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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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wie ein solcher Mensch mit der äußersten Ge-
fahr über das lockere, schwarzgraue, zum Theil
schon losgebrochene Eis gieng, indem er ein
bey sich habendes Brett über seinen Weg legte,
und wenn er bis zum Ende desselben gekom-
men war, behutsam auf das Eis trat, und sich
alsdann aufs neue ein Stückchen sichern Weges
bahnte. Auf diese Weise war er bis nahe an
das gegenüber stehende Ufer gelangt, als er
auf demselben einen Polizeybeamten ansichtig
ward, der ihn mit seinem Stock zu bewillkom-
men drohte. Die Furcht für diese kleine Züch-
tigung überwog die Furcht für sein Leben; er
vergaß seine ebengebrauchte Vorsicht, sein Brett
und seine Gefahr; eilte so schnell er konnte,
zurück, und kam glücklich am andern Ufer an.

Die Austheilung der Arzney in den Apo-
theken, und die Versendung derselben durch
unvorsichtige oder boshafte Bediente kann so
leicht zu den schrecklichsten Unglücksfällen oder
Verbrechen Anlaß geben, daß man hier des-
wegen besondere Vorsichtsanstalten eingeführt
hat. Jedes Rezept muß nicht nur mit dem
Namen des Arztes, sondern auch des Kranken
für welchen es verschrieben wird, und mit der

Erster Theil. O

wie ein ſolcher Menſch mit der aͤußerſten Ge-
fahr uͤber das lockere, ſchwarzgraue, zum Theil
ſchon losgebrochene Eis gieng, indem er ein
bey ſich habendes Brett uͤber ſeinen Weg legte,
und wenn er bis zum Ende deſſelben gekom-
men war, behutſam auf das Eis trat, und ſich
alsdann aufs neue ein Stuͤckchen ſichern Weges
bahnte. Auf dieſe Weiſe war er bis nahe an
das gegenuͤber ſtehende Ufer gelangt, als er
auf demſelben einen Polizeybeamten anſichtig
ward, der ihn mit ſeinem Stock zu bewillkom-
men drohte. Die Furcht fuͤr dieſe kleine Zuͤch-
tigung uͤberwog die Furcht fuͤr ſein Leben; er
vergaß ſeine ebengebrauchte Vorſicht, ſein Brett
und ſeine Gefahr; eilte ſo ſchnell er konnte,
zuruͤck, und kam gluͤcklich am andern Ufer an.

Die Austheilung der Arzney in den Apo-
theken, und die Verſendung derſelben durch
unvorſichtige oder boshafte Bediente kann ſo
leicht zu den ſchrecklichſten Ungluͤcksfaͤllen oder
Verbrechen Anlaß geben, daß man hier des-
wegen beſondere Vorſichtsanſtalten eingefuͤhrt
hat. Jedes Rezept muß nicht nur mit dem
Namen des Arztes, ſondern auch des Kranken
fuͤr welchen es verſchrieben wird, und mit der

Erſter Theil. O
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[209/0243] wie ein ſolcher Menſch mit der aͤußerſten Ge- fahr uͤber das lockere, ſchwarzgraue, zum Theil ſchon losgebrochene Eis gieng, indem er ein bey ſich habendes Brett uͤber ſeinen Weg legte, und wenn er bis zum Ende deſſelben gekom- men war, behutſam auf das Eis trat, und ſich alsdann aufs neue ein Stuͤckchen ſichern Weges bahnte. Auf dieſe Weiſe war er bis nahe an das gegenuͤber ſtehende Ufer gelangt, als er auf demſelben einen Polizeybeamten anſichtig ward, der ihn mit ſeinem Stock zu bewillkom- men drohte. Die Furcht fuͤr dieſe kleine Zuͤch- tigung uͤberwog die Furcht fuͤr ſein Leben; er vergaß ſeine ebengebrauchte Vorſicht, ſein Brett und ſeine Gefahr; eilte ſo ſchnell er konnte, zuruͤck, und kam gluͤcklich am andern Ufer an. Die Austheilung der Arzney in den Apo- theken, und die Verſendung derſelben durch unvorſichtige oder boshafte Bediente kann ſo leicht zu den ſchrecklichſten Ungluͤcksfaͤllen oder Verbrechen Anlaß geben, daß man hier des- wegen beſondere Vorſichtsanſtalten eingefuͤhrt hat. Jedes Rezept muß nicht nur mit dem Namen des Arztes, ſondern auch des Kranken fuͤr welchen es verſchrieben wird, und mit der Erſter Theil. O

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/243>, abgerufen am 28.04.2024.