Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

gethanen Reise.
unverheiratheten Mädchen daran unterscheiden, daß
jene seidene Kleider tragen. Diesen Staat muß jeder
junge Bauer seiner Braut schaffen, und der wird für
ein so unumgänglich nothwendiges Stück zum Heira-
then gehalten, als das Bette in Deutschland.

Die weibliche Kleidung besteht aus einem engen
Brustleibchen, auf der Brust mit Bändern ausgeziert
und mit Blumensträußen besteckt, insgemein von ge-
streiftem Taffet und einem ziemlich langen seidnen Rock
oder Jupe, mit einer Schürze, beyde ohne andre Ver-
zierung oder Garniture. Die Unverheiratheten haben
dergleichen Kleider aus gemaltem baumwollenen oder
gestreiften leinenen Zeug. Der Kopfputz ist sehr artig.
Die durchgehends pechschwarzen Haare werden in ei-
nen Zopf zusammengebunden; dieser wird mit einem
weissen, rothen oder grünen Bande dergestalt umwun-
den, daß die Haare zwischen zwey Umgängen des
Bandes bloß bleiben; daraus entstehen also bunte
schwarz und weisse, oder schwarz und rothe u. s. f. Zö-
pfe, die so um die Schläfe und Stirne herumgeführt
werden, daß sie eine Krone um den Kopf herum bil-
den. Uebrigens bleibt der Kopf bloß. Das gemei-
ne Volk beyderley Geschlechts trägt, wenn es sich nicht
putzen will, die Haare in einem grünen Netze, wel-
ches statt der Mütze dienet, und ganz lose den Kopf
bedeckt. Dieses Haarnetz ist eine sehr alte, und wo
ich mich recht besinne, schon bey den alten Griechen ge-
bräuchliche Tracht, die gegenwärtig überall längst der
diesseitigen Küste des mittelländischen Meeres im Ge-
brauch ist. Der Engländer Twiß gedenkt derselben
in seiner Reise durch Portugal und Spanien. Die
Portugiesen nennen dies Haarnetz Redecilla.

Ue-
O 2

gethanen Reiſe.
unverheiratheten Maͤdchen daran unterſcheiden, daß
jene ſeidene Kleider tragen. Dieſen Staat muß jeder
junge Bauer ſeiner Braut ſchaffen, und der wird fuͤr
ein ſo unumgaͤnglich nothwendiges Stuͤck zum Heira-
then gehalten, als das Bette in Deutſchland.

Die weibliche Kleidung beſteht aus einem engen
Bruſtleibchen, auf der Bruſt mit Baͤndern ausgeziert
und mit Blumenſtraͤußen beſteckt, insgemein von ge-
ſtreiftem Taffet und einem ziemlich langen ſeidnen Rock
oder Jupe, mit einer Schuͤrze, beyde ohne andre Ver-
zierung oder Garniture. Die Unverheiratheten haben
dergleichen Kleider aus gemaltem baumwollenen oder
geſtreiften leinenen Zeug. Der Kopfputz iſt ſehr artig.
Die durchgehends pechſchwarzen Haare werden in ei-
nen Zopf zuſammengebunden; dieſer wird mit einem
weiſſen, rothen oder gruͤnen Bande dergeſtalt umwun-
den, daß die Haare zwiſchen zwey Umgaͤngen des
Bandes bloß bleiben; daraus entſtehen alſo bunte
ſchwarz und weiſſe, oder ſchwarz und rothe u. ſ. f. Zoͤ-
pfe, die ſo um die Schlaͤfe und Stirne herumgefuͤhrt
werden, daß ſie eine Krone um den Kopf herum bil-
den. Uebrigens bleibt der Kopf bloß. Das gemei-
ne Volk beyderley Geſchlechts traͤgt, wenn es ſich nicht
putzen will, die Haare in einem gruͤnen Netze, wel-
ches ſtatt der Muͤtze dienet, und ganz loſe den Kopf
bedeckt. Dieſes Haarnetz iſt eine ſehr alte, und wo
ich mich recht beſinne, ſchon bey den alten Griechen ge-
braͤuchliche Tracht, die gegenwaͤrtig uͤberall laͤngſt der
dieſſeitigen Kuͤſte des mittellaͤndiſchen Meeres im Ge-
brauch iſt. Der Englaͤnder Twiß gedenkt derſelben
in ſeiner Reiſe durch Portugal und Spanien. Die
Portugieſen nennen dies Haarnetz Redecilla.

