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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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meistens schwarze wählen. Die Jungfrauen trugen alle das glänzende Schäpele das sie hier Kranz heißen, die Weiber kleine niedere Hütchen und über Ohr und Schläfe weit vorgreifende Spitzenscheiben, welche die Blicke der Matronen vor aller Verirrung zu schützen bestimmt schienen. Ferner hatten auch sämmtliche Weibsen, alte und junge, ungeheure seidene Halstücher umgebunden, und zwar sehr schlotterig, so daß sie nach Belieben Kinn und Mund darein verbergen konnten und verbargen.

Als der Zug in der Kirche verschwunden war, eilten wir nach der Herberge, wo die Wirthin-Mutter in der reinlichen Stube uns empfing und mit Eifer zu laben begann. Wir äußerten manches lobende Wort über ihren Wein, den sie in schöngeschliffenen Gläsern schenkte; sie jedoch wehrte der Schmeichelei und behauptete, das sey all noch nichts, aber in ihrem Keller liege ganz anderes seltsames und theures Getränke, das sie freilich nicht zu nennen wisse. Wir riethen hin und her, konnten ihr aber nicht auf den Namen helfen. Um dem Grübeln ein Ende zu machen, ging sie zuletzt hinaus und brachte eine Flasche herein, bei deren Anblick wir freilich aus der Ferne schon riefen ob sie nicht auch Champagnergläser habe. Als wir uns wunderten, wie dieß fremdländische Gewächs in den goldenen Adler zu Riezlern gerathen, erzählte die Frau, es seyen deren wohl noch mehrere dagewesen, indem man ein halbes Duzend herbeigeschafft um den Herrn Landesgouverneur, der eben zu der Zeit seinen Umritt durch Vorarlberg hielt, standesgemäß tractiren zu können; nunmehr seyen aber nur noch ihrer drei im Keller, die von jenem feierlichen Tage übergeblieben. Während sie uns viel vom gnädigen Herrn berichtete und was er alles gesagt, hatte einer der Gefährten, auf willfährige Genehmigung der anderen bauend, die Flasche vom Tische genommen und ihr die Tarnkappe abgezogen, und als die Walser von Riezlern in dicken Haufen aus der Kirche in das Wirthshaus strömten, hatten wir schon einige Toaste ausgebracht und auf verschiedener Länder Wohl getrunken. Als nun aber auch der Wirth herbeigeeilt kam von der Andacht, und unsere frische Fröhlichkeit gewahrte, und daß wir uns an sein

meistens schwarze wählen. Die Jungfrauen trugen alle das glänzende Schäpele das sie hier Kranz heißen, die Weiber kleine niedere Hütchen und über Ohr und Schläfe weit vorgreifende Spitzenscheiben, welche die Blicke der Matronen vor aller Verirrung zu schützen bestimmt schienen. Ferner hatten auch sämmtliche Weibsen, alte und junge, ungeheure seidene Halstücher umgebunden, und zwar sehr schlotterig, so daß sie nach Belieben Kinn und Mund darein verbergen konnten und verbargen.

Als der Zug in der Kirche verschwunden war, eilten wir nach der Herberge, wo die Wirthin-Mutter in der reinlichen Stube uns empfing und mit Eifer zu laben begann. Wir äußerten manches lobende Wort über ihren Wein, den sie in schöngeschliffenen Gläsern schenkte; sie jedoch wehrte der Schmeichelei und behauptete, das sey all noch nichts, aber in ihrem Keller liege ganz anderes seltsames und theures Getränke, das sie freilich nicht zu nennen wisse. Wir riethen hin und her, konnten ihr aber nicht auf den Namen helfen. Um dem Grübeln ein Ende zu machen, ging sie zuletzt hinaus und brachte eine Flasche herein, bei deren Anblick wir freilich aus der Ferne schon riefen ob sie nicht auch Champagnergläser habe. Als wir uns wunderten, wie dieß fremdländische Gewächs in den goldenen Adler zu Riezlern gerathen, erzählte die Frau, es seyen deren wohl noch mehrere dagewesen, indem man ein halbes Duzend herbeigeschafft um den Herrn Landesgouverneur, der eben zu der Zeit seinen Umritt durch Vorarlberg hielt, standesgemäß tractiren zu können; nunmehr seyen aber nur noch ihrer drei im Keller, die von jenem feierlichen Tage übergeblieben. Während sie uns viel vom gnädigen Herrn berichtete und was er alles gesagt, hatte einer der Gefährten, auf willfährige Genehmigung der anderen bauend, die Flasche vom Tische genommen und ihr die Tarnkappe abgezogen, und als die Walser von Riezlern in dicken Haufen aus der Kirche in das Wirthshaus strömten, hatten wir schon einige Toaste ausgebracht und auf verschiedener Länder Wohl getrunken. Als nun aber auch der Wirth herbeigeeilt kam von der Andacht, und unsere frische Fröhlichkeit gewahrte, und daß wir uns an sein

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[69/0074] meistens schwarze wählen. Die Jungfrauen trugen alle das glänzende Schäpele das sie hier Kranz heißen, die Weiber kleine niedere Hütchen und über Ohr und Schläfe weit vorgreifende Spitzenscheiben, welche die Blicke der Matronen vor aller Verirrung zu schützen bestimmt schienen. Ferner hatten auch sämmtliche Weibsen, alte und junge, ungeheure seidene Halstücher umgebunden, und zwar sehr schlotterig, so daß sie nach Belieben Kinn und Mund darein verbergen konnten und verbargen. Als der Zug in der Kirche verschwunden war, eilten wir nach der Herberge, wo die Wirthin-Mutter in der reinlichen Stube uns empfing und mit Eifer zu laben begann. Wir äußerten manches lobende Wort über ihren Wein, den sie in schöngeschliffenen Gläsern schenkte; sie jedoch wehrte der Schmeichelei und behauptete, das sey all noch nichts, aber in ihrem Keller liege ganz anderes seltsames und theures Getränke, das sie freilich nicht zu nennen wisse. Wir riethen hin und her, konnten ihr aber nicht auf den Namen helfen. Um dem Grübeln ein Ende zu machen, ging sie zuletzt hinaus und brachte eine Flasche herein, bei deren Anblick wir freilich aus der Ferne schon riefen ob sie nicht auch Champagnergläser habe. Als wir uns wunderten, wie dieß fremdländische Gewächs in den goldenen Adler zu Riezlern gerathen, erzählte die Frau, es seyen deren wohl noch mehrere dagewesen, indem man ein halbes Duzend herbeigeschafft um den Herrn Landesgouverneur, der eben zu der Zeit seinen Umritt durch Vorarlberg hielt, standesgemäß tractiren zu können; nunmehr seyen aber nur noch ihrer drei im Keller, die von jenem feierlichen Tage übergeblieben. Während sie uns viel vom gnädigen Herrn berichtete und was er alles gesagt, hatte einer der Gefährten, auf willfährige Genehmigung der anderen bauend, die Flasche vom Tische genommen und ihr die Tarnkappe abgezogen, und als die Walser von Riezlern in dicken Haufen aus der Kirche in das Wirthshaus strömten, hatten wir schon einige Toaste ausgebracht und auf verschiedener Länder Wohl getrunken. Als nun aber auch der Wirth herbeigeeilt kam von der Andacht, und unsere frische Fröhlichkeit gewahrte, und daß wir uns an sein

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/74>, abgerufen am 06.05.2024.