nütziges Interesse. Vergleicht doch einmal einen Mann mit einem Jünglinge, ob er Euch nicht härter, ungroßmüthiger, eigennütziger erscheinen wird. Ist er darum schlechter? Ihr sagt Nein, er sei nur bestimmter, oder, wie Ihr's auch nennt, "praktischer" geworden. Hauptsache jedoch ist dieß, daß er sich mehr zum Mittelpunkte macht, als der Jüngling, der für Anderes, z. B. Gott, Vaterland und dergl. "schwärmt".
Darum zeigt der Mann eine zweite Selbstfindung. Der Jüngling fand sich als Geist und verlor sich wieder an den allgemeinen Geist, den vollkommenen, heiligen Geist, den Menschen, die Menschheit, kurz alle Ideale; der Mann findet sich als leibhaftigen Geist.
Knaben hatten nur ungeistige, d. h. gedankenlose und ideenlose, Jünglinge nur geistige Interessen; der Mann hat leibhaftige, persönliche, egoistische Interessen.
Wenn das Kind nicht einen Gegenstand hat, mit wel¬ chem es sich beschäftigen kann, so fühlt es Langeweile: denn mit sich weiß es sich noch nicht zu beschäftigen. Umgekehrt wirft der Jüngling den Gegenstand auf die Seite, weil ihm Gedanken aus dem Gegenstande aufgingen: er beschäftigt sich mit seinen Gedanken, seinen Träumen, beschäftigt sich gei¬ stig oder "sein Geist ist beschäftigt".
Alles nicht Geistige befaßt der junge Mensch unter dem verächtlichen Namen der "Aeußerlichkeiten". Wenn er gleich¬ wohl an den kleinlichsten Aeußerlichkeiten haftet (z. B. Bur¬ schikosen und andern Formalitäten), so geschieht es, weil und wenn er in ihnen Geist entdeckt, d. h. wenn sie ihm Sym¬ bole sind.
Wie Ich Mich hinter den Dingen finde, und zwar als Geist, so muß Ich Mich später auch hinter den Gedan¬
2 *
nütziges Intereſſe. Vergleicht doch einmal einen Mann mit einem Jünglinge, ob er Euch nicht härter, ungroßmüthiger, eigennütziger erſcheinen wird. Iſt er darum ſchlechter? Ihr ſagt Nein, er ſei nur beſtimmter, oder, wie Ihr's auch nennt, „praktiſcher“ geworden. Hauptſache jedoch iſt dieß, daß er ſich mehr zum Mittelpunkte macht, als der Jüngling, der für Anderes, z. B. Gott, Vaterland und dergl. „ſchwärmt“.
Darum zeigt der Mann eine zweite Selbſtfindung. Der Jüngling fand ſich als Geiſt und verlor ſich wieder an den allgemeinen Geiſt, den vollkommenen, heiligen Geiſt, den Menſchen, die Menſchheit, kurz alle Ideale; der Mann findet ſich als leibhaftigen Geiſt.
Knaben hatten nur ungeiſtige, d. h. gedankenloſe und ideenloſe, Jünglinge nur geiſtige Intereſſen; der Mann hat leibhaftige, perſönliche, egoiſtiſche Intereſſen.
Wenn das Kind nicht einen Gegenſtand hat, mit wel¬ chem es ſich beſchäftigen kann, ſo fühlt es Langeweile: denn mit ſich weiß es ſich noch nicht zu beſchäftigen. Umgekehrt wirft der Jüngling den Gegenſtand auf die Seite, weil ihm Gedanken aus dem Gegenſtande aufgingen: er beſchäftigt ſich mit ſeinen Gedanken, ſeinen Träumen, beſchäftigt ſich gei¬ ſtig oder „ſein Geiſt iſt beſchäftigt“.
Alles nicht Geiſtige befaßt der junge Menſch unter dem verächtlichen Namen der „Aeußerlichkeiten“. Wenn er gleich¬ wohl an den kleinlichſten Aeußerlichkeiten haftet (z. B. Bur¬ ſchikoſen und andern Formalitäten), ſo geſchieht es, weil und wenn er in ihnen Geiſt entdeckt, d. h. wenn ſie ihm Sym¬ bole ſind.
