Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Kapitel. §. 110.
tou anthropoute genea taute. Gegen die Möglichkeit, dass
Jesus die Auslegung des Jonaszeichens, welche ihm Mat-
thäus, V. 40., in den Mund legt, selbst gegeben habe,
lässt sich Verschiedenes einwenden. Das zwar, dass Jesus
von drei Tagen und drei Nächten, welche er im Herzen
der Erde zubringen werde, desswegen nicht habe sprechen
können, weil er nur einen Tag und zwei Nächte im Grabe
gewesen sei 8), wird sich schwerlich entgegenhalten las-
sen, da der N. T.liche Sprachgebrauch entschieden die Ei-
genheit hat, den Aufenthalt Jesu im Grabe, weil er den
Tag vor dem Sabbat durch den Abend, und den nach dem
Sabbat durch den Morgen noch berührte, einen dreitägigen
zu nennen; wurde aber einmal dieser Eine Tag sammt
zwei Nächten für drei volle Tage genommen, so war es
nur eine Umschreibung dieses Vollseins, dass zu den Ta-
gen auch noch die Nächte gesezt wurden, was sich ohne-
hin in der Vergleichung mit den drei Tagen und Nächten
des Jonas von selbst ergab 9). Dagegen wäre es, wenn
Jesus von dem semeion Iona die Erklärung gab, welche
ihm Matthäus leiht, eine so klare Voraussagung seiner
Auferstehung gewesen, dass aus denselben Gründen, wel-
che nach dem Obigen den eigentlichen Vorausverkündigun-
gen derselben entgegenstehen, Jesus auch diese Erklärung
nicht gegeben haben kann. Jedenfalls musste sie die nach
V. 49. anwesenden Jünger zu einer Frage an Jesum ver-
anlassen, wo sich dann nicht einsehen lässt, warum er ih-
nen die Sache nicht vollends klar gemacht, also mit eigent-
lichen Worten seine Auferstehung vorherverkündigt haben
sollte. Kann er aber diess nicht gethan haben, weil sonst
die Jünger nach seinem Tod sich nicht so benommen ha-
ben könnten, wie sie sich den evangelischen Nachrichten
zufolge benahmen: so kann er auch nicht durch jene Ver-

8) Paulus, ex. Handb. z. d. St.
9) vgl. Fritzsche und Olshausen, z. d. St.
Bogen 21. ist S. 335 u. 336 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.

Erstes Kapitel. §. 110.
τοῦ ἀνϑρώπουτῇ γενεᾷ ταύτῃ. Gegen die Möglichkeit, daſs
Jesus die Auslegung des Jonaszeichens, welche ihm Mat-
thäus, V. 40., in den Mund legt, selbst gegeben habe,
läſst sich Verschiedenes einwenden. Das zwar, daſs Jesus
von drei Tagen und drei Nächten, welche er im Herzen
der Erde zubringen werde, deſswegen nicht habe sprechen
können, weil er nur einen Tag und zwei Nächte im Grabe
gewesen sei 8), wird sich schwerlich entgegenhalten las-
sen, da der N. T.liche Sprachgebrauch entschieden die Ei-
genheit hat, den Aufenthalt Jesu im Grabe, weil er den
Tag vor dem Sabbat durch den Abend, und den nach dem
Sabbat durch den Morgen noch berührte, einen dreitägigen
zu nennen; wurde aber einmal dieser Eine Tag sammt
zwei Nächten für drei volle Tage genommen, so war es
nur eine Umschreibung dieses Vollseins, daſs zu den Ta-
gen auch noch die Nächte gesezt wurden, was sich ohne-
hin in der Vergleichung mit den drei Tagen und Nächten
des Jonas von selbst ergab 9). Dagegen wäre es, wenn
Jesus von dem σημεῖον Ἰωνᾶ die Erklärung gab, welche
ihm Matthäus leiht, eine so klare Voraussagung seiner
Auferstehung gewesen, daſs aus denselben Gründen, wel-
che nach dem Obigen den eigentlichen Vorausverkündigun-
gen derselben entgegenstehen, Jesus auch diese Erklärung
nicht gegeben haben kann. Jedenfalls muſste sie die nach
V. 49. anwesenden Jünger zu einer Frage an Jesum ver-
anlassen, wo sich dann nicht einsehen läſst, warum er ih-
nen die Sache nicht vollends klar gemacht, also mit eigent-
lichen Worten seine Auferstehung vorherverkündigt haben
sollte. Kann er aber dieſs nicht gethan haben, weil sonst
die Jünger nach seinem Tod sich nicht so benommen ha-
ben könnten, wie sie sich den evangelischen Nachrichten
zufolge benahmen: so kann er auch nicht durch jene Ver-

