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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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sättigen, die ein Faß der Danaiden scheint. In Gayen traf ich eines schönen Abends einen alten Helden, der im bayerischen Heere bei Hanau und bei Bar sur Aube gefochten. Er sprach mit Feuer von jenen Kriegsjahren und wie gerne er Soldat gewesen. Diese frohe Erinnerung an die Zeiten, wo sie mit den Söhnen bayerischer Mütter in Reih und Glied gestanden, ist keine seltene Erscheinung unter den Tiroler Bauern. Auch zu Kappel im Paznaun kam mir solch ein ehemaliger Kriegsmann vor, der seinen Cameraden vom Jahre 1813 das Beste nachsagte. Von den bayerischen Officieren meinte er zwar, so lange man daheim gewesen, hätten sie die Tiroler nicht gerne unter ihren Leuten gesehen, da vom Jahre 1809 noch zu viel Gift übergeblieben, wenn's aber ins Feld gegangen, da hätten sie bald Gefallen daran gefunden, dieweil die Tiroler sich allwege als rechtschaffene und tapfere Kriegsleute erwiesen. Der alte Soldat von Gayen schien auch viel Sinn für die Schönheit seiner Gegend zu haben. Als ich da mit ihm am Fenster saß und die Landschaft vergnügt betrachtete und lobte, sagte er: ja, unsere Berge sind wie Altäre mit Büschen verziert.

Unter den andern Schlössern, die entweder jüngeren Baues sind oder durch spätere Wiederherstellung ihr mittelalterliches Gepräge eingebüßt haben, steht das schon öfter genannte Schänna oben an. "Schänna, die stattliche Veste, eine Wegstunde von Meran, ruht am linken Passerufer unter den Spitzen des Ifingers. Ueppige Pflanzenfülle umrankt den Weg. Eine tüchtige Anstufung des Schännaer Berges, auf dem sich die Höfe der Gemeinde weit ausgestreut lagern, trägt das Schloß und die Kirche mit dem Häuserkern des Dörfleins. In der Burg saßen in ältesten Tagen die gleichnamigen Edlen. Petermann von Schänna wird obenan genannt, wenn von den Tiroler Landherren die Rede geht, welche es verstanden, am veilchenblauen Minneseil die launige Gebieterin, Margarethe die Maultasche, zu gängeln. Ihr trotziger zweiter Gatte, der bayerische Ludwig, hat einmal mit bewehrter Hand gar unfein beim hofebaren Petermann angepocht auf Schänna und ihm grob genommen, was er fein erworben.

sättigen, die ein Faß der Danaiden scheint. In Gayen traf ich eines schönen Abends einen alten Helden, der im bayerischen Heere bei Hanau und bei Bar sur Aube gefochten. Er sprach mit Feuer von jenen Kriegsjahren und wie gerne er Soldat gewesen. Diese frohe Erinnerung an die Zeiten, wo sie mit den Söhnen bayerischer Mütter in Reih und Glied gestanden, ist keine seltene Erscheinung unter den Tiroler Bauern. Auch zu Kappel im Paznaun kam mir solch ein ehemaliger Kriegsmann vor, der seinen Cameraden vom Jahre 1813 das Beste nachsagte. Von den bayerischen Officieren meinte er zwar, so lange man daheim gewesen, hätten sie die Tiroler nicht gerne unter ihren Leuten gesehen, da vom Jahre 1809 noch zu viel Gift übergeblieben, wenn’s aber ins Feld gegangen, da hätten sie bald Gefallen daran gefunden, dieweil die Tiroler sich allwege als rechtschaffene und tapfere Kriegsleute erwiesen. Der alte Soldat von Gayen schien auch viel Sinn für die Schönheit seiner Gegend zu haben. Als ich da mit ihm am Fenster saß und die Landschaft vergnügt betrachtete und lobte, sagte er: ja, unsere Berge sind wie Altäre mit Büschen verziert.

Unter den andern Schlössern, die entweder jüngeren Baues sind oder durch spätere Wiederherstellung ihr mittelalterliches Gepräge eingebüßt haben, steht das schon öfter genannte Schänna oben an. „Schänna, die stattliche Veste, eine Wegstunde von Meran, ruht am linken Passerufer unter den Spitzen des Ifingers. Ueppige Pflanzenfülle umrankt den Weg. Eine tüchtige Anstufung des Schännaer Berges, auf dem sich die Höfe der Gemeinde weit ausgestreut lagern, trägt das Schloß und die Kirche mit dem Häuserkern des Dörfleins. In der Burg saßen in ältesten Tagen die gleichnamigen Edlen. Petermann von Schänna wird obenan genannt, wenn von den Tiroler Landherren die Rede geht, welche es verstanden, am veilchenblauen Minneseil die launige Gebieterin, Margarethe die Maultasche, zu gängeln. Ihr trotziger zweiter Gatte, der bayerische Ludwig, hat einmal mit bewehrter Hand gar unfein beim hofebaren Petermann angepocht auf Schänna und ihm grob genommen, was er fein erworben.

