Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Tagebuch von einer nach Nizza
chung, die ich über die vorgeblichen Jumarts angestellt
habe, zu erzählen.

Die Wirklichkeit dieser Thiere, welche von einem
Stier und einer Stute sollen erzeuget werden, wird
von verschiedenen Schriftstellern behauptet, von an-
dern aber geläugnet, oder doch sehr zweifelhaft gemacht.
Jch habe irgendwo gelesen, daß dergleichen Thiere in
der Grafschaft Nizza sollen angetroffen werden.

Eines Tages, da mich einige Bekannte besuchten,
fiel es mir ein, mich nach dieser Sache zu erkundigen.
Einer dieser Herren versicherte mich, daß dergleichen
Thiere dort wirklich vorhanden seyen, und daß es bey
mir stehen würde, eines in einem gewissen Landhause,
wo es unterhalten würde, zu sehen. Er machte mir,
da ihm das Thier bekannt war, eine Beschreibung da-
von; und ich fieng an, von der Wirklichkeit des Ju-
marts überzeugt zu seyn. Sogleich konnte ich, we-
gen damaliger Unpäßlichkeit, nicht an den Ort hinge-
hen. Jch bat aber einen der andern Herren, diesen
Weg für mich zu thun, und das seltene Thier genau
zu beobachten. Dieses geschah gleich den folgenden
Tag; und nach dieser Besichtigung versicherte mich
der Augenzeuge, daß dieser Jumart nichts anders sey,
als ein ziemlich wildes sardinisches Pferd, das sich
außer den langen und rauhen Haaren, die diese Pfer-
de immer haben, und einer mehrern Wildheit, in
keinem Stück von den gewöhnlichen Pferden unter-
scheide.

Politische
Verfassung.

Nun will ich auch anführen, was ich von der po-
litischen Verfassung von Nizza erfahren habe. Die
Einwohner der Stadt und des zu ihrem Gebiete gehö-
rigen Landes, machen eine kleine Municipalrepublik

aus,

Tagebuch von einer nach Nizza
chung, die ich uͤber die vorgeblichen Jumarts angeſtellt
habe, zu erzaͤhlen.

Die Wirklichkeit dieſer Thiere, welche von einem
Stier und einer Stute ſollen erzeuget werden, wird
von verſchiedenen Schriftſtellern behauptet, von an-
dern aber gelaͤugnet, oder doch ſehr zweifelhaft gemacht.
Jch habe irgendwo geleſen, daß dergleichen Thiere in
der Grafſchaft Nizza ſollen angetroffen werden.

Eines Tages, da mich einige Bekannte beſuchten,
fiel es mir ein, mich nach dieſer Sache zu erkundigen.
Einer dieſer Herren verſicherte mich, daß dergleichen
Thiere dort wirklich vorhanden ſeyen, und daß es bey
mir ſtehen wuͤrde, eines in einem gewiſſen Landhauſe,
wo es unterhalten wuͤrde, zu ſehen. Er machte mir,
da ihm das Thier bekannt war, eine Beſchreibung da-
von; und ich fieng an, von der Wirklichkeit des Ju-
marts uͤberzeugt zu ſeyn. Sogleich konnte ich, we-
gen damaliger Unpaͤßlichkeit, nicht an den Ort hinge-
hen. Jch bat aber einen der andern Herren, dieſen
Weg fuͤr mich zu thun, und das ſeltene Thier genau
zu beobachten. Dieſes geſchah gleich den folgenden
Tag; und nach dieſer Beſichtigung verſicherte mich
der Augenzeuge, daß dieſer Jumart nichts anders ſey,
als ein ziemlich wildes ſardiniſches Pferd, das ſich
außer den langen und rauhen Haaren, die dieſe Pfer-
de immer haben, und einer mehrern Wildheit, in
keinem Stuͤck von den gewoͤhnlichen Pferden unter-
ſcheide.

Politiſche
Verfaſſung.

Nun will ich auch anfuͤhren, was ich von der po-
litiſchen Verfaſſung von Nizza erfahren habe. Die
Einwohner der Stadt und des zu ihrem Gebiete gehoͤ-
rigen Landes, machen eine kleine Municipalrepublik

