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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Fürwitzigen. Es konnte leider von Niemanden herausgezogen werden und der Unglückliche trug den Schnitzer in seinem Fuß ein ganzes Jahr, doch ohne Schmerzen herum. Als aber das Jahr vorüber war, ging er abermals auf denselben Platz, wo er die Versammlung wieder richtig fand. Es wird, wie vormals, prächtig gezecht, muthig gesprungen und bei anbrechender Morgenröthe fürsichtig abgefahren. Dabei langte der letzte noch über die Thüre, sagte: will doch mein Messer wieder mitlassen, und der Zuschauer ging von dannen, ohne den Schnitzer im Knie weiter zu gewahren. "Dergleichen Begebenheiten träumte es den guten Alten noch viele."

An einem andern Orte gedenken die Merkwürdigkeiten auch der Passionskomödie, jener bei den Gebirgsvölkern bis ins vorige Jahrhundert so beliebten Vorstellungen, deren letztes Ueberbleibsel sich in Ammergau erhalten hat. Die erste Komödie wurde angeblich 1722 gespielt, das Theatrum 1727 hergestellt. So viel aus der Chronik.

Darnach machten wir uns mit dem geistlichen Herrn auf und gingen der Starzel zu. Nach langem jähen Steigen gelangten wir auf die Höhe. Dort auf dem Grate hatten wir zur einen Seite, dem Walserthale zu, hellen Sonnenschein, gegen den Wald zu aber dicke Nebel, und als wir noch ein paar Schritte gegangen, fanden wir uns mitten drin in den feuchten Wolken. Diese begannen auch bald zu regnen und regneten immer heftiger, so daß wir triefend über die glatten Steine und an den jähen Abgründen hintrabten, sehr verdrießlich im Gemüthe, denn nach Schopernau im Walde war noch weit zu gehen. Einstweilen standen wir in einer Sennhütte unter, die Peter Bilgeri in Andelsbuch gehört und in welcher ein wälscher Senne wirthschaftete, ein sehr unwirscher Bursche, der es fast übel nahm, daß wir uns an seinem Feuer wärmten.

Allmählig verzogen sich die Wolken, und als wir aus der düstern Hütte wieder hinaustraten, hatten wir unsre Freude an der hohen Berglandschaft, die jetzt ganz grün und hell da lag, und so eilten wir mit hergestellter Laune durch Wald und Fels, vor uns im tiefen Thale die smaragdenen

Fürwitzigen. Es konnte leider von Niemanden herausgezogen werden und der Unglückliche trug den Schnitzer in seinem Fuß ein ganzes Jahr, doch ohne Schmerzen herum. Als aber das Jahr vorüber war, ging er abermals auf denselben Platz, wo er die Versammlung wieder richtig fand. Es wird, wie vormals, prächtig gezecht, muthig gesprungen und bei anbrechender Morgenröthe fürsichtig abgefahren. Dabei langte der letzte noch über die Thüre, sagte: will doch mein Messer wieder mitlassen, und der Zuschauer ging von dannen, ohne den Schnitzer im Knie weiter zu gewahren. „Dergleichen Begebenheiten träumte es den guten Alten noch viele."

An einem andern Orte gedenken die Merkwürdigkeiten auch der Passionskomödie, jener bei den Gebirgsvölkern bis ins vorige Jahrhundert so beliebten Vorstellungen, deren letztes Ueberbleibsel sich in Ammergau erhalten hat. Die erste Komödie wurde angeblich 1722 gespielt, das Theatrum 1727 hergestellt. So viel aus der Chronik.

Darnach machten wir uns mit dem geistlichen Herrn auf und gingen der Starzel zu. Nach langem jähen Steigen gelangten wir auf die Höhe. Dort auf dem Grate hatten wir zur einen Seite, dem Walserthale zu, hellen Sonnenschein, gegen den Wald zu aber dicke Nebel, und als wir noch ein paar Schritte gegangen, fanden wir uns mitten drin in den feuchten Wolken. Diese begannen auch bald zu regnen und regneten immer heftiger, so daß wir triefend über die glatten Steine und an den jähen Abgründen hintrabten, sehr verdrießlich im Gemüthe, denn nach Schopernau im Walde war noch weit zu gehen. Einstweilen standen wir in einer Sennhütte unter, die Peter Bilgeri in Andelsbuch gehört und in welcher ein wälscher Senne wirthschaftete, ein sehr unwirscher Bursche, der es fast übel nahm, daß wir uns an seinem Feuer wärmten.