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sättigen, die ein Faß der Danaiden scheint. In Gayen traf ich eines schönen Abends einen alten Helden, der im bayerischen Heere bei Hanau und bei Bar sur Aube gefochten. Er sprach mit Feuer von jenen Kriegsjahren und wie gerne er Soldat gewesen. Diese frohe Erinnerung an die Zeiten, wo sie mit den Söhnen bayerischer Mütter in Reih und Glied gestanden, ist keine seltene Erscheinung unter den Tiroler Bauern. Auch zu Kappel im Paznaun kam mir solch ein ehemaliger Kriegsmann vor, der seinen Cameraden vom Jahre 1813 das Beste nachsagte. Von den bayerischen Officieren meinte er zwar, so lange man daheim gewesen, hätten sie die Tiroler nicht gerne unter ihren Leuten gesehen, da vom Jahre 1809 noch zu viel Gift übergeblieben, wenn&#x2019;s aber ins Feld gegangen, da hätten sie bald Gefallen daran gefunden, dieweil die Tiroler sich allwege als rechtschaffene und tapfere Kriegsleute erwiesen. Der alte Soldat von Gayen schien auch viel Sinn für die Schönheit seiner Gegend zu haben. Als ich da mit ihm am Fenster saß und die Landschaft vergnügt betrachtete und lobte, sagte er: ja, unsere Berge sind wie Altäre mit Büschen verziert.</p>
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[342/0346] sättigen, die ein Faß der Danaiden scheint. In Gayen traf ich eines schönen Abends einen alten Helden, der im bayerischen Heere bei Hanau und bei Bar sur Aube gefochten. Er sprach mit Feuer von jenen Kriegsjahren und wie gerne er Soldat gewesen. Diese frohe Erinnerung an die Zeiten, wo sie mit den Söhnen bayerischer Mütter in Reih und Glied gestanden, ist keine seltene Erscheinung unter den Tiroler Bauern. Auch zu Kappel im Paznaun kam mir solch ein ehemaliger Kriegsmann vor, der seinen Cameraden vom Jahre 1813 das Beste nachsagte. Von den bayerischen Officieren meinte er zwar, so lange man daheim gewesen, hätten sie die Tiroler nicht gerne unter ihren Leuten gesehen, da vom Jahre 1809 noch zu viel Gift übergeblieben, wenn’s aber ins Feld gegangen, da hätten sie bald Gefallen daran gefunden, dieweil die Tiroler sich allwege als rechtschaffene und tapfere Kriegsleute erwiesen. Der alte Soldat von Gayen schien auch viel Sinn für die Schönheit seiner Gegend zu haben. Als ich da mit ihm am Fenster saß und die Landschaft vergnügt betrachtete und lobte, sagte er: ja, unsere Berge sind wie Altäre mit Büschen verziert. Unter den andern Schlössern, die entweder jüngeren Baues sind oder durch spätere Wiederherstellung ihr mittelalterliches Gepräge eingebüßt haben, steht das schon öfter genannte Schänna oben an. „Schänna, die stattliche Veste, eine Wegstunde von Meran, ruht am linken Passerufer unter den Spitzen des Ifingers. Ueppige Pflanzenfülle umrankt den Weg. Eine tüchtige Anstufung des Schännaer Berges, auf dem sich die Höfe der Gemeinde weit ausgestreut lagern, trägt das Schloß und die Kirche mit dem Häuserkern des Dörfleins. In der Burg saßen in ältesten Tagen die gleichnamigen Edlen. Petermann von Schänna wird obenan genannt, wenn von den Tiroler Landherren die Rede geht, welche es verstanden, am veilchenblauen Minneseil die launige Gebieterin, Margarethe die Maultasche, zu gängeln. Ihr trotziger zweiter Gatte, der bayerische Ludwig, hat einmal mit bewehrter Hand gar unfein beim hofebaren Petermann angepocht auf Schänna und ihm grob genommen, was er fein erworben.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/346>, abgerufen am 27.04.2024.