Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

taxirten Werths der Häuser und Fabriken jähr-
lich anderthalb vom Hundert bezahlt.

Das schnelle Fahren auf den Gassen
ist zwar verboten, allein wegen unzähliger
Schwierigkeiten ist es nicht gut möglich, dem-
selben völlig Einhalt zu thun; auch ist es, aus
folgenden Ursachen, nirgend weniger gefährlich
als hier. Alle Straßen in Petersburg haben
durchgehends eine beträchtliche Breite; ihre
gerade Richtung setzt die Kutscher in den Stand,
jedes Hinderniß in großer Entfernung zu sehen;
in vielen Gassen sichern die bequemen Trot-
toirs die Fußgänger für jede Gefahr. Ueber-
dem sind die Russen überaus gute Kutscher,
und da sie für jedes durch ihre Schuld verur-
sachte Unglück verantwortlich werden, so rufen
sie den Fußgängern nicht nur in der Entfer-
nung zu, sondern beugen ihnen sogar im Noth-
fall aus. Die Art dieses Zurufs ist fast jedes-
mal bezeichnend, z. B. "Alter! Mütterchen!
Soldat! Fischträger!" Nicht nur hier, son-
dern in ganz Rußland ist die Sitte allgemein,
im Fahren beständig die rechte Hand zu hal-
ten, daher das unaufhörliche Geschrey auf den
Gassen: "na prawa!" d. i. rechts. Wer ge-

taxirten Werths der Haͤuſer und Fabriken jaͤhr-
lich anderthalb vom Hundert bezahlt.

Das ſchnelle Fahren auf den Gaſſen
iſt zwar verboten, allein wegen unzaͤhliger
Schwierigkeiten iſt es nicht gut moͤglich, dem-
ſelben voͤllig Einhalt zu thun; auch iſt es, aus
folgenden Urſachen, nirgend weniger gefaͤhrlich
als hier. Alle Straßen in Petersburg haben
durchgehends eine betraͤchtliche Breite; ihre
gerade Richtung ſetzt die Kutſcher in den Stand,
jedes Hinderniß in großer Entfernung zu ſehen;
in vielen Gaſſen ſichern die bequemen Trot-
toirs die Fußgaͤnger fuͤr jede Gefahr. Ueber-
dem ſind die Ruſſen uͤberaus gute Kutſcher,
und da ſie fuͤr jedes durch ihre Schuld verur-
ſachte Ungluͤck verantwortlich werden, ſo rufen
ſie den Fußgaͤngern nicht nur in der Entfer-
nung zu, ſondern beugen ihnen ſogar im Noth-
fall aus. Die Art dieſes Zurufs iſt faſt jedes-
mal bezeichnend, z. B. „Alter! Muͤtterchen!
Soldat! Fiſchtraͤger!“ Nicht nur hier, ſon-
dern in ganz Rußland iſt die Sitte allgemein,
im Fahren beſtaͤndig die rechte Hand zu hal-
ten, daher das unaufhoͤrliche Geſchrey auf den
Gaſſen: „na prawa!“ d. i. rechts. Wer ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="206"/>
taxirten Werths der Ha&#x0364;u&#x017F;er und Fabriken ja&#x0364;hr-<lb/>
lich anderthalb vom Hundert bezahlt.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#g">&#x017F;chnelle Fahren</hi> auf den Ga&#x017F;&#x017F;en<lb/>
i&#x017F;t zwar verboten, allein wegen unza&#x0364;hliger<lb/>
Schwierigkeiten i&#x017F;t es nicht gut mo&#x0364;glich, dem-<lb/>
&#x017F;elben vo&#x0364;llig Einhalt zu thun; auch i&#x017F;t es, aus<lb/>
folgenden Ur&#x017F;achen, nirgend weniger gefa&#x0364;hrlich<lb/>
als hier. Alle Straßen in Petersburg haben<lb/>
durchgehends eine betra&#x0364;chtliche Breite; ihre<lb/>
gerade Richtung &#x017F;etzt die Kut&#x017F;cher in den Stand,<lb/>
jedes Hinderniß in großer Entfernung zu &#x017F;ehen;<lb/>
in vielen Ga&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ichern die bequemen Trot-<lb/>
toirs die Fußga&#x0364;nger fu&#x0364;r jede Gefahr. Ueber-<lb/>
dem &#x017F;ind die Ru&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;beraus gute Kut&#x017F;cher,<lb/>
und da &#x017F;ie fu&#x0364;r jedes durch ihre Schuld verur-<lb/>
&#x017F;achte Unglu&#x0364;ck verantwortlich werden, &#x017F;o rufen<lb/>
&#x017F;ie den Fußga&#x0364;ngern nicht nur in der Entfer-<lb/>
nung zu, &#x017F;ondern beugen ihnen &#x017F;ogar im Noth-<lb/>
fall aus. Die Art die&#x017F;es Zurufs i&#x017F;t fa&#x017F;t jedes-<lb/>
mal bezeichnend, z. B. &#x201E;Alter! Mu&#x0364;tterchen!<lb/>
Soldat! Fi&#x017F;chtra&#x0364;ger!&#x201C; Nicht nur hier, &#x017F;on-<lb/>
dern in ganz Rußland i&#x017F;t die Sitte allgemein,<lb/>
im Fahren be&#x017F;ta&#x0364;ndig die rechte Hand zu hal-<lb/>
ten, daher das unaufho&#x0364;rliche Ge&#x017F;chrey auf den<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;en: &#x201E;na prawa!&#x201C; d. i. rechts. Wer ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0240] taxirten Werths der Haͤuſer und Fabriken jaͤhr- lich anderthalb vom Hundert bezahlt. Das ſchnelle Fahren auf den Gaſſen iſt zwar verboten, allein wegen unzaͤhliger Schwierigkeiten iſt es nicht gut moͤglich, dem- ſelben voͤllig Einhalt zu thun; auch iſt es, aus folgenden Urſachen, nirgend weniger gefaͤhrlich als hier. Alle Straßen in Petersburg haben durchgehends eine betraͤchtliche Breite; ihre gerade Richtung ſetzt die Kutſcher in den Stand, jedes Hinderniß in großer Entfernung zu ſehen; in vielen Gaſſen ſichern die bequemen Trot- toirs die Fußgaͤnger fuͤr jede Gefahr. Ueber- dem ſind die Ruſſen uͤberaus gute Kutſcher, und da ſie fuͤr jedes durch ihre Schuld verur- ſachte Ungluͤck verantwortlich werden, ſo rufen ſie den Fußgaͤngern nicht nur in der Entfer- nung zu, ſondern beugen ihnen ſogar im Noth- fall aus. Die Art dieſes Zurufs iſt faſt jedes- mal bezeichnend, z. B. „Alter! Muͤtterchen! Soldat! Fiſchtraͤger!“ Nicht nur hier, ſon- dern in ganz Rußland iſt die Sitte allgemein, im Fahren beſtaͤndig die rechte Hand zu hal- ten, daher das unaufhoͤrliche Geſchrey auf den Gaſſen: „na prawa!“ d. i. rechts. Wer ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/240
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/240>, abgerufen am 28.04.2024.