Allmählig verzogen sich die Wolken, und als wir aus der düstern Hütte wieder hinaustraten, hatten wir unsre Freude an der hohen Berglandschaft, die jetzt ganz grün und hell da lag, und so eilten wir mit hergestellter Laune durch Wald und Fels, vor uns im tiefen Thale die smaragdenen

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Fürwitzigen. Es konnte leider von Niemanden herausgezogen werden und der Unglückliche trug den Schnitzer in seinem Fuß ein ganzes Jahr, doch ohne Schmerzen herum. Als aber das Jahr vorüber war, ging er abermals auf denselben Platz, wo er die Versammlung wieder richtig fand. Es wird, wie vormals, prächtig gezecht, muthig gesprungen und bei anbrechender Morgenröthe fürsichtig abgefahren. Dabei langte der letzte noch über die Thüre, sagte: will doch mein Messer wieder mitlassen, und der Zuschauer ging von dannen, ohne den Schnitzer im Knie weiter zu gewahren. &#x201E;Dergleichen Begebenheiten träumte es den guten Alten noch viele."</p>
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[83/0088] Fürwitzigen. Es konnte leider von Niemanden herausgezogen werden und der Unglückliche trug den Schnitzer in seinem Fuß ein ganzes Jahr, doch ohne Schmerzen herum. Als aber das Jahr vorüber war, ging er abermals auf denselben Platz, wo er die Versammlung wieder richtig fand. Es wird, wie vormals, prächtig gezecht, muthig gesprungen und bei anbrechender Morgenröthe fürsichtig abgefahren. Dabei langte der letzte noch über die Thüre, sagte: will doch mein Messer wieder mitlassen, und der Zuschauer ging von dannen, ohne den Schnitzer im Knie weiter zu gewahren. „Dergleichen Begebenheiten träumte es den guten Alten noch viele." An einem andern Orte gedenken die Merkwürdigkeiten auch der Passionskomödie, jener bei den Gebirgsvölkern bis ins vorige Jahrhundert so beliebten Vorstellungen, deren letztes Ueberbleibsel sich in Ammergau erhalten hat. Die erste Komödie wurde angeblich 1722 gespielt, das Theatrum 1727 hergestellt. So viel aus der Chronik. Darnach machten wir uns mit dem geistlichen Herrn auf und gingen der Starzel zu. Nach langem jähen Steigen gelangten wir auf die Höhe. Dort auf dem Grate hatten wir zur einen Seite, dem Walserthale zu, hellen Sonnenschein, gegen den Wald zu aber dicke Nebel, und als wir noch ein paar Schritte gegangen, fanden wir uns mitten drin in den feuchten Wolken. Diese begannen auch bald zu regnen und regneten immer heftiger, so daß wir triefend über die glatten Steine und an den jähen Abgründen hintrabten, sehr verdrießlich im Gemüthe, denn nach Schopernau im Walde war noch weit zu gehen. Einstweilen standen wir in einer Sennhütte unter, die Peter Bilgeri in Andelsbuch gehört und in welcher ein wälscher Senne wirthschaftete, ein sehr unwirscher Bursche, der es fast übel nahm, daß wir uns an seinem Feuer wärmten. Allmählig verzogen sich die Wolken, und als wir aus der düstern Hütte wieder hinaustraten, hatten wir unsre Freude an der hohen Berglandschaft, die jetzt ganz grün und hell da lag, und so eilten wir mit hergestellter Laune durch Wald und Fels, vor uns im tiefen Thale die smaragdenen

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/88>, abgerufen am 06.05.2024.