Du: Jeder ist sich selbst der Nächste! Wie willst Du also zum Genuß jener Speisen und Betten kommen? Doch wohl nicht anders, als wenn Du sie zu deinem Eigenthum machst!
Du willst, wenn Du es recht bedenkst, nicht die Freiheit, alle diese schönen Sachen zu haben, denn mit der Freiheit dazu hast Du sie noch nicht; Du willst sie wirklich haben, willst sie dein nennen und als dein Eigenthum besitzen. Was nützt Dir auch eine Freiheit, wenn sie nichts einbringt? Und würdest Du von allem frei, so hättest Du eben nichts mehr; denn die Freiheit ist inhaltsleer. Wer sie nicht zu benutzen weiß, für den hat sie keinen Werth, diese unnütze Erlaubniß; wie Ich sie aber benutze, das hängt von meiner Eigenheit ab.
Ich habe gegen die Freiheit nichts einzuwenden, aber Ich wünsche Dir mehr als Freiheit; Du müßtest nicht bloß los sein, was Du nicht willst, Du müßtest auch haben, was Du willst, Du müßtest nicht nur ein "Freier", Du müßtest auch ein "Eigner" sein.
Frei -- wovon? O was läßt sich nicht alles abschüt¬ teln! Das Joch der Leibeigenschaft, der Oberherrlichkeit, der Aristokratie und Fürsten, die Herrschaft der Begierden und Lei¬ denschaften: ja selbst die Herrschaft des eigenen Willens, des Eigenwillens, die vollkommenste Selbstverleugnung ist ja nichts als Freiheit, Freiheit nämlich von der Selbstbestimmung, vom eigenen Selbst, und der Drang nach Freiheit als nach etwas Absolutem, jedes Preises Würdigem, brachte Uns um die Ei¬ genheit: er schuf die Selbstverleugnung. Je freier Ich indeß werde, desto mehr Zwang thürmt sich vor meinen Augen auf, desto ohnmächtiger fühle Ich Mich. Der unfreie Sohn der Wildniß empfindet noch nichts von all' den Schranken, die einen gebildeten Menschen bedrängen: er dünkt sich freier als
Du: Jeder iſt ſich ſelbſt der Nächſte! Wie willſt Du alſo zum Genuß jener Speiſen und Betten kommen? Doch wohl nicht anders, als wenn Du ſie zu deinem Eigenthum machſt!
Du willſt, wenn Du es recht bedenkſt, nicht die Freiheit, alle dieſe ſchönen Sachen zu haben, denn mit der Freiheit dazu haſt Du ſie noch nicht; Du willſt ſie wirklich haben, willſt ſie dein nennen und als dein Eigenthum beſitzen. Was nützt Dir auch eine Freiheit, wenn ſie nichts einbringt? Und würdeſt Du von allem frei, ſo hätteſt Du eben nichts mehr; denn die Freiheit iſt inhaltsleer. Wer ſie nicht zu benutzen weiß, für den hat ſie keinen Werth, dieſe unnütze Erlaubniß; wie Ich ſie aber benutze, das hängt von meiner Eigenheit ab.
Ich habe gegen die Freiheit nichts einzuwenden, aber Ich wünſche Dir mehr als Freiheit; Du müßteſt nicht bloß los ſein, was Du nicht willſt, Du müßteſt auch haben, was Du willſt, Du müßteſt nicht nur ein „Freier“, Du müßteſt auch ein „Eigner“ ſein.
Frei — wovon? O was läßt ſich nicht alles abſchüt¬ teln! Das Joch der Leibeigenſchaft, der Oberherrlichkeit, der Ariſtokratie und Fürſten, die Herrſchaft der Begierden und Lei¬ denſchaften: ja ſelbſt die Herrſchaft des eigenen Willens, des Eigenwillens, die vollkommenſte Selbſtverleugnung iſt ja nichts als Freiheit, Freiheit nämlich von der Selbſtbeſtimmung, vom eigenen Selbſt, und der Drang nach Freiheit als nach etwas Abſolutem, jedes Preiſes Würdigem, brachte Uns um die Ei¬ genheit: er ſchuf die Selbſtverleugnung. Je freier Ich indeß werde, deſto mehr Zwang thürmt ſich vor meinen Augen auf, deſto ohnmächtiger fühle Ich Mich. Der unfreie Sohn der Wildniß empfindet noch nichts von all' den Schranken, die einen gebildeten Menſchen bedrängen: er dünkt ſich freier als
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Du: Jeder iſt ſich ſelbſt der Nächſte! Wie willſt Du alſo
zum Genuß jener Speiſen und Betten kommen? Doch wohl
nicht anders, als wenn Du ſie zu deinem Eigenthum machſt!
Du willſt, wenn Du es recht bedenkſt, nicht die Freiheit,
alle dieſe ſchönen Sachen zu haben, denn mit der Freiheit dazu
haſt Du ſie noch nicht; Du willſt ſie wirklich haben, willſt
ſie dein nennen und als dein Eigenthum beſitzen. Was
nützt Dir auch eine Freiheit, wenn ſie nichts einbringt? Und
würdeſt Du von allem frei, ſo hätteſt Du eben nichts mehr;
denn die Freiheit iſt inhaltsleer. Wer ſie nicht zu benutzen
weiß, für den hat ſie keinen Werth, dieſe unnütze Erlaubniß;
wie Ich ſie aber benutze, das hängt von meiner Eigenheit ab.
Ich habe gegen die Freiheit nichts einzuwenden, aber Ich
wünſche Dir mehr als Freiheit; Du müßteſt nicht bloß los
ſein, was Du nicht willſt, Du müßteſt auch haben, was
Du willſt, Du müßteſt nicht nur ein „Freier“, Du müßteſt
auch ein „Eigner“ ſein.
Frei — wovon? O was läßt ſich nicht alles abſchüt¬
teln! Das Joch der Leibeigenſchaft, der Oberherrlichkeit, der
Ariſtokratie und Fürſten, die Herrſchaft der Begierden und Lei¬
denſchaften: ja ſelbſt die Herrſchaft des eigenen Willens, des
Eigenwillens, die vollkommenſte Selbſtverleugnung iſt ja nichts
als Freiheit, Freiheit nämlich von der Selbſtbeſtimmung, vom
eigenen Selbſt, und der Drang nach Freiheit als nach etwas
Abſolutem, jedes Preiſes Würdigem, brachte Uns um die Ei¬
genheit: er ſchuf die Selbſtverleugnung. Je freier Ich indeß
werde, deſto mehr Zwang thürmt ſich vor meinen Augen auf,
deſto ohnmächtiger fühle Ich Mich. Der unfreie Sohn der
Wildniß empfindet noch nichts von all' den Schranken, die
einen gebildeten Menſchen bedrängen: er dünkt ſich freier als
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/213>, abgerufen am 10.12.2024.
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