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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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Das braune Mädchen war in der Nähe der Stelle,
auf welcher sie gesessen waren, hin und her gegangen.
Es hatte unter manche Haselbüsche hinein gesehen,
es hatte unter Wurzelgeflechte geblikt, oder in kleine
Erdhöhlungen geschaut.

Die Wolken hatten nach und nach die Sonne
verschlungen. Die vielen Haseln auf dem Berge lagen
im Schatten, die anstoßende Gegend war im Schat¬
ten, und nur noch die fernen Stoppeln gegen Morgen
waren beleuchtet und schimmerten.

"Ich weiß nicht, liebe Kinder," sagte die Gro߬
mutter, "ob es nun auch wirklich wahr ist, was meine
Mutter oft erzählt hat, daß die heilige Mutter Ma¬
ria, als sie zu ihrer Base Elisabeth über das Gebirge
ging, unter einer Haselstaude untergestanden sei, und
daß deßhalb der Bliz niemals in eine Haselstaude
schlage; aber wir wollen uns doch eine dichte Hasel¬
staude suchen, deren Zweige gegen Morgen hängen,
und ein Überdach bilden, und deren Stämme gegen
Abend stehen, und den von daher kommenden Regen
abhalten. Unter derselben wollen wir sizen, so lange der
Regen dauert, daß er uns nicht so schaden kann, und daß
wir nicht zu naß werden. Dann gehen wir nach Hause."

"Ja, so thun wir, Großmutter," riefen die Kin¬
der, "so thun wir."

Das braune Mädchen war in der Nähe der Stelle,
auf welcher ſie geſeſſen waren, hin und her gegangen.
Es hatte unter manche Haſelbüſche hinein geſehen,
es hatte unter Wurzelgeflechte geblikt, oder in kleine
Erdhöhlungen geſchaut.

Die Wolken hatten nach und nach die Sonne
verſchlungen. Die vielen Haſeln auf dem Berge lagen
im Schatten, die anſtoßende Gegend war im Schat¬
ten, und nur noch die fernen Stoppeln gegen Morgen
waren beleuchtet und ſchimmerten.

„Ich weiß nicht, liebe Kinder,“ ſagte die Gro߬
mutter, „ob es nun auch wirklich wahr iſt, was meine
Mutter oft erzählt hat, daß die heilige Mutter Ma¬
ria, als ſie zu ihrer Baſe Eliſabeth über das Gebirge
ging, unter einer Haſelſtaude untergeſtanden ſei, und
daß deßhalb der Bliz niemals in eine Haſelſtaude
ſchlage; aber wir wollen uns doch eine dichte Haſel¬
ſtaude ſuchen, deren Zweige gegen Morgen hängen,
und ein Überdach bilden, und deren Stämme gegen
Abend ſtehen, und den von daher kommenden Regen
abhalten. Unter derſelben wollen wir ſizen, ſo lange der
Regen dauert, daß er uns nicht ſo ſchaden kann, und daß
wir nicht zu naß werden. Dann gehen wir nach Hauſe.“

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der, „ſo thun wir.“

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[125/0136] Das braune Mädchen war in der Nähe der Stelle, auf welcher ſie geſeſſen waren, hin und her gegangen. Es hatte unter manche Haſelbüſche hinein geſehen, es hatte unter Wurzelgeflechte geblikt, oder in kleine Erdhöhlungen geſchaut. Die Wolken hatten nach und nach die Sonne verſchlungen. Die vielen Haſeln auf dem Berge lagen im Schatten, die anſtoßende Gegend war im Schat¬ ten, und nur noch die fernen Stoppeln gegen Morgen waren beleuchtet und ſchimmerten. „Ich weiß nicht, liebe Kinder,“ ſagte die Gro߬ mutter, „ob es nun auch wirklich wahr iſt, was meine Mutter oft erzählt hat, daß die heilige Mutter Ma¬ ria, als ſie zu ihrer Baſe Eliſabeth über das Gebirge ging, unter einer Haſelſtaude untergeſtanden ſei, und daß deßhalb der Bliz niemals in eine Haſelſtaude ſchlage; aber wir wollen uns doch eine dichte Haſel¬ ſtaude ſuchen, deren Zweige gegen Morgen hängen, und ein Überdach bilden, und deren Stämme gegen Abend ſtehen, und den von daher kommenden Regen abhalten. Unter derſelben wollen wir ſizen, ſo lange der Regen dauert, daß er uns nicht ſo ſchaden kann, und daß wir nicht zu naß werden. Dann gehen wir nach Hauſe.“ „Ja, ſo thun wir, Großmutter,“ riefen die Kin¬ der, „ſo thun wir.“

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/136>, abgerufen am 02.05.2024.