, wenn der Takt fógo kommt, dreht sie sich um und schlägt auf den Stock
der nächsten. Sehr gern wird der Perú- oder Putertanz getanzt; drei Frauen, von denen
zwei Männchen und die dritte ein Weibchen darstellen, breiten die Röcke aus und kollern.
Das Weibchen läuft zwischen die Zuschauer, um sich zu verstecken; wer von den ver-
folgenden Männchen es fertig bringt, sich gerade vor das Weibchen zu stellen, ist der Sieger.
»Schlag mit den Flügeln, Puter!« „avoa, perú, avoa!“ Das sind also sehr harmlose Scherze
die den Heiligen nicht verdriessen können.

Gegen Gebräuche am St. Johannistag wendete sich mit scharfen Worten der Bischof
Carlos von Cuyabá am 27. Mai 1888 in einem Hirtenbrief, der folgende nähere Angaben
macht. Am Vorabend werden »mit wahrem Possenspiel kleine Bilder des Heiligen an die
Flüsse, die Quellen, sogar die Wasserleitung gebracht und unter Gesang mit Musikbegleitung
eingetaucht, in der Ueberzeugung, eine fromme Handlung zu begehen; am andern Tage

v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 36
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[561/0637] stimmten Häusern begangen, wo das Heiligenbild auf einem Altar zwischen Lichtern steht; es bilden sich schon ein Jahr vorher Gesellschaften, durch das Loos werden Aemter gezogen: König, Königin, Richter, Richterin, Hauptmann der Flaggenstange und Leutnant der Flagge etc. So wird z. B. am 12. Juni (S. Antonio 13. Juni) in der Nacht ein »Mastbaum« gesetzt und die Flagge, auf die der Heilige gemalt ist, mit grossen Feierlichkeiten gehisst. Kururúgesang und Tanz, nachher Ball. An den Tagen der drei Heiligen João, Antonio und Pedro werden Freudenfeuer angezündet und süsse Kartoffeln, Mandioka und Kará (Yams) in den Kohlen gebraten. Schnaps in Menge; Festessen. Eine Woche später wird der Mastbaum weggenommen und der für das nächste Jahr gewählte Leutnant erhält die Flagge. Ueber das Johannisfeuer springt man, Kohlen kann man in den Mund nehmen und ver- brennt sich nicht. Für den heiligen Johannes macht man keine Gelöbnisse, denn er thut keine Wunder vor dem jüngsten Tage, bis zu dem er schläft. Wüsste er den Tag, an dem sein Fest gefeiert wird, so würde die ganze Welt im Feuer untergehen. Er hat als Feuer- heiliger allein eine rote Flagge, die der andern ist weiss. Der Kururú ist der beliebteste Matogrossotanz, an dem nur Männer teilnehmen. Musikinstrumente: Koschó, eine selbstgemachte Geige aus Weidenholz mit wenigen Darm- saiten, Krakaschá, ein Stück Bambusrohr oder ein langer Kürbis mit eingeschnittenen Kerben, über die man mit einem andern Stück Rohr „krakascha …“ kratzt, Adufe, ein Tamburin mit alten Kupfermünzen statt der Schellen, Viola, die Geige mit Drahtsaiten, zuweilen auch die Marimba der Neger. Den Anfang des Festes bildet ein allgemeines Spiel. Der Heilige wird im Kreis umtanzt und umsungen, und wer passiert, macht seine Kniebeugung. Dann werden König und Königin besungen, kommen mit der Schnapsflasche in den Kreis, schenken Jedem ein und schliessen sich dem Kreis an, der nun einen andern besingt und von ihm bewirtet wird etc. Verse giebt es, lauter Vierzeiler, von allen denkbaren Arten; denen der Andacht folgen im Kururú die der Liebe, des Spottes und irgendwelcher Launen; sie werden der Feststimmung angepasst und die bekannten machen bald den frisch impro- visierten Platz. Tambaque wird eine Baumtrommel — ein ausgehöhltes Stück Stamm mit Fell überzogen — und der zugehörige Tanz genannt. Eintöniges Singen z. B.: „kágado trepado no telhado é coisa que nunca se viu“ »eine Schildkröte, die auf ein Dach steigt, das hat noch Niemand gesehn.« Garnicht selten werden »Tiertänze« bei den Festen der Heiligen getanzt, allein nicht auf indianische Art. Es sind hauptsächlich Ringeltänze und zwar der Frauen. So ein Kaimantanz mit den Worten: „deixe estar, jacaré, sua lagôa ha de seccar“ »lass nur gut sein, Kaiman, Dein Sumpf wird austrocknen.« Ein anderer bezog sich auf Bienen und Glüh- würmchen: „Abelinha, come pão! quando come, nâo me dâo“ »Bienchen, iss Brod! Wenn es isst, kriege ich nichts« und „Vamos tirar mel! Eu cago fogo! Donna Maria quer lamber“ »Lass uns Honig holen! Ich kacke Feuer! Donna Maria will lecken.« Jede Tänzerin hat einen Stock und, wenn der Takt fógo kommt, dreht sie sich um und schlägt auf den Stock der nächsten. Sehr gern wird der Perú- oder Putertanz getanzt; drei Frauen, von denen zwei Männchen und die dritte ein Weibchen darstellen, breiten die Röcke aus und kollern. Das Weibchen läuft zwischen die Zuschauer, um sich zu verstecken; wer von den ver- folgenden Männchen es fertig bringt, sich gerade vor das Weibchen zu stellen, ist der Sieger. »Schlag mit den Flügeln, Puter!« „avoa, perú, avoa!“ Das sind also sehr harmlose Scherze die den Heiligen nicht verdriessen können. Gegen Gebräuche am St. Johannistag wendete sich mit scharfen Worten der Bischof Carlos von Cuyabá am 27. Mai 1888 in einem Hirtenbrief, der folgende nähere Angaben macht. Am Vorabend werden »mit wahrem Possenspiel kleine Bilder des Heiligen an die Flüsse, die Quellen, sogar die Wasserleitung gebracht und unter Gesang mit Musikbegleitung eingetaucht, in der Ueberzeugung, eine fromme Handlung zu begehen; am andern Tage v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 36

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/637>, abgerufen am 27.04.2024.