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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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worden, von Mathilden Abschied nehmen zu dürfen.
Sie weigerte sich aber, mich zu sehen. Ich ging da¬
her in meine Wohnung, reichte dem alten Raimund
die Hand, und sagte: ""Lebe wohl Raimund.""

""Lebt recht wohl, junger Herr,"" antwortete er,
""und seid recht glücklich.""

""Du weißt nicht Raimund!""

""Ich weiß, ich weiß, junger Herr -- es kann ja
werden.""

""Lebe wohl.""

"Ich ging nun die Treppe hinab, er begleitete
mich. Unten bei dem Wagen stand der Herr und die
Frau des Hauses und mehrere von den Dienstleuten.
Auch vom Meierhofe waren Leute herbei gekommen.
Alfred, der spät entschlummert war, schlief noch; die
Besizer des Hauses nahmen auf eine auszeichnende
Weise von mir Abschied, die Umstehenden beurlaubten
sich auch, wünschten mir Glück und eine fröhliche
Wiederkehr. Ich bestieg den Wagen, und fuhr von
Heinbach dahin."

"Der Besizer dieses Hauses hatte mir einmal ge¬
sagt: ""Vielleicht verlasset ihr einst unser Haus nicht
mit Reue und Schmerz.""

"Ich verließ es nicht mit Reue, aber mit Schmerz."

worden, von Mathilden Abſchied nehmen zu dürfen.
Sie weigerte ſich aber, mich zu ſehen. Ich ging da¬
her in meine Wohnung, reichte dem alten Raimund
die Hand, und ſagte: „„Lebe wohl Raimund.““

„„Lebt recht wohl, junger Herr,““ antwortete er,
„„und ſeid recht glücklich.““

„„Du weißt nicht Raimund!““

„„Ich weiß, ich weiß, junger Herr — es kann ja
werden.““

„„Lebe wohl.““

„Ich ging nun die Treppe hinab, er begleitete
mich. Unten bei dem Wagen ſtand der Herr und die
Frau des Hauſes und mehrere von den Dienſtleuten.
Auch vom Meierhofe waren Leute herbei gekommen.
Alfred, der ſpät entſchlummert war, ſchlief noch; die
Beſizer des Hauſes nahmen auf eine auszeichnende
Weiſe von mir Abſchied, die Umſtehenden beurlaubten
ſich auch, wünſchten mir Glück und eine fröhliche
Wiederkehr. Ich beſtieg den Wagen, und fuhr von
Heinbach dahin.“

„Der Beſizer dieſes Hauſes hatte mir einmal ge¬
ſagt: „„Vielleicht verlaſſet ihr einſt unſer Haus nicht
mit Reue und Schmerz.““

„Ich verließ es nicht mit Reue, aber mit Schmerz.“

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[328/0342] worden, von Mathilden Abſchied nehmen zu dürfen. Sie weigerte ſich aber, mich zu ſehen. Ich ging da¬ her in meine Wohnung, reichte dem alten Raimund die Hand, und ſagte: „„Lebe wohl Raimund.““ „„Lebt recht wohl, junger Herr,““ antwortete er, „„und ſeid recht glücklich.““ „„Du weißt nicht Raimund!““ „„Ich weiß, ich weiß, junger Herr — es kann ja werden.““ „„Lebe wohl.““ „Ich ging nun die Treppe hinab, er begleitete mich. Unten bei dem Wagen ſtand der Herr und die Frau des Hauſes und mehrere von den Dienſtleuten. Auch vom Meierhofe waren Leute herbei gekommen. Alfred, der ſpät entſchlummert war, ſchlief noch; die Beſizer des Hauſes nahmen auf eine auszeichnende Weiſe von mir Abſchied, die Umſtehenden beurlaubten ſich auch, wünſchten mir Glück und eine fröhliche Wiederkehr. Ich beſtieg den Wagen, und fuhr von Heinbach dahin.“ „Der Beſizer dieſes Hauſes hatte mir einmal ge¬ ſagt: „„Vielleicht verlaſſet ihr einſt unſer Haus nicht mit Reue und Schmerz.““ „Ich verließ es nicht mit Reue, aber mit Schmerz.“

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/342>, abgerufen am 29.04.2024.