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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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mer bereitet, sie hat mir hohen Tadel zugezogen; aber
sie hat mir auch Achtung und Anerkennung einge¬
bracht. Wenn meine Meinung angenommen und ins
Werk gesezt worden war, so hatte die neue Ordnung
der Dinge, weil sie auf das Wesentliche ihrer Natur
gegründet war, Bestand, sie brachte in so ferne, weil
wir vor erneuerten Unordnungen also vor wiederhol¬
ter Kraftanstrengung geschüzt waren, unserem Staate
einen größeren Nuzen, als wenn wir früher den ein¬
seitigen angestrebt hätten, und ich erhielt Ehrenzeichen
Lob und Beförderung. Wenn ich in jenen Tagen der
schweren Arbeit eine Ruhezeit hatte, und auf einer
kleinen Reise die erhabene Gestalt eines Berges sah
oder eine Hügelreihe sich thürmender Wolken oder die
blauen Augen eines freundlichen Landmädchens oder
den schlanken Körper eines Jünglings auf einem schö¬
nen Pferde -- oder wenn ich auch nur in meinem
Zimmer vor meinen Gemälden stand, deren ich da¬
mals schon manche sammelte, oder vor einer kleinen
Bildsäule: so verbreitete sich eine Ruhe und ein
Wohlbehagen über mein Inneres, als wäre es in
seine Ordnung gerückt worden. Wenn ein künstleri¬
sches Gestaltungsvermögen in mir war, so war es das
eines Baumeisters oder eines Bildhauers oder auch noch

mer bereitet, ſie hat mir hohen Tadel zugezogen; aber
ſie hat mir auch Achtung und Anerkennung einge¬
bracht. Wenn meine Meinung angenommen und ins
Werk geſezt worden war, ſo hatte die neue Ordnung
der Dinge, weil ſie auf das Weſentliche ihrer Natur
gegründet war, Beſtand, ſie brachte in ſo ferne, weil
wir vor erneuerten Unordnungen alſo vor wiederhol¬
ter Kraftanſtrengung geſchüzt waren, unſerem Staate
einen größeren Nuzen, als wenn wir früher den ein¬
ſeitigen angeſtrebt hätten, und ich erhielt Ehrenzeichen
Lob und Beförderung. Wenn ich in jenen Tagen der
ſchweren Arbeit eine Ruhezeit hatte, und auf einer
kleinen Reiſe die erhabene Geſtalt eines Berges ſah
oder eine Hügelreihe ſich thürmender Wolken oder die
blauen Augen eines freundlichen Landmädchens oder
den ſchlanken Körper eines Jünglings auf einem ſchö¬
nen Pferde — oder wenn ich auch nur in meinem
Zimmer vor meinen Gemälden ſtand, deren ich da¬
mals ſchon manche ſammelte, oder vor einer kleinen
Bildſäule: ſo verbreitete ſich eine Ruhe und ein
Wohlbehagen über mein Inneres, als wäre es in
ſeine Ordnung gerückt worden. Wenn ein künſtleri¬
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[222/0236] mer bereitet, ſie hat mir hohen Tadel zugezogen; aber ſie hat mir auch Achtung und Anerkennung einge¬ bracht. Wenn meine Meinung angenommen und ins Werk geſezt worden war, ſo hatte die neue Ordnung der Dinge, weil ſie auf das Weſentliche ihrer Natur gegründet war, Beſtand, ſie brachte in ſo ferne, weil wir vor erneuerten Unordnungen alſo vor wiederhol¬ ter Kraftanſtrengung geſchüzt waren, unſerem Staate einen größeren Nuzen, als wenn wir früher den ein¬ ſeitigen angeſtrebt hätten, und ich erhielt Ehrenzeichen Lob und Beförderung. Wenn ich in jenen Tagen der ſchweren Arbeit eine Ruhezeit hatte, und auf einer kleinen Reiſe die erhabene Geſtalt eines Berges ſah oder eine Hügelreihe ſich thürmender Wolken oder die blauen Augen eines freundlichen Landmädchens oder den ſchlanken Körper eines Jünglings auf einem ſchö¬ nen Pferde — oder wenn ich auch nur in meinem Zimmer vor meinen Gemälden ſtand, deren ich da¬ mals ſchon manche ſammelte, oder vor einer kleinen Bildſäule: ſo verbreitete ſich eine Ruhe und ein Wohlbehagen über mein Inneres, als wäre es in ſeine Ordnung gerückt worden. Wenn ein künſtleri¬ ſches Geſtaltungsvermögen in mir war, ſo war es das eines Baumeiſters oder eines Bildhauers oder auch noch

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/236>, abgerufen am 29.04.2024.