Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Sub
welche nicht reden, müssen den Redenden zuhören,
und an ihren Stellungen, Minen, Gebehrden und
Bewegungen, muß man den verschiedenen Eindruk
der Rede sehen. Das stumme Spiehl muß einige
Aehnlichkeit mit der Begleitung der Jnstrumente
beym Gesang haben. Vor allen Dingen müssen die
Schauspiehler sich dafür in Acht nehmen, daß ihr
Spiehl die Aufmerkfamkeit auf die Hauptpersonen,
welche izt reden, nicht schwäche. Deswegen muß
jede Mine, jede Stellung und Gebehrde gemäßigt
seyn, daß sie nicht hervorsteche. Stumme Personen
müssen sich immer erinnern, daß sie izt den Reden-
den untergeordnet sind. Es därf kaum gesagt wer-
den, daß das stumme Spiehl nichts gegen den Geist
des Auftritts enthalten müsse, denn dieses ist jedem
offenbar. Aber dieses muß den Schauspiehlern auf
das nachdrüklichste empfohlen werden, daß sie nichts
gezwungenes und nichts künstliches machen. Weit
besser wär' es, wenn sie gar nichts machten, und
unbeweglich zuhörten. Nichts ist unerträglicher
und der Täuschung, die beym Schauspiehl so sehr
nothwendig ist, mehr entgegen, als wenn man
Zwang und Kunst sehen läßt. Der Zuschauer muß
gar nicht gewahr werden, daß der Schauspiehler
auf sich selbst Achtung giebt.

Jn den Auftritten, wo eine stumme Person für
sich steht und keinen Antheil an der Handlung nihmt,
die alsdenn die Hauptsache des Auftritts ausmacht,
wäre zu wünschen, daß der Schaufpiehler gänzlich
vergäße, daß noch jemand außer ihm auf der Bühne
stehe. Er muß völlig so handeln, als wenn er ganz
ohne Zeugen wäre. Aber vorher muß er genau
nachdenken, wie weit sein Spiehl den andern Perso-
nen untergeordnet sey.

Sturzrinne.
(Baukunst.)

Ein großes Glied, das an dem Kranz der Gesimse,
auch an dem Fuß der Säulenstühle gebraucht wird.
Man findet die Zeichnung davon im Artikel Glieder.

Subsemitonium.
(Musik.)

Die große Terz der Dominante, oder der untere
halbe Ton sowol des Haupttones, als überhaupt je-
des Tones, in den ausgewichen wird. Dieser Ton hat
etwas von der Eigenschaft der wesentlichen kleinen
Septime an sich; er unterhält wie diese, den Ton
[Spaltenumbruch]

Syl
darin man ist, befördert jede Ausweichung (*), und
erregt allezeit das Gefühl des folgenden Accordes
der Tonica, bey dem er einen Grad über sich in die
Tonica geht. Z. B.

[Abbildung]

Ohne das Subsemitonium, welches auch Semito-
nium modi genennet wird, kann kein vollkommener
Schluß weder in der Moll-noch Dur-Tonart be-
werkstelliget werden; mit ihm hingegen kann der
Schluß auch ohne die wesentliche Septime vollkom-
men seyn, auf folgende Art:

[Abbildung]

Man hat in vielstimmigen Sachen wol darauf Acht
zu geben, daß das Subsemitonium nicht verdoppelt
werde; nicht allein, wenn der Fundamentalton im
Baß angeschlagen wird, sondern auch bey den Ver-
wechslungen des Dominantenaccordes; weil jede
Verdoppelung desselben hart klinget, und entweder
verbotene Octavenfortschreitungen oder einen steifen
Gesang verursachet. (*) Daher kann bey dem Sex-
tenaccord des folgenden Beyspiehles die Sexte des
ersten Exempels verdoppelt werden, in dem zweyten
aber nicht, weil sie das Subsemitonium ist.

[Abbildung]
Sylbenmaaß.

