Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

wird nothwendig auf eine andere Spur kommen. Einmal steht gegen jene erste Annahme daß die Walser in Bünden, wo ihrer in früherer Zeit öfter gedacht wird, immer als deutsch Redende, nie als Romanschen erscheinen, und daß auch ihre Geschlechtsnamen alle deutsch sind. Ferner berichtet ein bündnerischer Geschichtforscher, Johann Ulrich von Salis-Seewis daß im Prätigau die deutsche Sprache erst durch die Walser vom Schloß Belfort bis auf Davos und durch die Davoser selbst, die gleichfalls Walser waren, eingeführt und verbreitet worden sey. Derselbe gibt auch an daß diese Walser freie fremde Einwanderer gewesen, die sich am liebsten in höhern Alpengegenden ansiedelten und meist Viehzucht trieben, und bei Ildephons v. Arx (2.167) finden sich ein paar bisher nicht beachtete Stellen aus alten Satzungen des Klosters Pfäffers, die dasselbe urkundlich belegen. Dort heißt es nämlich, wenn ein Leibeigener des Klosters mit einem Weibe das eine eingewanderte Walserin oder sonst frei sey (cum muliere advena Walisense vel alias libera), oder wenn eine Leibeigene des Klosters cum viro Walisense vel alias libero eine Ehe eingehe, so sollen die Kinder des Klosters eigen werden, und ebendort ist auch die Rede von den Kindern die ab alienigenis Walisensibus vel alias liberis erzeugt werden. Diese Stellen gehören dem 14ten Jahrhundert an, und da die Waliser hier noch Ankömmlinge und Fremdlinge heißen, so scheint die Einwanderung nicht gar lange vorher stattgefunden zu haben. Will man nun aber den früheren Sitzen der Waliser nachgehen, so leitet ihr Name allerdings am ersten auf das schweizerische Wallis. Es ist auch eine in diesen Thälern verbreitete Meinung daß man allzusammt vor langen Zeiten aus der Schweiz gekommen sey, und was uns weiland Caplan Feuerstein im Bad berichtet, zeigt deutlich, daß diese Sage alt und ächt, und nicht wie manche andere, an welchen unbefangene Touristen einen Fund gemacht zu haben glauben, erst in unfern Tagen durch Geistliche und Schullehrer unter die Leute gebracht worden sey. Als Vorstehendes zum erstenmal veröffentlicht wurde,*)

*) Allgemeine Zeitg. vom 29 Dec. 1843 in der Beilage.

wird nothwendig auf eine andere Spur kommen. Einmal steht gegen jene erste Annahme daß die Walser in Bünden, wo ihrer in früherer Zeit öfter gedacht wird, immer als deutsch Redende, nie als Romanschen erscheinen, und daß auch ihre Geschlechtsnamen alle deutsch sind. Ferner berichtet ein bündnerischer Geschichtforscher, Johann Ulrich von Salis-Seewis daß im Prätigau die deutsche Sprache erst durch die Walser vom Schloß Belfort bis auf Davos und durch die Davoser selbst, die gleichfalls Walser waren, eingeführt und verbreitet worden sey. Derselbe gibt auch an daß diese Walser freie fremde Einwanderer gewesen, die sich am liebsten in höhern Alpengegenden ansiedelten und meist Viehzucht trieben, und bei Ildephons v. Arx (2.167) finden sich ein paar bisher nicht beachtete Stellen aus alten Satzungen des Klosters Pfäffers, die dasselbe urkundlich belegen. Dort heißt es nämlich, wenn ein Leibeigener des Klosters mit einem Weibe das eine eingewanderte Walserin oder sonst frei sey (cum muliere advena Walisense vel alias libera), oder wenn eine Leibeigene des Klosters cum viro Walisense vel alias libero eine Ehe eingehe, so sollen die Kinder des Klosters eigen werden, und ebendort ist auch die Rede von den Kindern die ab alienigenis Walisensibus vel alias liberis erzeugt werden. Diese Stellen gehören dem 14ten Jahrhundert an, und da die Waliser hier noch Ankömmlinge und Fremdlinge heißen, so scheint die Einwanderung nicht gar lange vorher stattgefunden zu haben. Will man nun aber den früheren Sitzen der Waliser nachgehen, so leitet ihr Name allerdings am ersten auf das schweizerische Wallis. Es ist auch eine in diesen Thälern verbreitete Meinung daß man allzusammt vor langen Zeiten aus der Schweiz gekommen sey, und was uns weiland Caplan Feuerstein im Bad berichtet, zeigt deutlich, daß diese Sage alt und ächt, und nicht wie manche andere, an welchen unbefangene Touristen einen Fund gemacht zu haben glauben, erst in unfern Tagen durch Geistliche und Schullehrer unter die Leute gebracht worden sey. Als Vorstehendes zum erstenmal veröffentlicht wurde,*)

