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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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aber doch das zum Bestehen Nöthige hatte. Es war
an der Anstalt Sitte, daß die Knaben in den höheren
Abtheilungen denen in den niedreren außerordentlichen
Unterricht ertheilten, und dafür ein Entgelt bekamen.
Da ich einer der besten Schüler war, so wurden mir
in meinem vierten Lehrjahre schon einige Knaben zum
Unterrichten zugetheilt, und ich konnte der Mutter die
Auslagen für mich erleichtern. Nach zwei Jahren
erwarb ich mir bereits so viel, daß ich meinen ganzen
Unterhalt selbst bestreiten konnte. Jede Jahresferien
brachte ich bei der Mutter und Schwester in dem
weißen Hause zu. Von dem Antreten des Hauses
als Erbschaft war nun keine Rede mehr. Ich dachte,
ich werde mir durch meine Kenntnisse eine Stellung
verschaffen, und das Haus und den Grundbesiz
einmal als Nothpfennig der Schwester überlassen.
So war die Zeit heran gekommen, in welcher ich
mich für einen Lebensberuf entscheiden mußte. Die
damals übliche Vorbereitungsschule, die ich eben zu¬
rückgelegt hatte, führte nur zu einigen Lebensstellun¬
gen, und machte zu andern eher untauglich als taug¬
lich. Ich entschloß mich für den Staatsdienst, weil
mir die andern Stufen, zu denen ich von meinen jezi¬
gen Kenntnissen emporsteigen konnte, noch weniger

aber doch das zum Beſtehen Nöthige hatte. Es war
an der Anſtalt Sitte, daß die Knaben in den höheren
Abtheilungen denen in den niedreren außerordentlichen
Unterricht ertheilten, und dafür ein Entgelt bekamen.
Da ich einer der beſten Schüler war, ſo wurden mir
in meinem vierten Lehrjahre ſchon einige Knaben zum
Unterrichten zugetheilt, und ich konnte der Mutter die
Auslagen für mich erleichtern. Nach zwei Jahren
erwarb ich mir bereits ſo viel, daß ich meinen ganzen
Unterhalt ſelbſt beſtreiten konnte. Jede Jahresferien
brachte ich bei der Mutter und Schweſter in dem
weißen Hauſe zu. Von dem Antreten des Hauſes
als Erbſchaft war nun keine Rede mehr. Ich dachte,
ich werde mir durch meine Kenntniſſe eine Stellung
verſchaffen, und das Haus und den Grundbeſiz
einmal als Nothpfennig der Schweſter überlaſſen.
So war die Zeit heran gekommen, in welcher ich
mich für einen Lebensberuf entſcheiden mußte. Die
damals übliche Vorbereitungsſchule, die ich eben zu¬
rückgelegt hatte, führte nur zu einigen Lebensſtellun¬
gen, und machte zu andern eher untauglich als taug¬
lich. Ich entſchloß mich für den Staatsdienſt, weil
mir die andern Stufen, zu denen ich von meinen jezi¬
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[232/0246] aber doch das zum Beſtehen Nöthige hatte. Es war an der Anſtalt Sitte, daß die Knaben in den höheren Abtheilungen denen in den niedreren außerordentlichen Unterricht ertheilten, und dafür ein Entgelt bekamen. Da ich einer der beſten Schüler war, ſo wurden mir in meinem vierten Lehrjahre ſchon einige Knaben zum Unterrichten zugetheilt, und ich konnte der Mutter die Auslagen für mich erleichtern. Nach zwei Jahren erwarb ich mir bereits ſo viel, daß ich meinen ganzen Unterhalt ſelbſt beſtreiten konnte. Jede Jahresferien brachte ich bei der Mutter und Schweſter in dem weißen Hauſe zu. Von dem Antreten des Hauſes als Erbſchaft war nun keine Rede mehr. Ich dachte, ich werde mir durch meine Kenntniſſe eine Stellung verſchaffen, und das Haus und den Grundbeſiz einmal als Nothpfennig der Schweſter überlaſſen. So war die Zeit heran gekommen, in welcher ich mich für einen Lebensberuf entſcheiden mußte. Die damals übliche Vorbereitungsſchule, die ich eben zu¬ rückgelegt hatte, führte nur zu einigen Lebensſtellun¬ gen, und machte zu andern eher untauglich als taug¬ lich. Ich entſchloß mich für den Staatsdienſt, weil mir die andern Stufen, zu denen ich von meinen jezi¬ gen Kenntniſſen emporſteigen konnte, noch weniger

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/246>, abgerufen am 29.04.2024.