Das Wort scheinet in verschiedenen Bedeutungen
genommen zu werden. Ueberhaupt drükt es das
regelmäßige Abmessen der Sylben aus, in sofern es
auf ihrer Länge und Kürze geht; wie wenn man
sagte; die gebundene Rede unterscheide sich von der
ungebundenen dadurch, daß in jener ein Sylbenmaaß
beobachtet werde. Nach dieser Bedeutung wird es
auch gebraucht, wenn man von einem Gedichte sagt,

die
(*) S.
Auswei-
chung S.
117 u. 118.
(*) S.
Leitten.
Z z z z z z 3

[Spaltenumbruch]

Sub
welche nicht reden, muͤſſen den Redenden zuhoͤren,
und an ihren Stellungen, Minen, Gebehrden und
Bewegungen, muß man den verſchiedenen Eindruk
der Rede ſehen. Das ſtumme Spiehl muß einige
Aehnlichkeit mit der Begleitung der Jnſtrumente
beym Geſang haben. Vor allen Dingen muͤſſen die
Schauſpiehler ſich dafuͤr in Acht nehmen, daß ihr
Spiehl die Aufmerkfamkeit auf die Hauptperſonen,
welche izt reden, nicht ſchwaͤche. Deswegen muß
jede Mine, jede Stellung und Gebehrde gemaͤßigt
ſeyn, daß ſie nicht hervorſteche. Stumme Perſonen
muͤſſen ſich immer erinnern, daß ſie izt den Reden-
den untergeordnet ſind. Es daͤrf kaum geſagt wer-
den, daß das ſtumme Spiehl nichts gegen den Geiſt
des Auftritts enthalten muͤſſe, denn dieſes iſt jedem
offenbar. Aber dieſes muß den Schauſpiehlern auf
das nachdruͤklichſte empfohlen werden, daß ſie nichts
gezwungenes und nichts kuͤnſtliches machen. Weit
beſſer waͤr’ es, wenn ſie gar nichts machten, und
unbeweglich zuhoͤrten. Nichts iſt unertraͤglicher
und der Taͤuſchung, die beym Schauſpiehl ſo ſehr
nothwendig iſt, mehr entgegen, als wenn man
Zwang und Kunſt ſehen laͤßt. Der Zuſchauer muß
gar nicht gewahr werden, daß der Schauſpiehler
auf ſich ſelbſt Achtung giebt.

Jn den Auftritten, wo eine ſtumme Perſon fuͤr
ſich ſteht und keinen Antheil an der Handlung nihmt,
die alsdenn die Hauptſache des Auftritts ausmacht,
waͤre zu wuͤnſchen, daß der Schaufpiehler gaͤnzlich
vergaͤße, daß noch jemand außer ihm auf der Buͤhne
ſtehe. Er muß voͤllig ſo handeln, als wenn er ganz
ohne Zeugen waͤre. Aber vorher muß er genau
nachdenken, wie weit ſein Spiehl den andern Perſo-
nen untergeordnet ſey.

Sturzrinne.
(Baukunſt.)

Ein großes Glied, das an dem Kranz der Geſimſe,
auch an dem Fuß der Saͤulenſtuͤhle gebraucht wird.
Man findet die Zeichnung davon im Artikel Glieder.

Subſemitonium.
(Muſik.)

Die große Terz der Dominante, oder der untere
halbe Ton ſowol des Haupttones, als uͤberhaupt je-
des Tones, in den ausgewichen wird. Dieſer Ton hat
etwas von der Eigenſchaft der weſentlichen kleinen
Septime an ſich; er unterhaͤlt wie dieſe, den Ton
[Spaltenumbruch]

Syl
darin man iſt, befoͤrdert jede Ausweichung (*), und
erregt allezeit das Gefuͤhl des folgenden Accordes
der Tonica, bey dem er einen Grad uͤber ſich in die
Tonica geht. Z. B.

[Abbildung]

Ohne das Subſemitonium, welches auch Semito-
nium modi genennet wird, kann kein vollkommener
Schluß weder in der Moll-noch Dur-Tonart be-
werkſtelliget werden; mit ihm hingegen kann der
Schluß auch ohne die weſentliche Septime vollkom-
men ſeyn, auf folgende Art:

[Abbildung]

Man hat in vielſtimmigen Sachen wol darauf Acht
zu geben, daß das Subſemitonium nicht verdoppelt
werde; nicht allein, wenn der Fundamentalton im
Baß angeſchlagen wird, ſondern auch bey den Ver-
wechslungen des Dominantenaccordes; weil jede
Verdoppelung deſſelben hart klinget, und entweder
verbotene Octavenfortſchreitungen oder einen ſteifen
Geſang verurſachet. (*) Daher kann bey dem Sex-
tenaccord des folgenden Beyſpiehles die Sexte des
erſten Exempels verdoppelt werden, in dem zweyten
aber nicht, weil ſie das Subſemitonium iſt.