*) Allgemeine Zeitg. vom 29 Dec. 1843 in der Beilage.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="88"/>
wird nothwendig auf eine andere Spur kommen. Einmal steht gegen jene erste Annahme daß die Walser in Bünden, wo ihrer in früherer Zeit öfter gedacht wird, immer als deutsch Redende, nie als Romanschen erscheinen, und daß auch ihre Geschlechtsnamen alle deutsch sind. Ferner berichtet ein bündnerischer Geschichtforscher, Johann Ulrich von Salis-Seewis daß im Prätigau die deutsche Sprache erst durch die Walser vom Schloß Belfort bis auf Davos und durch die Davoser selbst, die gleichfalls Walser waren, eingeführt und verbreitet worden sey. Derselbe gibt auch an daß diese Walser freie fremde Einwanderer gewesen, die sich am liebsten in höhern Alpengegenden ansiedelten und meist Viehzucht trieben, und bei Ildephons v. Arx (2.167) finden sich ein paar bisher nicht beachtete Stellen aus alten Satzungen des Klosters Pfäffers, die dasselbe urkundlich belegen. Dort heißt es nämlich, wenn ein Leibeigener des Klosters mit einem Weibe das eine eingewanderte Walserin oder sonst frei sey (<hi rendition="#aq">cum muliere advena Walisense vel alias libera</hi>), oder wenn eine Leibeigene des Klosters <hi rendition="#aq">cum viro Walisense vel alias libero</hi> eine Ehe eingehe, so sollen die Kinder des Klosters eigen werden, und ebendort ist auch die Rede von den Kindern die <hi rendition="#aq">ab alienigenis Walisensibus vel alias liberis</hi> erzeugt werden. Diese Stellen gehören dem 14ten Jahrhundert an, und da die Waliser hier noch Ankömmlinge und Fremdlinge heißen, so scheint die Einwanderung nicht gar lange vorher stattgefunden zu haben. Will man nun aber den früheren Sitzen der Waliser nachgehen, so leitet ihr Name allerdings am ersten auf das schweizerische Wallis. Es ist auch eine in diesen Thälern verbreitete Meinung daß man allzusammt vor langen Zeiten aus der Schweiz gekommen sey, und was uns weiland Caplan Feuerstein im Bad berichtet, zeigt deutlich, daß diese Sage alt und ächt, und nicht wie manche andere, an welchen unbefangene Touristen einen Fund gemacht zu haben glauben, erst in unfern Tagen durch Geistliche und Schullehrer unter die Leute gebracht worden sey. Als Vorstehendes zum erstenmal veröffentlicht wurde,<note place="foot" n="*)">Allgemeine Zeitg. vom 29 Dec. 1843 in der Beilage.</note>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0093] wird nothwendig auf eine andere Spur kommen. Einmal steht gegen jene erste Annahme daß die Walser in Bünden, wo ihrer in früherer Zeit öfter gedacht wird, immer als deutsch Redende, nie als Romanschen erscheinen, und daß auch ihre Geschlechtsnamen alle deutsch sind. Ferner berichtet ein bündnerischer Geschichtforscher, Johann Ulrich von Salis-Seewis daß im Prätigau die deutsche Sprache erst durch die Walser vom Schloß Belfort bis auf Davos und durch die Davoser selbst, die gleichfalls Walser waren, eingeführt und verbreitet worden sey. Derselbe gibt auch an daß diese Walser freie fremde Einwanderer gewesen, die sich am liebsten in höhern Alpengegenden ansiedelten und meist Viehzucht trieben, und bei Ildephons v. Arx (2.167) finden sich ein paar bisher nicht beachtete Stellen aus alten Satzungen des Klosters Pfäffers, die dasselbe urkundlich belegen. Dort heißt es nämlich, wenn ein Leibeigener des Klosters mit einem Weibe das eine eingewanderte Walserin oder sonst frei sey (cum muliere advena Walisense vel alias libera), oder wenn eine Leibeigene des Klosters cum viro Walisense vel alias libero eine Ehe eingehe, so sollen die Kinder des Klosters eigen werden, und ebendort ist auch die Rede von den Kindern die ab alienigenis Walisensibus vel alias liberis erzeugt werden. Diese Stellen gehören dem 14ten Jahrhundert an, und da die Waliser hier noch Ankömmlinge und Fremdlinge heißen, so scheint die Einwanderung nicht gar lange vorher stattgefunden zu haben. Will man nun aber den früheren Sitzen der Waliser nachgehen, so leitet ihr Name allerdings am ersten auf das schweizerische Wallis. Es ist auch eine in diesen Thälern verbreitete Meinung daß man allzusammt vor langen Zeiten aus der Schweiz gekommen sey, und was uns weiland Caplan Feuerstein im Bad berichtet, zeigt deutlich, daß diese Sage alt und ächt, und nicht wie manche andere, an welchen unbefangene Touristen einen Fund gemacht zu haben glauben, erst in unfern Tagen durch Geistliche und Schullehrer unter die Leute gebracht worden sey. Als Vorstehendes zum erstenmal veröffentlicht wurde, *) *) Allgemeine Zeitg. vom 29 Dec. 1843 in der Beilage.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/93
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/93>, abgerufen am 07.05.2024.