Ue-
O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0231" n="211"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
unverheiratheten Ma&#x0364;dchen daran unter&#x017F;cheiden, daß<lb/>
jene &#x017F;eidene Kleider tragen. Die&#x017F;en Staat muß jeder<lb/>
junge Bauer &#x017F;einer Braut &#x017F;chaffen, und der wird fu&#x0364;r<lb/>
ein &#x017F;o unumga&#x0364;nglich nothwendiges Stu&#x0364;ck zum Heira-<lb/>
then gehalten, als das Bette in Deut&#x017F;chland.</p><lb/>
        <p>Die weibliche Kleidung be&#x017F;teht aus einem engen<lb/>
Bru&#x017F;tleibchen, auf der Bru&#x017F;t mit Ba&#x0364;ndern ausgeziert<lb/>
und mit Blumen&#x017F;tra&#x0364;ußen be&#x017F;teckt, insgemein von ge-<lb/>
&#x017F;treiftem Taffet und einem ziemlich langen &#x017F;eidnen Rock<lb/>
oder Jupe, mit einer Schu&#x0364;rze, beyde ohne andre Ver-<lb/>
zierung oder Garniture. Die Unverheiratheten haben<lb/>
dergleichen Kleider aus gemaltem baumwollenen oder<lb/>
ge&#x017F;treiften leinenen Zeug. Der Kopfputz i&#x017F;t &#x017F;ehr artig.<lb/>
Die durchgehends pech&#x017F;chwarzen Haare werden in ei-<lb/>
nen Zopf zu&#x017F;ammengebunden; die&#x017F;er wird mit einem<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;en, rothen oder gru&#x0364;nen Bande derge&#x017F;talt umwun-<lb/>
den, daß die Haare zwi&#x017F;chen zwey Umga&#x0364;ngen des<lb/>
Bandes bloß bleiben; daraus ent&#x017F;tehen al&#x017F;o bunte<lb/>
&#x017F;chwarz und wei&#x017F;&#x017F;e, oder &#x017F;chwarz und rothe u. &#x017F;. f. Zo&#x0364;-<lb/>
pfe, die &#x017F;o um die Schla&#x0364;fe und Stirne herumgefu&#x0364;hrt<lb/>
werden, daß &#x017F;ie eine Krone um den Kopf herum bil-<lb/>
den. Uebrigens bleibt der Kopf bloß. Das gemei-<lb/>
ne Volk beyderley Ge&#x017F;chlechts tra&#x0364;gt, wenn es &#x017F;ich nicht<lb/>
putzen will, die Haare in einem gru&#x0364;nen Netze, wel-<lb/>
ches &#x017F;tatt der Mu&#x0364;tze dienet, und ganz lo&#x017F;e den Kopf<lb/>
bedeckt. Die&#x017F;es Haarnetz i&#x017F;t eine &#x017F;ehr alte, und wo<lb/>
ich mich recht be&#x017F;inne, &#x017F;chon bey den alten Griechen ge-<lb/>
bra&#x0364;uchliche Tracht, die gegenwa&#x0364;rtig u&#x0364;berall la&#x0364;ng&#x017F;t der<lb/>
die&#x017F;&#x017F;eitigen Ku&#x0364;&#x017F;te des mittella&#x0364;ndi&#x017F;chen Meeres im Ge-<lb/>
brauch i&#x017F;t. Der Engla&#x0364;nder <hi rendition="#fr">Twiß</hi> gedenkt der&#x017F;elben<lb/>
in &#x017F;einer Rei&#x017F;e durch <hi rendition="#fr">Portugal</hi> und <hi rendition="#fr">Spanien.</hi> Die<lb/><hi rendition="#fr">Portugie&#x017F;en</hi> nennen dies Haarnetz <hi rendition="#fr">Redecilla.</hi></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">O 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Ue-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0231] gethanen Reiſe. unverheiratheten Maͤdchen daran unterſcheiden, daß jene ſeidene Kleider tragen. Dieſen Staat muß jeder junge Bauer ſeiner Braut ſchaffen, und der wird fuͤr ein ſo unumgaͤnglich nothwendiges Stuͤck zum Heira- then gehalten, als das Bette in Deutſchland. Die weibliche Kleidung beſteht aus einem engen Bruſtleibchen, auf der Bruſt mit Baͤndern ausgeziert und mit Blumenſtraͤußen beſteckt, insgemein von ge- ſtreiftem Taffet und einem ziemlich langen ſeidnen Rock oder Jupe, mit einer Schuͤrze, beyde ohne andre Ver- zierung oder Garniture. Die Unverheiratheten haben dergleichen Kleider aus gemaltem baumwollenen oder geſtreiften leinenen Zeug. Der Kopfputz iſt ſehr artig. Die durchgehends pechſchwarzen Haare werden in ei- nen Zopf zuſammengebunden; dieſer wird mit einem weiſſen, rothen oder gruͤnen Bande dergeſtalt umwun- den, daß die Haare zwiſchen zwey Umgaͤngen des Bandes bloß bleiben; daraus entſtehen alſo bunte ſchwarz und weiſſe, oder ſchwarz und rothe u. ſ. f. Zoͤ- pfe, die ſo um die Schlaͤfe und Stirne herumgefuͤhrt werden, daß ſie eine Krone um den Kopf herum bil- den. Uebrigens bleibt der Kopf bloß. Das gemei- ne Volk beyderley Geſchlechts traͤgt, wenn es ſich nicht putzen will, die Haare in einem gruͤnen Netze, wel- ches ſtatt der Muͤtze dienet, und ganz loſe den Kopf bedeckt. Dieſes Haarnetz iſt eine ſehr alte, und wo ich mich recht beſinne, ſchon bey den alten Griechen ge- braͤuchliche Tracht, die gegenwaͤrtig uͤberall laͤngſt der dieſſeitigen Kuͤſte des mittellaͤndiſchen Meeres im Ge- brauch iſt. Der Englaͤnder Twiß gedenkt derſelben in ſeiner Reiſe durch Portugal und Spanien. Die Portugieſen nennen dies Haarnetz Redecilla. Ue- O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/231
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/231>, abgerufen am 16.10.2024.