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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
emelle teleutan, Johannes durch emellen apothneskein,
wozu der leztere V. 52 nachträglich bemerkt, dass die
Krankheit von einem puretos begleitet gewesen. In Dar-
stellung der Art, wie Jesus die Heilung des Kranken voll-
zog, und wie dessen Genesung erfolgte, steht Johannes
wieder auf Seiten des Matthäus gegen den Lukas. Wäh-
rend nämlich dieser eine ausdrückliche Versicherung Jesu,
dass der Knecht geheilt sei, gar nicht hat, lassen jene bei-
den ihn sehr übereinstimmend zu dem Beamten sagen, der
eine: upage, kai os episeusas genetheto soi, der andere:
poreuou, o uios sou ze, und auch der Schluss des Matthäus:
kai iathe o pais autou en te ora ekeine, stimmt wenigstens
der Form nach mehr zu der johanneischen Angabe, bei ge-
haltener Nachfrage habe der Vater gefunden, dass en ekeine
te ora, in welcher Jesus jenes Wort gesprochen, sein
Sohn gesund geworden sei, als zu der des Lukas, dass die
zurückgekehrten Boten den kranken Knecht gesund ange-
troffen haben. In einem andern Punkte dieses Schlusses
wendet sich nun aber die Zustimmung des Johannes von
Matthäus wieder zu Lukas zurück. Bei beiden nämlich
ist von einer Art von Gesandtschaft die Rede, welche zu-
lezt noch aus dem Hause des Beamten tritt: bei Lukas
eine Anzahl von Freunden des Hauptmanns, welche Jesum
abhalten sollen, sich selbst zu bemühen; bei Johannes
Knechte, welche jubelnd ihrem Herrn entgegenziehen und
ihm die Kunde von der Genesung seines Sohnes bringen.
Gewiss, wo drei Erzählungen so durcheinander verschlun-
gen sind, wie diese, darf man nicht bloss zwei derselben
für identisch erklären und eine als verschiedene stehen las-
sen, sondern man muss die drei Berichte entweder alle
auseinander halten, oder alle zusammenwerfen, wie Lez-
teres nach älteren Vorgängern Semler gethan 5), und Tho-
luck
wenigstens für möglich erklärt hat, es zu thun. Nur
suchen solche Ausleger dann die Abweichungen der drei

5) s. bei Lücke, 1, S. 552.

Zweiter Abschnitt.
ἤμελλε τελευτᾷν, Johannes durch ἤμελλεν ἀποϑνήσκειν,
wozu der leztere V. 52 nachträglich bemerkt, daſs die
Krankheit von einem πυρετὸς begleitet gewesen. In Dar-
stellung der Art, wie Jesus die Heilung des Kranken voll-
zog, und wie dessen Genesung erfolgte, steht Johannes
wieder auf Seiten des Matthäus gegen den Lukas. Wäh-
rend nämlich dieser eine ausdrückliche Versicherung Jesu,
daſs der Knecht geheilt sei, gar nicht hat, lassen jene bei-
den ihn sehr übereinstimmend zu dem Beamten sagen, der
eine: ὕπαγε, καὶ ὡς ἐπίςευσας γενηϑήτω σοι, der andere:
πορεύου, ὁ υἱός σου ζῇ, und auch der Schluſs des Matthäus:
καὶ ἰάϑη ὁ παῖς αὐτοῦ ἐν τῇ ὥρᾳ ἐκείνῃ, stimmt wenigstens
der Form nach mehr zu der johanneischen Angabe, bei ge-
haltener Nachfrage habe der Vater gefunden, daſs ἐν ἐκείνῃ
τῇ ὥρᾳ, in welcher Jesus jenes Wort gesprochen, sein
Sohn gesund geworden sei, als zu der des Lukas, daſs die
zurückgekehrten Boten den kranken Knecht gesund ange-
troffen haben. In einem andern Punkte dieses Schlusses
wendet sich nun aber die Zustimmung des Johannes von
Matthäus wieder zu Lukas zurück. Bei beiden nämlich
ist von einer Art von Gesandtschaft die Rede, welche zu-
lezt noch aus dem Hause des Beamten tritt: bei Lukas
eine Anzahl von Freunden des Hauptmanns, welche Jesum
abhalten sollen, sich selbst zu bemühen; bei Johannes
Knechte, welche jubelnd ihrem Herrn entgegenziehen und
ihm die Kunde von der Genesung seines Sohnes bringen.
Gewiſs, wo drei Erzählungen so durcheinander verschlun-
gen sind, wie diese, darf man nicht bloſs zwei derselben
für identisch erklären und eine als verschiedene stehen las-
sen, sondern man muſs die drei Berichte entweder alle
auseinander halten, oder alle zusammenwerfen, wie Lez-
teres nach älteren Vorgängern Semler gethan 5), und Tho-
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[108/0127] Zweiter Abschnitt. ἤμελλε τελευτᾷν, Johannes durch ἤμελλεν ἀποϑνήσκειν, wozu der leztere V. 52 nachträglich bemerkt, daſs die Krankheit von einem πυρετὸς begleitet gewesen. In Dar- stellung der Art, wie Jesus die Heilung des Kranken voll- zog, und wie dessen Genesung erfolgte, steht Johannes wieder auf Seiten des Matthäus gegen den Lukas. Wäh- rend nämlich dieser eine ausdrückliche Versicherung Jesu, daſs der Knecht geheilt sei, gar nicht hat, lassen jene bei- den ihn sehr übereinstimmend zu dem Beamten sagen, der eine: ὕπαγε, καὶ ὡς ἐπίςευσας γενηϑήτω σοι, der andere: πορεύου, ὁ υἱός σου ζῇ, und auch der Schluſs des Matthäus: καὶ ἰάϑη ὁ παῖς αὐτοῦ ἐν τῇ ὥρᾳ ἐκείνῃ, stimmt wenigstens der Form nach mehr zu der johanneischen Angabe, bei ge- haltener Nachfrage habe der Vater gefunden, daſs ἐν ἐκείνῃ τῇ ὥρᾳ, in welcher Jesus jenes Wort gesprochen, sein Sohn gesund geworden sei, als zu der des Lukas, daſs die zurückgekehrten Boten den kranken Knecht gesund ange- troffen haben. In einem andern Punkte dieses Schlusses wendet sich nun aber die Zustimmung des Johannes von Matthäus wieder zu Lukas zurück. Bei beiden nämlich ist von einer Art von Gesandtschaft die Rede, welche zu- lezt noch aus dem Hause des Beamten tritt: bei Lukas eine Anzahl von Freunden des Hauptmanns, welche Jesum abhalten sollen, sich selbst zu bemühen; bei Johannes Knechte, welche jubelnd ihrem Herrn entgegenziehen und ihm die Kunde von der Genesung seines Sohnes bringen. Gewiſs, wo drei Erzählungen so durcheinander verschlun- gen sind, wie diese, darf man nicht bloſs zwei derselben für identisch erklären und eine als verschiedene stehen las- sen, sondern man muſs die drei Berichte entweder alle auseinander halten, oder alle zusammenwerfen, wie Lez- teres nach älteren Vorgängern Semler gethan 5), und Tho- luck wenigstens für möglich erklärt hat, es zu thun. Nur suchen solche Ausleger dann die Abweichungen der drei 5) s. bei Lücke, 1, S. 552.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/127>, abgerufen am 29.04.2024.