[Abbildung]
Sylbenmaaß.

Das Wort ſcheinet in verſchiedenen Bedeutungen
genommen zu werden. Ueberhaupt druͤkt es das
regelmaͤßige Abmeſſen der Sylben aus, in ſofern es
auf ihrer Laͤnge und Kuͤrze geht; wie wenn man
ſagte; die gebundene Rede unterſcheide ſich von der
ungebundenen dadurch, daß in jener ein Sylbenmaaß
beobachtet werde. Nach dieſer Bedeutung wird es
auch gebraucht, wenn man von einem Gedichte ſagt,

die
(*) S.
Auswei-
chung S.
117 u. 118.
(*) S.
Leitten.
Z z z z z z 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0548" n="1119[1101]"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sub</hi></fw><lb/>
welche nicht reden, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en den Redenden zuho&#x0364;ren,<lb/>
und an ihren Stellungen, Minen, Gebehrden und<lb/>
Bewegungen, muß man den ver&#x017F;chiedenen Eindruk<lb/>
der Rede &#x017F;ehen. Das &#x017F;tumme Spiehl muß einige<lb/>
Aehnlichkeit mit der Begleitung der Jn&#x017F;trumente<lb/>
beym Ge&#x017F;ang haben. Vor allen Dingen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die<lb/>
Schau&#x017F;piehler &#x017F;ich dafu&#x0364;r in Acht nehmen, daß ihr<lb/>
Spiehl die Aufmerkfamkeit auf die Hauptper&#x017F;onen,<lb/>
welche izt reden, nicht &#x017F;chwa&#x0364;che. Deswegen muß<lb/>
jede Mine, jede Stellung und Gebehrde gema&#x0364;ßigt<lb/>
&#x017F;eyn, daß &#x017F;ie nicht hervor&#x017F;teche. Stumme Per&#x017F;onen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich immer erinnern, daß &#x017F;ie izt den Reden-<lb/>
den untergeordnet &#x017F;ind. Es da&#x0364;rf kaum ge&#x017F;agt wer-<lb/>
den, daß das &#x017F;tumme Spiehl nichts gegen den Gei&#x017F;t<lb/>
des Auftritts enthalten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, denn die&#x017F;es i&#x017F;t jedem<lb/>
offenbar. Aber die&#x017F;es muß den Schau&#x017F;piehlern auf<lb/>
das nachdru&#x0364;klich&#x017F;te empfohlen werden, daß &#x017F;ie nichts<lb/>
gezwungenes und nichts ku&#x0364;n&#x017F;tliches machen. Weit<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er wa&#x0364;r&#x2019; es, wenn &#x017F;ie gar nichts machten, und<lb/>
unbeweglich zuho&#x0364;rten. Nichts i&#x017F;t unertra&#x0364;glicher<lb/>
und der Ta&#x0364;u&#x017F;chung, die beym Schau&#x017F;piehl &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
nothwendig i&#x017F;t, mehr entgegen, als wenn man<lb/>
Zwang und Kun&#x017F;t &#x017F;ehen la&#x0364;ßt. Der Zu&#x017F;chauer muß<lb/>
gar nicht gewahr werden, daß der Schau&#x017F;piehler<lb/>
auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Achtung giebt.</p><lb/>
          <p>Jn den Auftritten, wo eine &#x017F;tumme Per&#x017F;on fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;teht und keinen Antheil an der Handlung nihmt,<lb/>
die alsdenn die Haupt&#x017F;ache des Auftritts ausmacht,<lb/>
wa&#x0364;re zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß der Schaufpiehler ga&#x0364;nzlich<lb/>
verga&#x0364;ße, daß noch jemand außer ihm auf der Bu&#x0364;hne<lb/>
&#x017F;tehe. Er muß vo&#x0364;llig &#x017F;o handeln, als wenn er ganz<lb/>
ohne Zeugen wa&#x0364;re. Aber vorher muß er genau<lb/>
nachdenken, wie weit &#x017F;ein Spiehl den andern Per&#x017F;o-<lb/>
