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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715.

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Europäisches
wenigsten die Europäischen Potentaten sich mit
einander beredeten, und schlüßig würden, einerley
Redens-Art und Zunge in ihren Reichen einzu-
führen; allein es ist auch so gleich Kummer vorge-
fallen, welche Sprache man den übrigen vorzie-
hen, und zu der allgemeinen Sprache wehlen solle;
und hat sich bey diesem projectireten Vergleich,
auch zugleich ein Streit über der Praerogativa
linguarum
ereignet: welche dem guten Vor-
schlage hinderlich gewesen, und auch wohl bleiben
wird; massen die Vielheit und Unterscheid der
Sprachen ein Werck GOttes, und Menschen
Rath wieder denselben kein nütze seyn kan.

§. 6.

Jst demnach das sicherste und beste Mit-
tel, daß man aus der Noth eine Tugend, und aus
der Straffe eine Gelehrsamkeit mache: und sich,
dasern man zu einer profonden Erudition gelan-
gen, sich in der Welt umbsehen, mit fremden Na-
tionen negotiren, und sonderlich grossen Poten-
taten in auswärtigen Verrichtungen nützlich wer-
den und dienen will, angelegen seyn lasse, nicht
nur etwan bloß einen Zwey-Züngler, sondern
gar einen Viel-Züngler abzugeben.

§. 7.

Dem Zweck aber näher zu treten, so die-
net zur Nachricht, daß in denen von uns entlegen-
sten Zeiten, beständig gebräuchlich gewesen, daß
einer der da publiquement mit einem Frembden
reden wollen oder sollen, sich bey der Audientz und
Conferentz, seiner Mutter-Sprache bedienet, der

an-

Europaͤiſches
wenigſten die Europaͤiſchen Potentaten ſich mit
einander beredeten, und ſchluͤßig wuͤrden, einerley
Redens-Art und Zunge in ihren Reichen einzu-
fuͤhren; allein es iſt auch ſo gleich Kummer vorge-
fallen, welche Sprache man den uͤbrigen vorzie-
hen, und zu der allgemeinen Sprache wehlen ſolle;
und hat ſich bey dieſem projectireten Vergleich,
auch zugleich ein Streit uͤber der Prærogativa
linguarum
ereignet: welche dem guten Vor-
ſchlage hinderlich geweſen, und auch wohl bleiben
wird; maſſen die Vielheit und Unterſcheid der
Sprachen ein Werck GOttes, und Menſchen
Rath wieder denſelben kein nuͤtze ſeyn kan.

§. 6.

Jſt demnach das ſicherſte und beſte Mit-
tel, daß man aus der Noth eine Tugend, und aus
der Straffe eine Gelehrſamkeit mache: und ſich,
daſern man zu einer profonden Erudition gelan-
gen, ſich in der Welt umbſehen, mit fremden Na-
tionen negotiren, und ſonderlich groſſen Poten-
taten in auswaͤrtigen Verrichtungen nuͤtzlich wer-
den und dienen will, angelegen ſeyn laſſe, nicht
nur etwan bloß einen Zwey-Zuͤngler, ſondern
gar einen Viel-Zuͤngler abzugeben.

§. 7.

Dem Zweck aber naͤher zu treten, ſo die-
net zur Nachricht, daß in denen von uns entlegen-
ſten Zeiten, beſtaͤndig gebraͤuchlich geweſen, daß
einer der da publiquement mit einem Frembden
reden wollen oder ſollen, ſich bey der Audientz und
Conferentz, ſeiner Mutter-Sprache bedienet, der

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[342/0370] Europaͤiſches wenigſten die Europaͤiſchen Potentaten ſich mit einander beredeten, und ſchluͤßig wuͤrden, einerley Redens-Art und Zunge in ihren Reichen einzu- fuͤhren; allein es iſt auch ſo gleich Kummer vorge- fallen, welche Sprache man den uͤbrigen vorzie- hen, und zu der allgemeinen Sprache wehlen ſolle; und hat ſich bey dieſem projectireten Vergleich, auch zugleich ein Streit uͤber der Prærogativa linguarum ereignet: welche dem guten Vor- ſchlage hinderlich geweſen, und auch wohl bleiben wird; maſſen die Vielheit und Unterſcheid der Sprachen ein Werck GOttes, und Menſchen Rath wieder denſelben kein nuͤtze ſeyn kan. §. 6. Jſt demnach das ſicherſte und beſte Mit- tel, daß man aus der Noth eine Tugend, und aus der Straffe eine Gelehrſamkeit mache: und ſich, daſern man zu einer profonden Erudition gelan- gen, ſich in der Welt umbſehen, mit fremden Na- tionen negotiren, und ſonderlich groſſen Poten- taten in auswaͤrtigen Verrichtungen nuͤtzlich wer- den und dienen will, angelegen ſeyn laſſe, nicht nur etwan bloß einen Zwey-Zuͤngler, ſondern gar einen Viel-Zuͤngler abzugeben. §. 7. Dem Zweck aber naͤher zu treten, ſo die- net zur Nachricht, daß in denen von uns entlegen- ſten Zeiten, beſtaͤndig gebraͤuchlich geweſen, daß einer der da publiquement mit einem Frembden reden wollen oder ſollen, ſich bey der Audientz und Conferentz, ſeiner Mutter-Sprache bedienet, der an-

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Zitationshilfe: Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/370>, abgerufen am 24.05.2024.