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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Verkehr wird durch die Träger unterhalten, welche täglich auf- und abgehen.

Die Landschaft von Kaltern, deren Thürme, Ansitze und Schlösser überall verschönernd in die Gegend von Bozen hereinblicken, wird trotz ihrer Reize wenig besucht. Sie ist zu warm, um als Sommerfrische zu dienen, zu ländlich, um viel Zeitvertreib aufzubringen. Gleichwohl war sie im letzten Jahrzehnt mehrere Monden lang durchwallt von vielen Tausenden, die zu Fuß und zu Wagen, allein und in Processionen mit Kreuz und Fahnen daherkamen, um ein altes Herrenhaus aufzusuchen und eine kleine Kammer, in welcher eine lebendige Heilige lag, nämlich Fräulein Maria v. Mörl. Wir werden sie auch noch sehen, aber vorher schlendern wir gemächlich aus Bozen heraus und zwischen langen Mauern durch auf der Straße nach Eppan, wie man mit einen Namen die beiden nachbarlichen Dörfer St. Paul und St. Michel nennt. So gelangen wir zur Etsch, die in rauschendem Bogen um den Felsstock herumzieht, auf dem die Veste Sigmundskron erbaut ist. Diese, das alte Schloß Formianum, Formicaria, von Erzherzog Sigmund neu hergerichtet und in wehrlichen Stand gesetzt, ist zwar jetzt abermals verfallen, aber gleichwohl noch eine sehenswerthe Ruine. Sie liegt in üppigem Buschwerk von jungen Eichen, durch welches ein angenehmer Pfad vor die Burgpforte führt. Darüber sind die Wappen von Oesterreich und Tirol ausgehauen, ersteres mit dem vielberühmten Schmuck der Pfauenfedern auf dem Helm. Im untern Theile der Veste steht an der Ringmauer ein hoher Wartthurm, jetzt als Pulverkammer benützt, im obern Theile sind die verfallenen Gebäude, die ehemals von dem Burghauptmann bewohnt waren, allenthalben zerrissen und zerspalten, voll Schutt und Mauergebröckel; gegen die Etsch hin stehen noch dicke Thürme mit Schießscharten. Es liegen jetzt ein paar Invaliden in der stillen Veste.

Weiter gegen Eppan ziehend, gelangt der Wanderer ins Paulser-Loch, eine tiefe Schlucht durch Sandhügel gebrochen, an zwei kleinen Vesten hinziehend, Wart und Altenburg, beide halb verfallen, die eine fast ganz von Epheu überwachsen.

Verkehr wird durch die Träger unterhalten, welche täglich auf- und abgehen.

Die Landschaft von Kaltern, deren Thürme, Ansitze und Schlösser überall verschönernd in die Gegend von Bozen hereinblicken, wird trotz ihrer Reize wenig besucht. Sie ist zu warm, um als Sommerfrische zu dienen, zu ländlich, um viel Zeitvertreib aufzubringen. Gleichwohl war sie im letzten Jahrzehnt mehrere Monden lang durchwallt von vielen Tausenden, die zu Fuß und zu Wagen, allein und in Processionen mit Kreuz und Fahnen daherkamen, um ein altes Herrenhaus aufzusuchen und eine kleine Kammer, in welcher eine lebendige Heilige lag, nämlich Fräulein Maria v. Mörl. Wir werden sie auch noch sehen, aber vorher schlendern wir gemächlich aus Bozen heraus und zwischen langen Mauern durch auf der Straße nach Eppan, wie man mit einen Namen die beiden nachbarlichen Dörfer St. Paul und St. Michel nennt. So gelangen wir zur Etsch, die in rauschendem Bogen um den Felsstock herumzieht, auf dem die Veste Sigmundskron erbaut ist. Diese, das alte Schloß Formianum, Formicaria, von Erzherzog Sigmund neu hergerichtet und in wehrlichen Stand gesetzt, ist zwar jetzt abermals verfallen, aber gleichwohl noch eine sehenswerthe Ruine. Sie liegt in üppigem Buschwerk von jungen Eichen, durch welches ein angenehmer Pfad vor die Burgpforte führt. Darüber sind die Wappen von Oesterreich und Tirol ausgehauen, ersteres mit dem vielberühmten Schmuck der Pfauenfedern auf dem Helm. Im untern Theile der Veste steht an der Ringmauer ein hoher Wartthurm, jetzt als Pulverkammer benützt, im obern Theile sind die verfallenen Gebäude, die ehemals von dem Burghauptmann bewohnt waren, allenthalben zerrissen und zerspalten, voll Schutt und Mauergebröckel; gegen die Etsch hin stehen noch dicke Thürme mit Schießscharten. Es liegen jetzt ein paar Invaliden in der stillen Veste.

Weiter gegen Eppan ziehend, gelangt der Wanderer ins Paulser-Loch, eine tiefe Schlucht durch Sandhügel gebrochen, an zwei kleinen Vesten hinziehend, Wart und Altenburg, beide halb verfallen, die eine fast ganz von Epheu überwachsen.

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[387/0391] Verkehr wird durch die Träger unterhalten, welche täglich auf- und abgehen. Die Landschaft von Kaltern, deren Thürme, Ansitze und Schlösser überall verschönernd in die Gegend von Bozen hereinblicken, wird trotz ihrer Reize wenig besucht. Sie ist zu warm, um als Sommerfrische zu dienen, zu ländlich, um viel Zeitvertreib aufzubringen. Gleichwohl war sie im letzten Jahrzehnt mehrere Monden lang durchwallt von vielen Tausenden, die zu Fuß und zu Wagen, allein und in Processionen mit Kreuz und Fahnen daherkamen, um ein altes Herrenhaus aufzusuchen und eine kleine Kammer, in welcher eine lebendige Heilige lag, nämlich Fräulein Maria v. Mörl. Wir werden sie auch noch sehen, aber vorher schlendern wir gemächlich aus Bozen heraus und zwischen langen Mauern durch auf der Straße nach Eppan, wie man mit einen Namen die beiden nachbarlichen Dörfer St. Paul und St. Michel nennt. So gelangen wir zur Etsch, die in rauschendem Bogen um den Felsstock herumzieht, auf dem die Veste Sigmundskron erbaut ist. Diese, das alte Schloß Formianum, Formicaria, von Erzherzog Sigmund neu hergerichtet und in wehrlichen Stand gesetzt, ist zwar jetzt abermals verfallen, aber gleichwohl noch eine sehenswerthe Ruine. Sie liegt in üppigem Buschwerk von jungen Eichen, durch welches ein angenehmer Pfad vor die Burgpforte führt. Darüber sind die Wappen von Oesterreich und Tirol ausgehauen, ersteres mit dem vielberühmten Schmuck der Pfauenfedern auf dem Helm. Im untern Theile der Veste steht an der Ringmauer ein hoher Wartthurm, jetzt als Pulverkammer benützt, im obern Theile sind die verfallenen Gebäude, die ehemals von dem Burghauptmann bewohnt waren, allenthalben zerrissen und zerspalten, voll Schutt und Mauergebröckel; gegen die Etsch hin stehen noch dicke Thürme mit Schießscharten. Es liegen jetzt ein paar Invaliden in der stillen Veste. Weiter gegen Eppan ziehend, gelangt der Wanderer ins Paulser-Loch, eine tiefe Schlucht durch Sandhügel gebrochen, an zwei kleinen Vesten hinziehend, Wart und Altenburg, beide halb verfallen, die eine fast ganz von Epheu überwachsen.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/391>, abgerufen am 31.05.2024.