Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

zugegen sind, zu Zeugen, daß ich sie freywil-
lig und mit Ueberlegung zahle. -- Der Ver-
käufer nahm das Geld und übergab dem Edel-
mann den Ring, mit der abermaligen Erklä-
rung, daß er unächt sey, und daß es noch Zeit
wäre, den Handel ungültig zu machen. Die-
ser beharrte auf seinem Entschluß, eilte voller
Freude nach Hause, und fand -- was meine
Leser schon errathen haben -- daß der Unbe-
kannte nur zu wahr gesagt hatte. Statt des
ächten Ringes hatte er einen falschen von der
höchsten Aehnlichkeit mit jenem erhalten. Die
Sache ward gerichtlich; da aber der Verkäu-
fer bewies, daß in dem ganzen Handel von
ächten Steinen gar nicht die Rede gewesen sey;
daß der Käufer ausdrücklich nur auf einen fal-
schen Ring geboten, und er hinwiederum auch
nur einen falschen Ring verkauft habe: so muß-
ten die Richter zum Vortheil des letztern
sprechen.

Man versteht sich hier so gut wie in Pa-
ris darauf, Lebensmittel zu verfälschen und
ihnen ein besseres Ansehn zu geben. Alltägli-
che Betrügereyen dieser Art tragen sich überall
zu; aber wenn man Hühner sieht, die wohl-

N 4

zugegen ſind, zu Zeugen, daß ich ſie freywil-
lig und mit Ueberlegung zahle. — Der Ver-
kaͤufer nahm das Geld und uͤbergab dem Edel-
mann den Ring, mit der abermaligen Erklaͤ-
rung, daß er unaͤcht ſey, und daß es noch Zeit
waͤre, den Handel unguͤltig zu machen. Die-
ſer beharrte auf ſeinem Entſchluß, eilte voller
Freude nach Hauſe, und fand — was meine
Leſer ſchon errathen haben — daß der Unbe-
kannte nur zu wahr geſagt hatte. Statt des
aͤchten Ringes hatte er einen falſchen von der
hoͤchſten Aehnlichkeit mit jenem erhalten. Die
Sache ward gerichtlich; da aber der Verkaͤu-
fer bewies, daß in dem ganzen Handel von
aͤchten Steinen gar nicht die Rede geweſen ſey;
daß der Kaͤufer ausdruͤcklich nur auf einen fal-
ſchen Ring geboten, und er hinwiederum auch
nur einen falſchen Ring verkauft habe: ſo muß-
ten die Richter zum Vortheil des letztern
ſprechen.

Man verſteht ſich hier ſo gut wie in Pa-
ris darauf, Lebensmittel zu verfaͤlſchen und
ihnen ein beſſeres Anſehn zu geben. Alltaͤgli-
che Betruͤgereyen dieſer Art tragen ſich uͤberall
zu; aber wenn man Huͤhner ſieht, die wohl-

N 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0233" n="199"/>
zugegen &#x017F;ind, zu Zeugen, daß ich &#x017F;ie freywil-<lb/>
lig und mit Ueberlegung zahle. &#x2014; Der Ver-<lb/>
ka&#x0364;ufer nahm das Geld und u&#x0364;bergab dem Edel-<lb/>
mann den Ring, mit der abermaligen Erkla&#x0364;-<lb/>
rung, daß er una&#x0364;cht &#x017F;ey, und daß es noch Zeit<lb/>
wa&#x0364;re, den Handel ungu&#x0364;ltig zu machen. Die-<lb/>
&#x017F;er beharrte auf &#x017F;einem Ent&#x017F;chluß, eilte voller<lb/>
Freude nach Hau&#x017F;e, und fand &#x2014; was meine<lb/>
Le&#x017F;er &#x017F;chon errathen haben &#x2014; daß der Unbe-<lb/>
kannte nur zu wahr ge&#x017F;agt hatte. Statt des<lb/>
a&#x0364;chten Ringes hatte er einen fal&#x017F;chen von der<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Aehnlichkeit mit jenem erhalten. Die<lb/>
Sache ward gerichtlich; da aber der Verka&#x0364;u-<lb/>
fer bewies, daß in dem ganzen Handel von<lb/>
a&#x0364;chten Steinen gar nicht die Rede gewe&#x017F;en &#x017F;ey;<lb/>
daß der Ka&#x0364;ufer ausdru&#x0364;cklich nur auf einen fal-<lb/>
&#x017F;chen Ring geboten, und er hinwiederum auch<lb/>
nur einen fal&#x017F;chen Ring verkauft habe: &#x017F;o muß-<lb/>
ten die Richter zum Vortheil des letztern<lb/>
&#x017F;prechen.</p><lb/>
          <p>Man ver&#x017F;teht &#x017F;ich hier &#x017F;o gut wie in Pa-<lb/>
ris darauf, Lebensmittel zu verfa&#x0364;l&#x017F;chen und<lb/>
ihnen ein be&#x017F;&#x017F;eres An&#x017F;ehn zu geben. Allta&#x0364;gli-<lb/>
che Betru&#x0364;gereyen die&#x017F;er Art tragen &#x017F;ich u&#x0364;berall<lb/>
zu; aber wenn man Hu&#x0364;hner &#x017F;ieht, die wohl-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 4</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0233] zugegen ſind, zu Zeugen, daß ich ſie freywil- lig und mit Ueberlegung zahle. — Der Ver- kaͤufer nahm das Geld und uͤbergab dem Edel- mann den Ring, mit der abermaligen Erklaͤ- rung, daß er unaͤcht ſey, und daß es noch Zeit waͤre, den Handel unguͤltig zu machen. Die- ſer beharrte auf ſeinem Entſchluß, eilte voller Freude nach Hauſe, und fand — was meine Leſer ſchon errathen haben — daß der Unbe- kannte nur zu wahr geſagt hatte. Statt des aͤchten Ringes hatte er einen falſchen von der hoͤchſten Aehnlichkeit mit jenem erhalten. Die Sache ward gerichtlich; da aber der Verkaͤu- fer bewies, daß in dem ganzen Handel von aͤchten Steinen gar nicht die Rede geweſen ſey; daß der Kaͤufer ausdruͤcklich nur auf einen fal- ſchen Ring geboten, und er hinwiederum auch nur einen falſchen Ring verkauft habe: ſo muß- ten die Richter zum Vortheil des letztern ſprechen. Man verſteht ſich hier ſo gut wie in Pa- ris darauf, Lebensmittel zu verfaͤlſchen und ihnen ein beſſeres Anſehn zu geben. Alltaͤgli- che Betruͤgereyen dieſer Art tragen ſich uͤberall zu; aber wenn man Huͤhner ſieht, die wohl- N 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/233
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/233>, abgerufen am 27.04.2024.