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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
ser des vierten Evangeliums und die übrigen N. T.lichen
Schriftsteller setzen nur das voraus, was nach dem messia-
nischen kathou ek dexion mou, Ps. 110, 1. vorausgesezt wer-
den musste, dass Jesus sich zur Rechten Gottes erhoben
habe, ohne über das Wie etwas zu bestimmen, oder sich
die Auffahrt dahin als eine sichtbare vorzustellen. Doch
musste es der urchristlichen Phantasie sehr nahe liegen,
diese Erhebung auch zum glänzenden Schauspiele auszu-
malen. Liess man den Messias Jesus an einem so erhabe-
nen Ziele angekommen sein: so wollte man ihm auch auf
dem Wege dahin gleichsam nachsehen. Erwartete man seine
einstige Wiederkunft vom Himmel nach Daniel als sichtba-
res Herabkommen in den Wolken: so ergab es sich von
selbst, seinen Hingang zum Himmel als sichtbares Aufstei-
gen auf einer Wolke vorzustellen, und wenn Lukas die
beiden Weissgekleideten, welche nach der Wegnahme Jesu
zu den Jüngern traten, sagen lässt: outos o Iesous, o ana-
lephtheis aph umon eis ton ouranon, outos eleusetai, on tropon
etheasasthe auton poreuomenon eis ton ouranon (A. G. 1, 11.):
so darf man diess nur umkehren, um die Genesis der Vor-
stellung von der Himmelfahrt Jesu zu haben, indem nämlich
geschlossen wurde: wie Jesus dereinst vom Himmel wie-
derkommen wird: so wird er wohl auch dahin gegangen
sein 16).

Neben diesem Hauptmoment treten die A. T.lichen
Vorgänge, welche die Himmelfahrt Jesu an der Hinweg-
nahme des Henoch (1. Mos. 5, 24. vgl. Sir. 44, 16. 49,
16. Hebr. 11, 5.) und besonders an der Himmelfahrt des
Elia (2. Kön. 2, 11. vgl. Sir. 48, 9. 1. Macc. 2, 58.) hat,
sammt den griechischen und römischen Apotheosen eines
Herakles und Romulus, in den Hintergrund zurück. Ob
von den lezteren die Verfasser des zweiten und dritten
Evangeliums Kunde hatten, steht dahin; die Notiz von

16) So auch Hase, L. J. §. 150.

Dritter Abschnitt.
ser des vierten Evangeliums und die übrigen N. T.lichen
Schriftsteller setzen nur das voraus, was nach dem messia-
nischen κάϑου ἐκ δεξιῶν μου, Ps. 110, 1. vorausgesezt wer-
den muſste, daſs Jesus sich zur Rechten Gottes erhoben
habe, ohne über das Wie etwas zu bestimmen, oder sich
die Auffahrt dahin als eine sichtbare vorzustellen. Doch
muſste es der urchristlichen Phantasie sehr nahe liegen,
diese Erhebung auch zum glänzenden Schauspiele auszu-
malen. Lieſs man den Messias Jesus an einem so erhabe-
nen Ziele angekommen sein: so wollte man ihm auch auf
dem Wege dahin gleichsam nachsehen. Erwartete man seine
einstige Wiederkunft vom Himmel nach Daniel als sichtba-
res Herabkommen in den Wolken: so ergab es sich von
selbst, seinen Hingang zum Himmel als sichtbares Aufstei-
gen auf einer Wolke vorzustellen, und wenn Lukas die
beiden Weiſsgekleideten, welche nach der Wegnahme Jesu
zu den Jüngern traten, sagen läſst: οὖτος ὁ Ἰησοῦς, ὁ ἀνα-
ληφϑεὶς ἀφ̕ ὑμῶν εἰς τὸν οὐρανὸν, ου͑̍τως ἐλεύσεται, ὃν τρόπον
ἐϑεάσασϑε αὐτὸν πορευόμενον εἰς τὸν οὐρανόν (A. G. 1, 11.):
so darf man dieſs nur umkehren, um die Genesis der Vor-
stellung von der Himmelfahrt Jesu zu haben, indem nämlich
geschlossen wurde: wie Jesus dereinst vom Himmel wie-
derkommen wird: so wird er wohl auch dahin gegangen
sein 16).

Neben diesem Hauptmoment treten die A. T.lichen
Vorgänge, welche die Himmelfahrt Jesu an der Hinweg-
nahme des Henoch (1. Mos. 5, 24. vgl. Sir. 44, 16. 49,
16. Hebr. 11, 5.) und besonders an der Himmelfahrt des
Elia (2. Kön. 2, 11. vgl. Sir. 48, 9. 1. Macc. 2, 58.) hat,
sammt den griechischen und römischen Apotheosen eines
Herakles und Romulus, in den Hintergrund zurück. Ob
von den lezteren die Verfasser des zweiten und dritten
Evangeliums Kunde hatten, steht dahin; die Notiz von

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[684/0703] Dritter Abschnitt. ser des vierten Evangeliums und die übrigen N. T.lichen Schriftsteller setzen nur das voraus, was nach dem messia- nischen κάϑου ἐκ δεξιῶν μου, Ps. 110, 1. vorausgesezt wer- den muſste, daſs Jesus sich zur Rechten Gottes erhoben habe, ohne über das Wie etwas zu bestimmen, oder sich die Auffahrt dahin als eine sichtbare vorzustellen. Doch muſste es der urchristlichen Phantasie sehr nahe liegen, diese Erhebung auch zum glänzenden Schauspiele auszu- malen. Lieſs man den Messias Jesus an einem so erhabe- nen Ziele angekommen sein: so wollte man ihm auch auf dem Wege dahin gleichsam nachsehen. Erwartete man seine einstige Wiederkunft vom Himmel nach Daniel als sichtba- res Herabkommen in den Wolken: so ergab es sich von selbst, seinen Hingang zum Himmel als sichtbares Aufstei- gen auf einer Wolke vorzustellen, und wenn Lukas die beiden Weiſsgekleideten, welche nach der Wegnahme Jesu zu den Jüngern traten, sagen läſst: οὖτος ὁ Ἰησοῦς, ὁ ἀνα- ληφϑεὶς ἀφ̕ ὑμῶν εἰς τὸν οὐρανὸν, ου͑̍τως ἐλεύσεται, ὃν τρόπον ἐϑεάσασϑε αὐτὸν πορευόμενον εἰς τὸν οὐρανόν (A. G. 1, 11.): so darf man dieſs nur umkehren, um die Genesis der Vor- stellung von der Himmelfahrt Jesu zu haben, indem nämlich geschlossen wurde: wie Jesus dereinst vom Himmel wie- derkommen wird: so wird er wohl auch dahin gegangen sein 16). Neben diesem Hauptmoment treten die A. T.lichen Vorgänge, welche die Himmelfahrt Jesu an der Hinweg- nahme des Henoch (1. Mos. 5, 24. vgl. Sir. 44, 16. 49, 16. Hebr. 11, 5.) und besonders an der Himmelfahrt des Elia (2. Kön. 2, 11. vgl. Sir. 48, 9. 1. Macc. 2, 58.) hat, sammt den griechischen und römischen Apotheosen eines Herakles und Romulus, in den Hintergrund zurück. Ob von den lezteren die Verfasser des zweiten und dritten Evangeliums Kunde hatten, steht dahin; die Notiz von 16) So auch Hase, L. J. §. 150.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/703>, abgerufen am 07.05.2024.