aus,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0240" n="220"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/>
chung, die ich u&#x0364;ber die vorgeblichen Jumarts ange&#x017F;tellt<lb/>
habe, zu erza&#x0364;hlen.</p><lb/>
        <p>Die Wirklichkeit die&#x017F;er Thiere, welche von einem<lb/>
Stier und einer Stute &#x017F;ollen erzeuget werden, wird<lb/>
von ver&#x017F;chiedenen Schrift&#x017F;tellern behauptet, von an-<lb/>
dern aber gela&#x0364;ugnet, oder doch &#x017F;ehr zweifelhaft gemacht.<lb/>
Jch habe irgendwo gele&#x017F;en, daß dergleichen Thiere in<lb/>
der Graf&#x017F;chaft <hi rendition="#fr">Nizza</hi> &#x017F;ollen angetroffen werden.</p><lb/>
        <p>Eines Tages, da mich einige Bekannte be&#x017F;uchten,<lb/>
fiel es mir ein, mich nach die&#x017F;er Sache zu erkundigen.<lb/>
Einer die&#x017F;er Herren ver&#x017F;icherte mich, daß dergleichen<lb/>
Thiere dort wirklich vorhanden &#x017F;eyen, und daß es bey<lb/>
mir &#x017F;tehen wu&#x0364;rde, eines in einem gewi&#x017F;&#x017F;en Landhau&#x017F;e,<lb/>
wo es unterhalten wu&#x0364;rde, zu &#x017F;ehen. Er machte mir,<lb/>
da ihm das Thier bekannt war, eine Be&#x017F;chreibung da-<lb/>
von; und ich fieng an, von der Wirklichkeit des Ju-<lb/>
marts u&#x0364;berzeugt zu &#x017F;eyn. Sogleich konnte ich, we-<lb/>
gen damaliger Unpa&#x0364;ßlichkeit, nicht an den Ort hinge-<lb/>
hen. Jch bat aber einen der andern Herren, die&#x017F;en<lb/>
Weg fu&#x0364;r mich zu thun, und das &#x017F;eltene Thier genau<lb/>
zu beobachten. Die&#x017F;es ge&#x017F;chah gleich den folgenden<lb/>
Tag; und nach die&#x017F;er Be&#x017F;ichtigung ver&#x017F;icherte mich<lb/>
der Augenzeuge, daß die&#x017F;er Jumart nichts anders &#x017F;ey,<lb/>
als ein ziemlich wildes &#x017F;ardini&#x017F;ches Pferd, das &#x017F;ich<lb/>
außer den langen und rauhen Haaren, die die&#x017F;e Pfer-<lb/>
de immer haben, und einer mehrern Wildheit, in<lb/>
keinem Stu&#x0364;ck von den gewo&#x0364;hnlichen Pferden unter-<lb/>
&#x017F;cheide.</p><lb/>
        <note place="left">Politi&#x017F;che<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung.</note>
        <p>Nun will ich auch anfu&#x0364;hren, was ich von der po-<lb/>
liti&#x017F;chen Verfa&#x017F;&#x017F;ung von <hi rendition="#fr">Nizza</hi> erfahren habe. Die<lb/>
Einwohner der Stadt und des zu ihrem Gebiete geho&#x0364;-<lb/>
rigen Landes, machen eine kleine Municipalrepublik<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aus,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0240] Tagebuch von einer nach Nizza chung, die ich uͤber die vorgeblichen Jumarts angeſtellt habe, zu erzaͤhlen. Die Wirklichkeit dieſer Thiere, welche von einem Stier und einer Stute ſollen erzeuget werden, wird von verſchiedenen Schriftſtellern behauptet, von an- dern aber gelaͤugnet, oder doch ſehr zweifelhaft gemacht. Jch habe irgendwo geleſen, daß dergleichen Thiere in der Grafſchaft Nizza ſollen angetroffen werden. Eines Tages, da mich einige Bekannte beſuchten, fiel es mir ein, mich nach dieſer Sache zu erkundigen. Einer dieſer Herren verſicherte mich, daß dergleichen Thiere dort wirklich vorhanden ſeyen, und daß es bey mir ſtehen wuͤrde, eines in einem gewiſſen Landhauſe, wo es unterhalten wuͤrde, zu ſehen. Er machte mir, da ihm das Thier bekannt war, eine Beſchreibung da- von; und ich fieng an, von der Wirklichkeit des Ju- marts uͤberzeugt zu ſeyn. Sogleich konnte ich, we- gen damaliger Unpaͤßlichkeit, nicht an den Ort hinge- hen. Jch bat aber einen der andern Herren, dieſen Weg fuͤr mich zu thun, und das ſeltene Thier genau zu beobachten. Dieſes geſchah gleich den folgenden Tag; und nach dieſer Beſichtigung verſicherte mich der Augenzeuge, daß dieſer Jumart nichts anders ſey, als ein ziemlich wildes ſardiniſches Pferd, das ſich außer den langen und rauhen Haaren, die dieſe Pfer- de immer haben, und einer mehrern Wildheit, in keinem Stuͤck von den gewoͤhnlichen Pferden unter- ſcheide. Nun will ich auch anfuͤhren, was ich von der po- litiſchen Verfaſſung von Nizza erfahren habe. Die Einwohner der Stadt und des zu ihrem Gebiete gehoͤ- rigen Landes, machen eine kleine Municipalrepublik aus,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/240
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/240>, abgerufen am 28.04.2024.