nen untergeordnet &#x017F;ey.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Sturzrinne.</hi></hi><lb/>
(Baukun&#x017F;t.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>in großes Glied, das an dem Kranz der Ge&#x017F;im&#x017F;e,<lb/>
auch an dem Fuß der Sa&#x0364;ulen&#x017F;tu&#x0364;hle gebraucht wird.<lb/>
Man findet die Zeichnung davon im Artikel Glieder.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Sub&#x017F;emitonium.</hi></hi><lb/>
(Mu&#x017F;ik.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie große Terz der Dominante, oder der untere<lb/>
halbe Ton &#x017F;owol des Haupttones, als u&#x0364;berhaupt je-<lb/>
des Tones, in den ausgewichen wird. Die&#x017F;er Ton hat<lb/>
etwas von der Eigen&#x017F;chaft der we&#x017F;entlichen kleinen<lb/>
Septime an &#x017F;ich; er unterha&#x0364;lt wie die&#x017F;e, den Ton<lb/><cb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Syl</hi></fw><lb/>
darin man i&#x017F;t, befo&#x0364;rdert jede Ausweichung <note place="foot" n="(*)">S.<lb/>
Auswei-<lb/>
chung S.<lb/>
117 u. 118.</note>, und<lb/>
erregt allezeit das Gefu&#x0364;hl des folgenden Accordes<lb/>
der Tonica, bey dem er einen Grad u&#x0364;ber &#x017F;ich in die<lb/>
Tonica geht. Z. B.</p><lb/>
          <figure/>
          <p>Ohne das Sub&#x017F;emitonium, welches auch Semito-<lb/>
nium modi genennet wird, kann kein vollkommener<lb/>
Schluß weder in der Moll-noch Dur-Tonart be-<lb/>
werk&#x017F;telliget werden; mit ihm hingegen kann der<lb/>
Schluß auch ohne die we&#x017F;entliche Septime vollkom-<lb/>
men &#x017F;eyn, auf folgende Art:</p><lb/>
          <figure/>
          <p>Man hat in viel&#x017F;timmigen Sachen wol darauf Acht<lb/>
zu geben, daß das Sub&#x017F;emitonium nicht verdoppelt<lb/>
werde; nicht allein, wenn der Fundamentalton im<lb/>
Baß ange&#x017F;chlagen wird, &#x017F;ondern auch bey den Ver-<lb/>
wechslungen des Dominantenaccordes; weil jede<lb/>
Verdoppelung de&#x017F;&#x017F;elben hart klinget, und entweder<lb/>
verbotene Octavenfort&#x017F;chreitungen oder einen &#x017F;teifen<lb/>
Ge&#x017F;ang verur&#x017F;achet. <note place="foot" n="(*)">S.<lb/>
Leitten.</note> Daher kann bey dem Sex-<lb/>
tenaccord des folgenden Bey&#x017F;piehles die Sexte des<lb/>
er&#x017F;ten Exempels verdoppelt werden, in dem zweyten<lb/>
aber nicht, weil &#x017F;ie das Sub&#x017F;emitonium i&#x017F;t.</p><lb/>
          <figure/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Sylbenmaaß.</hi> </hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>as Wort &#x017F;cheinet in ver&#x017F;chiedenen Bedeutungen<lb/>
genommen zu werden. Ueberhaupt dru&#x0364;kt es das<lb/>
regelma&#x0364;ßige Abme&#x017F;&#x017F;en der Sylben aus, in &#x017F;ofern es<lb/>
auf ihrer La&#x0364;nge und Ku&#x0364;rze geht; wie wenn man<lb/>
&#x017F;agte; die gebundene Rede unter&#x017F;cheide &#x017F;ich von der<lb/>
ungebundenen dadurch, daß in jener ein Sylbenmaaß<lb/>
beobachtet werde. Nach die&#x017F;er Bedeutung wird es<lb/>