Wie Ich Mich hinter den Dingen finde, und zwar als Geiſt, ſo muß Ich Mich ſpäter auch hinter den Gedan¬
2 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0027"n="19"/>
nütziges</hi> Intereſſe. Vergleicht doch einmal einen Mann mit<lb/>
einem Jünglinge, ob er Euch nicht härter, ungroßmüthiger,<lb/>
eigennütziger erſcheinen wird. Iſt er darum ſchlechter? Ihr<lb/>ſagt Nein, er ſei nur beſtimmter, oder, wie Ihr's auch nennt,<lb/>„praktiſcher“ geworden. Hauptſache jedoch iſt dieß, daß er<lb/><hirendition="#g">ſich</hi> mehr zum Mittelpunkte macht, als der Jüngling, der für<lb/>
Anderes, z. B. Gott, Vaterland und dergl. „ſchwärmt“.</p><lb/><p>Darum zeigt der Mann eine <hirendition="#g">zweite</hi> Selbſtfindung. Der<lb/>
Jüngling fand ſich als <hirendition="#g">Geiſt</hi> und verlor ſich wieder an den<lb/><hirendition="#g">allgemeinen</hi> Geiſt, den vollkommenen, heiligen Geiſt, <hirendition="#g">den</hi><lb/>
Menſchen, die Menſchheit, kurz alle Ideale; der Mann findet<lb/>ſich als <hirendition="#g">leibhaftigen</hi> Geiſt.</p><lb/><p>Knaben hatten nur <hirendition="#g">ungeiſtige</hi>, d. h. gedankenloſe und<lb/>
ideenloſe, Jünglinge nur <hirendition="#g">geiſtige</hi> Intereſſen; der Mann hat<lb/>
leibhaftige, perſönliche, egoiſtiſche Intereſſen.</p><lb/><p>Wenn das Kind nicht einen <hirendition="#g">Gegenſtand</hi> hat, mit wel¬<lb/>
chem es ſich beſchäftigen kann, ſo fühlt es Langeweile: denn<lb/>
mit <hirendition="#g">ſich</hi> weiß es ſich noch nicht zu beſchäftigen. Umgekehrt<lb/>
wirft der Jüngling den Gegenſtand auf die Seite, weil ihm<lb/><hirendition="#g">Gedanken</hi> aus dem Gegenſtande aufgingen: er beſchäftigt<lb/>ſich mit ſeinen Gedanken, ſeinen Träumen, beſchäftigt ſich gei¬<lb/>ſtig oder „ſein Geiſt iſt beſchäftigt“.</p><lb/><p>Alles nicht Geiſtige befaßt der junge Menſch unter dem<lb/>
verächtlichen Namen der „Aeußerlichkeiten“. Wenn er gleich¬<lb/>
wohl an den kleinlichſten Aeußerlichkeiten haftet (z. B. Bur¬<lb/>ſchikoſen und andern Formalitäten), ſo geſchieht es, weil und<lb/>
wenn er in ihnen <hirendition="#g">Geiſt</hi> entdeckt, d. h. wenn ſie ihm <hirendition="#g">Sym¬<lb/>
bole</hi>ſind.</p><lb/><p>Wie Ich Mich hinter den Dingen finde, und zwar als<lb/>
Geiſt, ſo muß Ich <hirendition="#g">Mich</hi>ſpäter auch <hirendition="#g">hinter den Gedan¬</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">2 *<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[19/0027]
nütziges Intereſſe. Vergleicht doch einmal einen Mann mit
einem Jünglinge, ob er Euch nicht härter, ungroßmüthiger,
eigennütziger erſcheinen wird. Iſt er darum ſchlechter? Ihr
ſagt Nein, er ſei nur beſtimmter, oder, wie Ihr's auch nennt,
„praktiſcher“ geworden. Hauptſache jedoch iſt dieß, daß er
ſich mehr zum Mittelpunkte macht, als der Jüngling, der für
Anderes, z. B. Gott, Vaterland und dergl. „ſchwärmt“.
Darum zeigt der Mann eine zweite Selbſtfindung. Der
Jüngling fand ſich als Geiſt und verlor ſich wieder an den
allgemeinen Geiſt, den vollkommenen, heiligen Geiſt, den
Menſchen, die Menſchheit, kurz alle Ideale; der Mann findet
ſich als leibhaftigen Geiſt.
Knaben hatten nur ungeiſtige, d. h. gedankenloſe und
ideenloſe, Jünglinge nur geiſtige Intereſſen; der Mann hat
leibhaftige, perſönliche, egoiſtiſche Intereſſen.
Wenn das Kind nicht einen Gegenſtand hat, mit wel¬
chem es ſich beſchäftigen kann, ſo fühlt es Langeweile: denn
mit ſich weiß es ſich noch nicht zu beſchäftigen. Umgekehrt
wirft der Jüngling den Gegenſtand auf die Seite, weil ihm
Gedanken aus dem Gegenſtande aufgingen: er beſchäftigt
ſich mit ſeinen Gedanken, ſeinen Träumen, beſchäftigt ſich gei¬
ſtig oder „ſein Geiſt iſt beſchäftigt“.
Alles nicht Geiſtige befaßt der junge Menſch unter dem
verächtlichen Namen der „Aeußerlichkeiten“. Wenn er gleich¬
wohl an den kleinlichſten Aeußerlichkeiten haftet (z. B. Bur¬
ſchikoſen und andern Formalitäten), ſo geſchieht es, weil und
wenn er in ihnen Geiſt entdeckt, d. h. wenn ſie ihm Sym¬
bole ſind.
Wie Ich Mich hinter den Dingen finde, und zwar als
Geiſt, ſo muß Ich Mich ſpäter auch hinter den Gedan¬
2 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/27>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.