Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
gethanen Reise.

Unter diesen Umständen brachte ich meine Zeit in
Lausanne auf eine sehr angenehme Weise zu, und
fand auch eine merkliche Besserung meiner Gesund-
heit. Gern würde ich mich länger an einem so ange-
nehmen Ort aufgehalten haben, wenn nicht Hr. Tis-
sot
selbst mir gerathen hätte, vor dem ungewissen Ein-
bruch des kalten Herbstwetters die Provence zu er-
reichen.

Hier bekam ich auch einige authentische Nachrich-
ten von dem berühmten Mr. Court de Gebelin, des-
sen großes Unternehmen, welches er unter dem Titel
le Monde primitif bekannt gemacht, die Aufmerk-
samkeit der Liebhaber der Litteratur auf sich zieht. Er
ist in Lausanne geboren, dahin sich sein Vater,
ein protestantischer Prediger aus Languedoc, geflüchtet
hatte. Nachdem der junge Court de Gebelin seine
Studia da so weit getrieben hatte, daß er zum Pre-
diger ordinirt worden, kehrte er wieder nach Frank-
reich
zurück, und ließ sich in Paris nieder, in Hoff-
nung, da Gelegenheit zu finden, seinen Glaubensge-
nossen in Languedoc einige Dienste zu leisten.

Während meines Aufenthalts in LausanneWeg von
Lausanne
nach Vevay.

machte ich mir einen Tag den Zeitvertreib einer Spa-
zierfahrt nach Vevay, einen Ort, von dessen sonder-
barer Annehmlichkeit ich so oft habe sprechen gehört.
Diese Stadt liegt drey starke Stunden ober-
halb Lausanne an dem obern Theil des Gen-
fer Sees. Der Weg dahin ist sehr angenehm an
dem Fuß des Berges, der sich dicht an dem See von
Lausanne bis nach Vevay erstreckt. Dieser ganze
Berg ist an der Mittagsseite, die eigentlich die Küste
des Sees ausmacht, mit Weinreben besetzt, einige

weni-
D
gethanen Reiſe.

Unter dieſen Umſtaͤnden brachte ich meine Zeit in
Lauſanne auf eine ſehr angenehme Weiſe zu, und
fand auch eine merkliche Beſſerung meiner Geſund-
heit. Gern wuͤrde ich mich laͤnger an einem ſo ange-
nehmen Ort aufgehalten haben, wenn nicht Hr. Tiſ-
ſot
ſelbſt mir gerathen haͤtte, vor dem ungewiſſen Ein-
bruch des kalten Herbſtwetters die Provence zu er-
reichen.

Hier bekam ich auch einige authentiſche Nachrich-
ten von dem beruͤhmten Mr. Court de Gebelin, deſ-
ſen großes Unternehmen, welches er unter dem Titel
le Monde primitif bekannt gemacht, die Aufmerk-
ſamkeit der Liebhaber der Litteratur auf ſich zieht. Er
iſt in Lauſanne geboren, dahin ſich ſein Vater,
ein proteſtantiſcher Prediger aus Languedoc, gefluͤchtet
hatte. Nachdem der junge Court de Gebelin ſeine
Studia da ſo weit getrieben hatte, daß er zum Pre-
diger ordinirt worden, kehrte er wieder nach Frank-
reich
zuruͤck, und ließ ſich in Paris nieder, in Hoff-
nung, da Gelegenheit zu finden, ſeinen Glaubensge-
noſſen in Languedoc einige Dienſte zu leiſten.

Waͤhrend meines Aufenthalts in LauſanneWeg von
Lauſanne
nach Vevay.

machte ich mir einen Tag den Zeitvertreib einer Spa-
zierfahrt nach Vevay, einen Ort, von deſſen ſonder-
barer Annehmlichkeit ich ſo oft habe ſprechen gehoͤrt.
Dieſe Stadt liegt drey ſtarke Stunden ober-
halb Lauſanne an dem obern Theil des Gen-
fer Sees. Der Weg dahin iſt ſehr angenehm an
dem Fuß des Berges, der ſich dicht an dem See von
Lauſanne bis nach Vevay erſtreckt. Dieſer ganze
Berg iſt an der Mittagsſeite, die eigentlich die Kuͤſte
des Sees ausmacht, mit Weinreben beſetzt, einige

