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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.
nen Militairdienst aber bekümmert er sich nicht, son-
dern überläßt diesen dem Commandeur des Batallions.
Der jetzige Commendant ist der Chevalier de Blo-
nay,
ein Savoyard, oder wie er mir aus Höflich-
keit sagte, ein halber Schweizer. Jn der That ist ein
Theil dieser Familie, nämlich derjenige, welcher seine
Güter in dem Pais de Vaud hatte, mit diesem Land
unter den Canton Bern gekommen, und blühet noch
gegenwärtig da. 3) Den Jntendant des Königs,
der das Jnteresse des Hofes in der ganzen Provinz be-
sorgt. 4) Für die wichtigern Civil- und Criminal-
rechtshändel ist hier ein souverainer Gerichtshof nieder-
gesetzt, der das Parlament, auch der Senat genannt
wird. Die Senatoren werden vom Hofe aus dem
Adel bestellt. Selbst die meisten Advocaten bey die-
sem obersten Gerichte sind Edelleute.

Die Anstalten zum Studiren sind hier ziemlich
schlecht. Zwar ist außer dem bischöflichen Seminario,
darin die Geistlichen studiren, ein Gymnasium, auf
welchem außer den sogenannten litteris humanioribus,
auch Mathematik, Physik und Philosophie gelehret
werden, und über welches der Hof einen Reformatore
aus dem hiesigen Adel setzet. Aber es ist in etwas
schlechtem Zustande.

Jch hatte ein zuverläßiges Verzeichniß der Städ-
te, Flecken und Dörfer der ganzen Grafschaft in den
Händen, habe aber versäumt, daraus etwas aufzu-
zeichnen. So viel ich mich erinnere, belief sich die
Zahl doch über zweyhundert und funfzig. Jch kann
mir aber keinen Begriff davon machen, wie so viel
Leute in einem solchen Lande, das keine Aecker und so

sehr

gethanen Reiſe.
nen Militairdienſt aber bekuͤmmert er ſich nicht, ſon-
dern uͤberlaͤßt dieſen dem Commandeur des Batallions.
Der jetzige Commendant iſt der Chevalier de Blo-
nay,
ein Savoyard, oder wie er mir aus Hoͤflich-
keit ſagte, ein halber Schweizer. Jn der That iſt ein
Theil dieſer Familie, naͤmlich derjenige, welcher ſeine
Guͤter in dem Pais de Vaud hatte, mit dieſem Land
unter den Canton Bern gekommen, und bluͤhet noch
gegenwaͤrtig da. 3) Den Jntendant des Koͤnigs,
der das Jntereſſe des Hofes in der ganzen Provinz be-
ſorgt. 4) Fuͤr die wichtigern Civil- und Criminal-
rechtshaͤndel iſt hier ein ſouverainer Gerichtshof nieder-
geſetzt, der das Parlament, auch der Senat genannt
wird. Die Senatoren werden vom Hofe aus dem
Adel beſtellt. Selbſt die meiſten Advocaten bey die-
ſem oberſten Gerichte ſind Edelleute.

Die Anſtalten zum Studiren ſind hier ziemlich
ſchlecht. Zwar iſt außer dem biſchoͤflichen Seminario,
darin die Geiſtlichen ſtudiren, ein Gymnaſium, auf
welchem außer den ſogenannten litteris humanioribus,
auch Mathematik, Phyſik und Philoſophie gelehret
werden, und uͤber welches der Hof einen Reformatore
aus dem hieſigen Adel ſetzet. Aber es iſt in etwas
ſchlechtem Zuſtande.

Jch hatte ein zuverlaͤßiges Verzeichniß der Staͤd-
te, Flecken und Doͤrfer der ganzen Grafſchaft in den
Haͤnden, habe aber verſaͤumt, daraus etwas aufzu-
zeichnen. So viel ich mich erinnere, belief ſich die
Zahl doch uͤber zweyhundert und funfzig. Jch kann
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Leute in einem ſolchen Lande, das keine Aecker und ſo

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[223/0243] gethanen Reiſe. nen Militairdienſt aber bekuͤmmert er ſich nicht, ſon- dern uͤberlaͤßt dieſen dem Commandeur des Batallions. Der jetzige Commendant iſt der Chevalier de Blo- nay, ein Savoyard, oder wie er mir aus Hoͤflich- keit ſagte, ein halber Schweizer. Jn der That iſt ein Theil dieſer Familie, naͤmlich derjenige, welcher ſeine Guͤter in dem Pais de Vaud hatte, mit dieſem Land unter den Canton Bern gekommen, und bluͤhet noch gegenwaͤrtig da. 3) Den Jntendant des Koͤnigs, der das Jntereſſe des Hofes in der ganzen Provinz be- ſorgt. 4) Fuͤr die wichtigern Civil- und Criminal- rechtshaͤndel iſt hier ein ſouverainer Gerichtshof nieder- geſetzt, der das Parlament, auch der Senat genannt wird. Die Senatoren werden vom Hofe aus dem Adel beſtellt. Selbſt die meiſten Advocaten bey die- ſem oberſten Gerichte ſind Edelleute. Die Anſtalten zum Studiren ſind hier ziemlich ſchlecht. Zwar iſt außer dem biſchoͤflichen Seminario, darin die Geiſtlichen ſtudiren, ein Gymnaſium, auf welchem außer den ſogenannten litteris humanioribus, auch Mathematik, Phyſik und Philoſophie gelehret werden, und uͤber welches der Hof einen Reformatore aus dem hieſigen Adel ſetzet. Aber es iſt in etwas ſchlechtem Zuſtande. Jch hatte ein zuverlaͤßiges Verzeichniß der Staͤd- te, Flecken und Doͤrfer der ganzen Grafſchaft in den Haͤnden, habe aber verſaͤumt, daraus etwas aufzu- zeichnen. So viel ich mich erinnere, belief ſich die Zahl doch uͤber zweyhundert und funfzig. Jch kann mir aber keinen Begriff davon machen, wie ſo viel Leute in einem ſolchen Lande, das keine Aecker und ſo ſehr

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/243>, abgerufen am 28.04.2024.