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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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gen, ließ neue Thränen nicht mehr hervorquellen,
richtete sich empor, strich sich die Haare ein wenig
zurecht, und sagte: ""Gehen wir in das Haus.""

"Sie richtete sich mit diesen Worten zum Gehen
gegen den Weinlaubengang, und ich ging neben ihr.
Das Blut an meiner Hand konnte sie nicht sehen.
Ich unternahm es nicht mehr, sie zu trösten, ich sah,
daß ihre Verfassung dafür nicht empfänglich war.
Auch erkannte ich, daß sie im Zorne gegen mich ihren
Schmerz leichter ertrage, als wenn dieser Zorn nicht
gewesen wäre. Wir gingen schweigend in das Haus.
Dort gingen wir in das Zimmer der Mutter. Ma¬
thilde warf sich ihrer Mutter an das Herz. Ich küßte
der Frau die Hand, und entfernte mich."

"Den ganzen übrigen Theil des Tages verbrachte
ich damit, meine Habe zu packen, um morgen dieses
Haus verlassen zu können. Mathildens Vater besuchte
mich einmal, und sagte: ""Kränket euch nicht zu sehr,
es wird vielleicht noch alles gut.""

"Im Übrigen waren seine Gründe, die er freund¬
lich und sanft sagte, die nehmlichen wie die seiner
Gattin. Auch Mathildens Mutter kam einmal zu mir
herüber, lächelte trübsinnig bei meinem Treiben, und
gab mir die Hand. Meine Hoffnungen waren düste¬

gen, ließ neue Thränen nicht mehr hervorquellen,
richtete ſich empor, ſtrich ſich die Haare ein wenig
zurecht, und ſagte: „„Gehen wir in das Haus.““

„Sie richtete ſich mit dieſen Worten zum Gehen
gegen den Weinlaubengang, und ich ging neben ihr.
Das Blut an meiner Hand konnte ſie nicht ſehen.
Ich unternahm es nicht mehr, ſie zu tröſten, ich ſah,
daß ihre Verfaſſung dafür nicht empfänglich war.
Auch erkannte ich, daß ſie im Zorne gegen mich ihren
Schmerz leichter ertrage, als wenn dieſer Zorn nicht
geweſen wäre. Wir gingen ſchweigend in das Haus.
Dort gingen wir in das Zimmer der Mutter. Ma¬
thilde warf ſich ihrer Mutter an das Herz. Ich küßte
der Frau die Hand, und entfernte mich.“

„Den ganzen übrigen Theil des Tages verbrachte
ich damit, meine Habe zu packen, um morgen dieſes
Haus verlaſſen zu können. Mathildens Vater beſuchte
mich einmal, und ſagte: „„Kränket euch nicht zu ſehr,
es wird vielleicht noch alles gut.““

„Im Übrigen waren ſeine Gründe, die er freund¬
lich und ſanft ſagte, die nehmlichen wie die ſeiner
Gattin. Auch Mathildens Mutter kam einmal zu mir
herüber, lächelte trübſinnig bei meinem Treiben, und
gab mir die Hand. Meine Hoffnungen waren düſte¬

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[326/0340] gen, ließ neue Thränen nicht mehr hervorquellen, richtete ſich empor, ſtrich ſich die Haare ein wenig zurecht, und ſagte: „„Gehen wir in das Haus.““ „Sie richtete ſich mit dieſen Worten zum Gehen gegen den Weinlaubengang, und ich ging neben ihr. Das Blut an meiner Hand konnte ſie nicht ſehen. Ich unternahm es nicht mehr, ſie zu tröſten, ich ſah, daß ihre Verfaſſung dafür nicht empfänglich war. Auch erkannte ich, daß ſie im Zorne gegen mich ihren Schmerz leichter ertrage, als wenn dieſer Zorn nicht geweſen wäre. Wir gingen ſchweigend in das Haus. Dort gingen wir in das Zimmer der Mutter. Ma¬ thilde warf ſich ihrer Mutter an das Herz. Ich küßte der Frau die Hand, und entfernte mich.“ „Den ganzen übrigen Theil des Tages verbrachte ich damit, meine Habe zu packen, um morgen dieſes Haus verlaſſen zu können. Mathildens Vater beſuchte mich einmal, und ſagte: „„Kränket euch nicht zu ſehr, es wird vielleicht noch alles gut.““ „Im Übrigen waren ſeine Gründe, die er freund¬ lich und ſanft ſagte, die nehmlichen wie die ſeiner Gattin. Auch Mathildens Mutter kam einmal zu mir herüber, lächelte trübſinnig bei meinem Treiben, und gab mir die Hand. Meine Hoffnungen waren düſte¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/340>, abgerufen am 28.04.2024.