weni-
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <pb facs="#f0067" n="49"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
          <p>Unter die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden brachte ich meine Zeit in<lb/><hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi> auf eine &#x017F;ehr angenehme Wei&#x017F;e zu, und<lb/>
fand auch eine merkliche Be&#x017F;&#x017F;erung meiner Ge&#x017F;und-<lb/>
heit. Gern wu&#x0364;rde ich mich la&#x0364;nger an einem &#x017F;o ange-<lb/>
nehmen Ort aufgehalten haben, wenn nicht Hr. <hi rendition="#fr">Ti&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ot</hi> &#x017F;elb&#x017F;t mir gerathen ha&#x0364;tte, vor dem ungewi&#x017F;&#x017F;en Ein-<lb/>
bruch des kalten Herb&#x017F;twetters die Provence zu er-<lb/>
reichen.</p><lb/>
          <p>Hier bekam ich auch einige authenti&#x017F;che Nachrich-<lb/>
ten von dem beru&#x0364;hmten Mr. <hi rendition="#fr">Court de Gebelin,</hi> de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en großes Unternehmen, welches er unter dem Titel<lb/><hi rendition="#aq">le Monde primitif</hi> bekannt gemacht, die Aufmerk-<lb/>
&#x017F;amkeit der Liebhaber der Litteratur auf &#x017F;ich zieht. Er<lb/>
i&#x017F;t in <hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi> geboren, dahin &#x017F;ich &#x017F;ein Vater,<lb/>
ein prote&#x017F;tanti&#x017F;cher Prediger aus Languedoc, geflu&#x0364;chtet<lb/>
hatte. Nachdem der junge <hi rendition="#fr">Court de Gebelin</hi> &#x017F;eine<lb/>
Studia da &#x017F;o weit getrieben hatte, daß er zum Pre-<lb/>
diger ordinirt worden, kehrte er wieder nach <hi rendition="#fr">Frank-<lb/>
reich</hi> zuru&#x0364;ck, und ließ &#x017F;ich in <hi rendition="#fr">Paris</hi> nieder, in Hoff-<lb/>
nung, da Gelegenheit zu finden, &#x017F;einen Glaubensge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en in <hi rendition="#fr">Languedoc</hi> einige Dien&#x017F;te zu lei&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>Wa&#x0364;hrend meines Aufenthalts in <hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi><note place="right">Weg von<lb/>
Lau&#x017F;anne<lb/>
nach Vevay.</note><lb/>
machte ich mir einen Tag den Zeitvertreib einer Spa-<lb/>
zierfahrt nach <hi rendition="#fr">Vevay,</hi> einen Ort, von de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;onder-<lb/>
barer Annehmlichkeit ich &#x017F;o oft habe &#x017F;prechen geho&#x0364;rt.<lb/>
Die&#x017F;e Stadt liegt drey &#x017F;tarke Stunden ober-<lb/>
halb <hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi> an dem obern Theil des Gen-<lb/>
fer Sees. Der Weg dahin i&#x017F;t &#x017F;ehr angenehm an<lb/>
dem Fuß des Berges, der &#x017F;ich dicht an dem See von<lb/><hi rendition="#fr">Lau&#x017F;anne</hi> bis nach <hi rendition="#fr">Vevay</hi> er&#x017F;treckt. Die&#x017F;er ganze<lb/>
Berg i&#x017F;t an der Mittags&#x017F;eite, die eigentlich die Ku&#x0364;&#x017F;te<lb/>
des Sees ausmacht, mit Weinreben be&#x017F;etzt, einige<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D</fw><fw place="bottom" type="catch">weni-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0067] gethanen Reiſe. Unter dieſen Umſtaͤnden brachte ich meine Zeit in Lauſanne auf eine ſehr angenehme Weiſe zu, und fand auch eine merkliche Beſſerung meiner Geſund- heit. Gern wuͤrde ich mich laͤnger an einem ſo ange- nehmen Ort aufgehalten haben, wenn nicht Hr. Tiſ- ſot ſelbſt mir gerathen haͤtte, vor dem ungewiſſen Ein- bruch des kalten Herbſtwetters die Provence zu er- reichen. Hier bekam ich auch einige authentiſche Nachrich- ten von dem beruͤhmten Mr. Court de Gebelin, deſ- ſen großes Unternehmen, welches er unter dem Titel le Monde primitif bekannt gemacht, die Aufmerk- ſamkeit der Liebhaber der Litteratur auf ſich zieht. Er iſt in Lauſanne geboren, dahin ſich ſein Vater, ein proteſtantiſcher Prediger aus Languedoc, gefluͤchtet hatte. Nachdem der junge Court de Gebelin ſeine Studia da ſo weit getrieben hatte, daß er zum Pre- diger ordinirt worden, kehrte er wieder nach Frank- reich zuruͤck, und ließ ſich in Paris nieder, in Hoff- nung, da Gelegenheit zu finden, ſeinen Glaubensge- noſſen in Languedoc einige Dienſte zu leiſten. Waͤhrend meines Aufenthalts in Lauſanne machte ich mir einen Tag den Zeitvertreib einer Spa- zierfahrt nach Vevay, einen Ort, von deſſen ſonder- barer Annehmlichkeit ich ſo oft habe ſprechen gehoͤrt. Dieſe Stadt liegt drey ſtarke Stunden ober- halb Lauſanne an dem obern Theil des Gen- fer Sees. Der Weg dahin iſt ſehr angenehm an dem Fuß des Berges, der ſich dicht an dem See von Lauſanne bis nach Vevay erſtreckt. Dieſer ganze Berg iſt an der Mittagsſeite, die eigentlich die Kuͤſte des Sees ausmacht, mit Weinreben beſetzt, einige weni- Weg von Lauſanne nach Vevay. D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/67
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/67>, abgerufen am 05.05.2024.