8) Paulus, ex. Handb. z. d. St.
9) vgl. Fritzsche und Olshausen, z. d. St.
Bogen 21. ist S. 335 u. 336 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="335"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erstes Kapitel</hi>. §. 110.</fw><lb/><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5;&#x0342; &#x1F00;&#x03BD;&#x03D1;&#x03C1;&#x03CE;&#x03C0;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C4;&#x1FC7; &#x03B3;&#x03B5;&#x03BD;&#x03B5;&#x1FB7; &#x03C4;&#x03B1;&#x03CD;&#x03C4;&#x1FC3;</foreign>. Gegen die Möglichkeit, da&#x017F;s<lb/>
Jesus die Auslegung des Jonaszeichens, welche ihm Mat-<lb/>
thäus, V. 40., in den Mund legt, selbst gegeben habe,<lb/>&#x017F;st sich Verschiedenes einwenden. Das zwar, da&#x017F;s Jesus<lb/>
von drei Tagen und drei Nächten, welche er im Herzen<lb/>
der Erde zubringen werde, de&#x017F;swegen nicht habe sprechen<lb/>
können, weil er nur einen Tag und zwei Nächte im Grabe<lb/>
gewesen sei <note place="foot" n="8)"><hi rendition="#k">Paulus</hi>, ex. Handb. z. d. St.</note>, wird sich schwerlich entgegenhalten las-<lb/>
sen, da der N. T.liche Sprachgebrauch entschieden die Ei-<lb/>
genheit hat, den Aufenthalt Jesu im Grabe, weil er den<lb/>
Tag vor dem Sabbat durch den Abend, und den nach dem<lb/>
Sabbat durch den Morgen noch berührte, einen dreitägigen<lb/>
zu nennen; wurde aber einmal dieser Eine Tag sammt<lb/>
zwei Nächten für drei volle Tage genommen, so war es<lb/>
nur eine Umschreibung dieses Vollseins, da&#x017F;s zu den Ta-<lb/>
gen auch noch die Nächte gesezt wurden, was sich ohne-<lb/>
hin in der Vergleichung mit den drei Tagen und Nächten<lb/>
des Jonas von selbst ergab <note place="foot" n="9)">vgl. <hi rendition="#k">Fritzsche</hi> und <hi rendition="#k">Olshausen</hi>, z. d. St.</note>. Dagegen wäre es, wenn<lb/>
Jesus von dem <foreign xml:lang="ell">&#x03C3;&#x03B7;&#x03BC;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03BD; &#x1F38;&#x03C9;&#x03BD;&#x1FB6;</foreign> die Erklärung gab, welche<lb/>
ihm Matthäus leiht, eine so klare Voraussagung seiner<lb/>
Auferstehung gewesen, da&#x017F;s aus denselben Gründen, wel-<lb/>
che nach dem Obigen den eigentlichen Vorausverkündigun-<lb/>
gen derselben entgegenstehen, Jesus auch diese Erklärung<lb/>
nicht gegeben haben kann. Jedenfalls mu&#x017F;ste sie die nach<lb/>
V. 49. anwesenden Jünger zu einer Frage an Jesum ver-<lb/>
anlassen, wo sich dann nicht einsehen lä&#x017F;st, warum er ih-<lb/>
nen die Sache nicht vollends klar gemacht, also mit eigent-<lb/>
lichen Worten seine Auferstehung vorherverkündigt haben<lb/>
sollte. Kann er aber die&#x017F;s nicht gethan haben, weil sonst<lb/>
die Jünger nach seinem Tod sich nicht so benommen ha-<lb/>
ben könnten, wie sie sich den evangelischen Nachrichten<lb/>
zufolge benahmen: so kann er auch nicht durch jene Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Bogen 21. ist S. 335 u. 336 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0354] Erstes Kapitel. §. 110. τοῦ ἀνϑρώπουτῇ γενεᾷ ταύτῃ. Gegen die Möglichkeit, daſs Jesus die Auslegung des Jonaszeichens, welche ihm Mat- thäus, V. 40., in den Mund legt, selbst gegeben habe, läſst sich Verschiedenes einwenden. Das zwar, daſs Jesus von drei Tagen und drei Nächten, welche er im Herzen der Erde zubringen werde, deſswegen nicht habe sprechen können, weil er nur einen Tag und zwei Nächte im Grabe gewesen sei 8), wird sich schwerlich entgegenhalten las- sen, da der N. T.liche Sprachgebrauch entschieden die Ei- genheit hat, den Aufenthalt Jesu im Grabe, weil er den Tag vor dem Sabbat durch den Abend, und den nach dem Sabbat durch den Morgen noch berührte, einen dreitägigen zu nennen; wurde aber einmal dieser Eine Tag sammt zwei Nächten für drei volle Tage genommen, so war es nur eine Umschreibung dieses Vollseins, daſs zu den Ta- gen auch noch die Nächte gesezt wurden, was sich ohne- hin in der Vergleichung mit den drei Tagen und Nächten des Jonas von selbst ergab 9). Dagegen wäre es, wenn Jesus von dem σημεῖον Ἰωνᾶ die Erklärung gab, welche ihm Matthäus leiht, eine so klare Voraussagung seiner Auferstehung gewesen, daſs aus denselben Gründen, wel- che nach dem Obigen den eigentlichen Vorausverkündigun- gen derselben entgegenstehen, Jesus auch diese Erklärung nicht gegeben haben kann. Jedenfalls muſste sie die nach V. 49. anwesenden Jünger zu einer Frage an Jesum ver- anlassen, wo sich dann nicht einsehen läſst, warum er ih- nen die Sache nicht vollends klar gemacht, also mit eigent- lichen Worten seine Auferstehung vorherverkündigt haben sollte. Kann er aber dieſs nicht gethan haben, weil sonst die Jünger nach seinem Tod sich nicht so benommen ha- ben könnten, wie sie sich den evangelischen Nachrichten zufolge benahmen: so kann er auch nicht durch jene Ver- 8) Paulus, ex. Handb. z. d. St. 9) vgl. Fritzsche und Olshausen, z. d. St. Bogen 21. ist S. 335 u. 336 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/354
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/354>, abgerufen am 14.05.2024.