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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
liegen einige schmale höchst angenehme Thäler, die in
die Ebene auslaufen. An ein paar Orten aber gehen
aus diesen Thälern noch andere engere in den Schooß
der Berge hinein, und bilden da einsame reizende
Wohnplätze. Jenseit dieser nächsten Berge liegen
zwischen diesen und den größern darhinter liegenden
auch viele theils wilde, theils fruchtbare, ganz roman-
tische Thäler, an denen man sich von den Höhen her-
unter nie satt sehen kann.

Das ebene flache Land zunächst an der Stadt ist
in Gärten eingetheilt, die mit ziemlich hohen Mauern
umgeben sind, zwischen denen eine Menge enger Gäß-
chen durchgehen. Diese Gärten haben nichts Ange-
nehmes, als die große Menge der Citronen- und Pom-
meranzenbäume, womit sie besetzt sind, und die
schönsten Küchengewächse, die hier auch den ganzen
Winter über in großem Ueberfluß darin angetroffen
werden. Das Land in diesen Gärten ruhet nie; so
wie ein Stück seine Nutzung gegeben hat, wird es
auch gleich wieder umgegraben, und aufs neue be-
pflanzt oder besät. Außerdem haben die Gärten keine
Annehmlichkeit, keinen Schatten, keine Spazier-
gänge, kurz nichts zum bloßen Vergnügen.

Jn jedem Garten steht ein mehr oder weniger gros-
ses und gutes Wohnhaus, sowohl für die Familie des
Gärtners, als für den in der Stadt wohnenden Ei-
genthümer. Denn nur wenige Gärtner sind selbst
Besitzer der Gärten, die sie bearbeiten. Einige sitzen
auf Pacht darin; andere, und diese sind die meisten,
bearbeiten und benutzen sie für die Hälfte des jährli-
chen Ertrages. Einige wenige dieser Gartenhäuser
sind räumlich, wohlgebaut und gut unterhalten. Diese

sind

Tagebuch von einer nach Nizza
liegen einige ſchmale hoͤchſt angenehme Thaͤler, die in
die Ebene auslaufen. An ein paar Orten aber gehen
aus dieſen Thaͤlern noch andere engere in den Schooß
der Berge hinein, und bilden da einſame reizende
Wohnplaͤtze. Jenſeit dieſer naͤchſten Berge liegen
zwiſchen dieſen und den groͤßern darhinter liegenden
auch viele theils wilde, theils fruchtbare, ganz roman-
tiſche Thaͤler, an denen man ſich von den Hoͤhen her-
unter nie ſatt ſehen kann.

Das ebene flache Land zunaͤchſt an der Stadt iſt
in Gaͤrten eingetheilt, die mit ziemlich hohen Mauern
umgeben ſind, zwiſchen denen eine Menge enger Gaͤß-
chen durchgehen. Dieſe Gaͤrten haben nichts Ange-
nehmes, als die große Menge der Citronen- und Pom-
meranzenbaͤume, womit ſie beſetzt ſind, und die
ſchoͤnſten Kuͤchengewaͤchſe, die hier auch den ganzen
Winter uͤber in großem Ueberfluß darin angetroffen
werden. Das Land in dieſen Gaͤrten ruhet nie; ſo
wie ein Stuͤck ſeine Nutzung gegeben hat, wird es
auch gleich wieder umgegraben, und aufs neue be-
pflanzt oder beſaͤt. Außerdem haben die Gaͤrten keine
Annehmlichkeit, keinen Schatten, keine Spazier-
gaͤnge, kurz nichts zum bloßen Vergnuͤgen.

Jn jedem Garten ſteht ein mehr oder weniger groſ-
ſes und gutes Wohnhaus, ſowohl fuͤr die Familie des
Gaͤrtners, als fuͤr den in der Stadt wohnenden Ei-
genthuͤmer. Denn nur wenige Gaͤrtner ſind ſelbſt
Beſitzer der Gaͤrten, die ſie bearbeiten. Einige ſitzen
auf Pacht darin; andere, und dieſe ſind die meiſten,
bearbeiten und benutzen ſie fuͤr die Haͤlfte des jaͤhrli-
chen Ertrages. Einige wenige dieſer Gartenhaͤuſer
ſind raͤumlich, wohlgebaut und gut unterhalten. Dieſe

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[188/0208] Tagebuch von einer nach Nizza liegen einige ſchmale hoͤchſt angenehme Thaͤler, die in die Ebene auslaufen. An ein paar Orten aber gehen aus dieſen Thaͤlern noch andere engere in den Schooß der Berge hinein, und bilden da einſame reizende Wohnplaͤtze. Jenſeit dieſer naͤchſten Berge liegen zwiſchen dieſen und den groͤßern darhinter liegenden auch viele theils wilde, theils fruchtbare, ganz roman- tiſche Thaͤler, an denen man ſich von den Hoͤhen her- unter nie ſatt ſehen kann. Das ebene flache Land zunaͤchſt an der Stadt iſt in Gaͤrten eingetheilt, die mit ziemlich hohen Mauern umgeben ſind, zwiſchen denen eine Menge enger Gaͤß- chen durchgehen. Dieſe Gaͤrten haben nichts Ange- nehmes, als die große Menge der Citronen- und Pom- meranzenbaͤume, womit ſie beſetzt ſind, und die ſchoͤnſten Kuͤchengewaͤchſe, die hier auch den ganzen Winter uͤber in großem Ueberfluß darin angetroffen werden. Das Land in dieſen Gaͤrten ruhet nie; ſo wie ein Stuͤck ſeine Nutzung gegeben hat, wird es auch gleich wieder umgegraben, und aufs neue be- pflanzt oder beſaͤt. Außerdem haben die Gaͤrten keine Annehmlichkeit, keinen Schatten, keine Spazier- gaͤnge, kurz nichts zum bloßen Vergnuͤgen. Jn jedem Garten ſteht ein mehr oder weniger groſ- ſes und gutes Wohnhaus, ſowohl fuͤr die Familie des Gaͤrtners, als fuͤr den in der Stadt wohnenden Ei- genthuͤmer. Denn nur wenige Gaͤrtner ſind ſelbſt Beſitzer der Gaͤrten, die ſie bearbeiten. Einige ſitzen auf Pacht darin; andere, und dieſe ſind die meiſten, bearbeiten und benutzen ſie fuͤr die Haͤlfte des jaͤhrli- chen Ertrages. Einige wenige dieſer Gartenhaͤuſer ſind raͤumlich, wohlgebaut und gut unterhalten. Dieſe ſind

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/208>, abgerufen am 27.04.2024.