Von der ehemaligen königlichen Burg in Monza sind nur noch einige Ruinen übrig. Sonst ist dieser Ort angenehm, und die Einwohner sollen wohlhabend seyn, weil verschiedene gute Fabriken da getrieben werden.
Die Kirche in Monza richtet sich nach den römi- schen Kirchengebräuchen, da sonst Meiland den am- brosianischen Ritum behalten hat. Dieses erinnert mich, eines Umstandes zu gedenken, aus dem man urtheilen kann, daß, wenigstens in Meiland, das Fasten in der römischen Kirche für ziemlich beschwer- lich gehalten wird. Verschiedene Fasttage fallen in Meiland anders als in Monza; und selbst die große Fastenzeit fällt dort um drey Tage später, als hier. Dieses machen sich viele so zu nutze, daß sie, wenn in Meiland Fasttage sind, die mit den römischen nicht übereintreffen, nach Monza gehen, um dort nicht zu fasten; und so gehen in ähnlichen Umständen viele von Monza nach Meiland. Jn dieser Hauptstadt hat das Fasten auch auf die Comödie den Einfluß, daß an Fasttagen das Schauspiel später angeht, damit die Zuschauer erst um Mitternacht, oder etwas später nach Hause kommen, um bey der Abendmahlzeit Fleisch essen zu können. Gewöhnlicher Weise geht die Comödie in Meiland um 9 Uhr des Abends an; an den Fasttagen aber erst gegen zehen. An solchen Tagen nehmen sich auch die Comödianten sehr in Acht, daß sich ihr Stück nicht zu früh endige. Daher kommt es, daß sie bisweilen, da sie meist immer, wie man es nennt, extemporiren, die Scenen auf ei- ne abgeschmackte Weise verlängern, um nur nicht vor Mitternacht zu schließen.
Von
Y
von Nizza nach Deutſchland.
Von der ehemaligen koͤniglichen Burg in Monza ſind nur noch einige Ruinen uͤbrig. Sonſt iſt dieſer Ort angenehm, und die Einwohner ſollen wohlhabend ſeyn, weil verſchiedene gute Fabriken da getrieben werden.
Die Kirche in Monza richtet ſich nach den roͤmi- ſchen Kirchengebraͤuchen, da ſonſt Meiland den am- broſianiſchen Ritum behalten hat. Dieſes erinnert mich, eines Umſtandes zu gedenken, aus dem man urtheilen kann, daß, wenigſtens in Meiland, das Faſten in der roͤmiſchen Kirche fuͤr ziemlich beſchwer- lich gehalten wird. Verſchiedene Faſttage fallen in Meiland anders als in Monza; und ſelbſt die große Faſtenzeit faͤllt dort um drey Tage ſpaͤter, als hier. Dieſes machen ſich viele ſo zu nutze, daß ſie, wenn in Meiland Faſttage ſind, die mit den roͤmiſchen nicht uͤbereintreffen, nach Monza gehen, um dort nicht zu faſten; und ſo gehen in aͤhnlichen Umſtaͤnden viele von Monza nach Meiland. Jn dieſer Hauptſtadt hat das Faſten auch auf die Comoͤdie den Einfluß, daß an Faſttagen das Schauſpiel ſpaͤter angeht, damit die Zuſchauer erſt um Mitternacht, oder etwas ſpaͤter nach Hauſe kommen, um bey der Abendmahlzeit Fleiſch eſſen zu koͤnnen. Gewoͤhnlicher Weiſe geht die Comoͤdie in Meiland um 9 Uhr des Abends an; an den Faſttagen aber erſt gegen zehen. An ſolchen Tagen nehmen ſich auch die Comoͤdianten ſehr in Acht, daß ſich ihr Stuͤck nicht zu fruͤh endige. Daher kommt es, daß ſie bisweilen, da ſie meiſt immer, wie man es nennt, extemporiren, die Scenen auf ei- ne abgeſchmackte Weiſe verlaͤngern, um nur nicht vor Mitternacht zu ſchließen.
Von
Y
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von Nizza nach Deutſchland.
Von der ehemaligen koͤniglichen Burg in Monza
ſind nur noch einige Ruinen uͤbrig. Sonſt iſt dieſer
Ort angenehm, und die Einwohner ſollen wohlhabend
ſeyn, weil verſchiedene gute Fabriken da getrieben
werden.
Die Kirche in Monza richtet ſich nach den roͤmi-
ſchen Kirchengebraͤuchen, da ſonſt Meiland den am-
broſianiſchen Ritum behalten hat. Dieſes erinnert
mich, eines Umſtandes zu gedenken, aus dem man
urtheilen kann, daß, wenigſtens in Meiland, das
Faſten in der roͤmiſchen Kirche fuͤr ziemlich beſchwer-
lich gehalten wird. Verſchiedene Faſttage fallen in
Meiland anders als in Monza; und ſelbſt die große
Faſtenzeit faͤllt dort um drey Tage ſpaͤter, als hier.
Dieſes machen ſich viele ſo zu nutze, daß ſie, wenn in
Meiland Faſttage ſind, die mit den roͤmiſchen nicht
uͤbereintreffen, nach Monza gehen, um dort nicht zu
faſten; und ſo gehen in aͤhnlichen Umſtaͤnden viele von
Monza nach Meiland. Jn dieſer Hauptſtadt hat
das Faſten auch auf die Comoͤdie den Einfluß, daß
an Faſttagen das Schauſpiel ſpaͤter angeht, damit die
Zuſchauer erſt um Mitternacht, oder etwas ſpaͤter
nach Hauſe kommen, um bey der Abendmahlzeit
Fleiſch eſſen zu koͤnnen. Gewoͤhnlicher Weiſe geht
die Comoͤdie in Meiland um 9 Uhr des Abends an;
an den Faſttagen aber erſt gegen zehen. An ſolchen
Tagen nehmen ſich auch die Comoͤdianten ſehr in Acht,
daß ſich ihr Stuͤck nicht zu fruͤh endige. Daher
kommt es, daß ſie bisweilen, da ſie meiſt immer,
wie man es nennt, extemporiren, die Scenen auf ei-
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/357>, abgerufen am 03.11.2024.
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