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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
beiden Seiten die Züge: Gastmahl, Einladung, Zurückwei-
sung derselben, und daher Berufung Anderer die Einerlei-
heit beider Parabeln verbürgen: ist dann andrerseits der
Gastgeber, bei Lukas anthropos tis, von Matthäus zum ba-
sileus gemacht, welchen die Hochzeit seines Sohns veran-
lasst, ein Festmahl zu geben; die Geladenen, welche sich
bei Lukas gegen die nur Einmal gesendeten Boten durch
verschiedene Gründe entschuldigen, wollen nach Matthäus
auf die erste Ladung nicht kommen, bei der zweiten, drin-
genderen, gehen die einen zu ihren Geschäften, die andern
misshandeln und tödten die Knechte des Königs, welcher so-
fort Heere ausschickt, um jene Mörder zu verderben und
ihre Stadt einzuäschern. Hievon ist bei Lukas nichts zu
finden; nach ihm lässt der Herr einfach nur statt der zu-
erst Geladenen die Nächsten Besten von der Strasse zum
Mahle ziehen, ein Zug, den auch Matthäus auf den zuvor
erwähnten folgen lässt. Während hierauf Lukas durch
die Versicherung des Herrn, dass keiner der zuerst Ge-
ladenen an seinem Mahle Antheil bekommen solle, die
Parabel abschliesst: hat Matthäus noch den weiteren Zug,
nachdem das Haus voll geworden war, habe der König
die Gäste gemustert und einen ohne hochzeitliches Kleid
gefunden, welchen er sofort eis to skotos to exoteron
habe abführen lassen.

Hier will gleich Anfangs der Zug bei Matthäus, dass
die Geladenen die Boten des Königs misshandelt und ge-
tödtet haben, nicht recht passen, und wie ein Herausfal-
len aus dem gewählten Bilde erscheinen. Missachtung ei-
ner Einladung nämlich wird hinlänglich durch Ausschla-
gen derselben unter nichtigen Vorwänden, wie sie Lukas
namhaft macht, an den Tag gelegt; Misshandlung oder
gar Tödtung der Ladenden ist ein übertreibender Zug,
von welchem sich nicht einsehen lässt, wie Jesus, wohl
aber, wie der Referent im ersten Evangelium zu demsel-
ben kommen mochte. Dieser hatte nämlich unmittelbar

Zweiter Abschnitt.
beiden Seiten die Züge: Gastmahl, Einladung, Zurückwei-
sung derselben, und daher Berufung Anderer die Einerlei-
heit beider Parabeln verbürgen: ist dann andrerseits der
Gastgeber, bei Lukas ἄνϑρωπός τις, von Matthäus zum βα-
σιλεὺς gemacht, welchen die Hochzeit seines Sohns veran-
laſst, ein Festmahl zu geben; die Geladenen, welche sich
bei Lukas gegen die nur Einmal gesendeten Boten durch
verschiedene Gründe entschuldigen, wollen nach Matthäus
auf die erste Ladung nicht kommen, bei der zweiten, drin-
genderen, gehen die einen zu ihren Geschäften, die andern
miſshandeln und tödten die Knechte des Königs, welcher so-
fort Heere ausschickt, um jene Mörder zu verderben und
ihre Stadt einzuäschern. Hievon ist bei Lukas nichts zu
finden; nach ihm läſst der Herr einfach nur statt der zu-
erst Geladenen die Nächsten Besten von der Straſse zum
Mahle ziehen, ein Zug, den auch Matthäus auf den zuvor
erwähnten folgen läſst. Während hierauf Lukas durch
die Versicherung des Herrn, daſs keiner der zuerst Ge-
ladenen an seinem Mahle Antheil bekommen solle, die
Parabel abschlieſst: hat Matthäus noch den weiteren Zug,
nachdem das Haus voll geworden war, habe der König
die Gäste gemustert und einen ohne hochzeitliches Kleid
gefunden, welchen er sofort εἰς τὸ σκότος τὸ ἐξώτερον
habe abführen lassen.

Hier will gleich Anfangs der Zug bei Matthäus, daſs
die Geladenen die Boten des Königs miſshandelt und ge-
tödtet haben, nicht recht passen, und wie ein Herausfal-
len aus dem gewählten Bilde erscheinen. Miſsachtung ei-
ner Einladung nämlich wird hinlänglich durch Ausschla-
gen derselben unter nichtigen Vorwänden, wie sie Lukas
namhaft macht, an den Tag gelegt; Miſshandlung oder
gar Tödtung der Ladenden ist ein übertreibender Zug,
von welchem sich nicht einsehen läſst, wie Jesus, wohl
aber, wie der Referent im ersten Evangelium zu demsel-
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[610/0634] Zweiter Abschnitt. beiden Seiten die Züge: Gastmahl, Einladung, Zurückwei- sung derselben, und daher Berufung Anderer die Einerlei- heit beider Parabeln verbürgen: ist dann andrerseits der Gastgeber, bei Lukas ἄνϑρωπός τις, von Matthäus zum βα- σιλεὺς gemacht, welchen die Hochzeit seines Sohns veran- laſst, ein Festmahl zu geben; die Geladenen, welche sich bei Lukas gegen die nur Einmal gesendeten Boten durch verschiedene Gründe entschuldigen, wollen nach Matthäus auf die erste Ladung nicht kommen, bei der zweiten, drin- genderen, gehen die einen zu ihren Geschäften, die andern miſshandeln und tödten die Knechte des Königs, welcher so- fort Heere ausschickt, um jene Mörder zu verderben und ihre Stadt einzuäschern. Hievon ist bei Lukas nichts zu finden; nach ihm läſst der Herr einfach nur statt der zu- erst Geladenen die Nächsten Besten von der Straſse zum Mahle ziehen, ein Zug, den auch Matthäus auf den zuvor erwähnten folgen läſst. Während hierauf Lukas durch die Versicherung des Herrn, daſs keiner der zuerst Ge- ladenen an seinem Mahle Antheil bekommen solle, die Parabel abschlieſst: hat Matthäus noch den weiteren Zug, nachdem das Haus voll geworden war, habe der König die Gäste gemustert und einen ohne hochzeitliches Kleid gefunden, welchen er sofort εἰς τὸ σκότος τὸ ἐξώτερον habe abführen lassen. Hier will gleich Anfangs der Zug bei Matthäus, daſs die Geladenen die Boten des Königs miſshandelt und ge- tödtet haben, nicht recht passen, und wie ein Herausfal- len aus dem gewählten Bilde erscheinen. Miſsachtung ei- ner Einladung nämlich wird hinlänglich durch Ausschla- gen derselben unter nichtigen Vorwänden, wie sie Lukas namhaft macht, an den Tag gelegt; Miſshandlung oder gar Tödtung der Ladenden ist ein übertreibender Zug, von welchem sich nicht einsehen läſst, wie Jesus, wohl aber, wie der Referent im ersten Evangelium zu demsel- ben kommen mochte. Dieser hatte nämlich unmittelbar

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/634>, abgerufen am 22.05.2024.