auch gebraucht, wenn man von einem Gedichte &#x017F;agt,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z z z z z z 3</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1119[1101]/0548] Sub Syl welche nicht reden, muͤſſen den Redenden zuhoͤren, und an ihren Stellungen, Minen, Gebehrden und Bewegungen, muß man den verſchiedenen Eindruk der Rede ſehen. Das ſtumme Spiehl muß einige Aehnlichkeit mit der Begleitung der Jnſtrumente beym Geſang haben. Vor allen Dingen muͤſſen die Schauſpiehler ſich dafuͤr in Acht nehmen, daß ihr Spiehl die Aufmerkfamkeit auf die Hauptperſonen, welche izt reden, nicht ſchwaͤche. Deswegen muß jede Mine, jede Stellung und Gebehrde gemaͤßigt ſeyn, daß ſie nicht hervorſteche. Stumme Perſonen muͤſſen ſich immer erinnern, daß ſie izt den Reden- den untergeordnet ſind. Es daͤrf kaum geſagt wer- den, daß das ſtumme Spiehl nichts gegen den Geiſt des Auftritts enthalten muͤſſe, denn dieſes iſt jedem offenbar. Aber dieſes muß den Schauſpiehlern auf das nachdruͤklichſte empfohlen werden, daß ſie nichts gezwungenes und nichts kuͤnſtliches machen. Weit beſſer waͤr’ es, wenn ſie gar nichts machten, und unbeweglich zuhoͤrten. Nichts iſt unertraͤglicher und der Taͤuſchung, die beym Schauſpiehl ſo ſehr nothwendig iſt, mehr entgegen, als wenn man Zwang und Kunſt ſehen laͤßt. Der Zuſchauer muß gar nicht gewahr werden, daß der Schauſpiehler auf ſich ſelbſt Achtung giebt. Jn den Auftritten, wo eine ſtumme Perſon fuͤr ſich ſteht und keinen Antheil an der Handlung nihmt, die alsdenn die Hauptſache des Auftritts ausmacht, waͤre zu wuͤnſchen, daß der Schaufpiehler gaͤnzlich vergaͤße, daß noch jemand außer ihm auf der Buͤhne ſtehe. Er muß voͤllig ſo handeln, als wenn er ganz ohne Zeugen waͤre. Aber vorher muß er genau nachdenken, wie weit ſein Spiehl den andern Perſo- nen untergeordnet ſey. Sturzrinne. (Baukunſt.) Ein großes Glied, das an dem Kranz der Geſimſe, auch an dem Fuß der Saͤulenſtuͤhle gebraucht wird. Man findet die Zeichnung davon im Artikel Glieder. Subſemitonium. (Muſik.) Die große Terz der Dominante, oder der untere halbe Ton ſowol des Haupttones, als uͤberhaupt je- des Tones, in den ausgewichen wird. Dieſer Ton hat etwas von der Eigenſchaft der weſentlichen kleinen Septime an ſich; er unterhaͤlt wie dieſe, den Ton darin man iſt, befoͤrdert jede Ausweichung (*), und erregt allezeit das Gefuͤhl des folgenden Accordes der Tonica, bey dem er einen Grad uͤber ſich in die Tonica geht. Z. B. [Abbildung] Ohne das Subſemitonium, welches auch Semito- nium modi genennet wird, kann kein vollkommener Schluß weder in der Moll-noch Dur-Tonart be- werkſtelliget werden; mit ihm hingegen kann der Schluß auch ohne die weſentliche Septime vollkom- men ſeyn, auf folgende Art: [Abbildung] Man hat in vielſtimmigen Sachen wol darauf Acht zu geben, daß das Subſemitonium nicht verdoppelt werde; nicht allein, wenn der Fundamentalton im Baß angeſchlagen wird, ſondern auch bey den Ver- wechslungen des Dominantenaccordes; weil jede Verdoppelung deſſelben hart klinget, und entweder verbotene Octavenfortſchreitungen oder einen ſteifen Geſang verurſachet. (*) Daher kann bey dem Sex- tenaccord des folgenden Beyſpiehles die Sexte des erſten Exempels verdoppelt werden, in dem zweyten aber nicht, weil ſie das Subſemitonium iſt. [Abbildung] Sylbenmaaß. Das Wort ſcheinet in verſchiedenen Bedeutungen genommen zu werden. Ueberhaupt druͤkt es das regelmaͤßige Abmeſſen der Sylben aus, in ſofern es auf ihrer Laͤnge und Kuͤrze geht; wie wenn man ſagte; die gebundene Rede unterſcheide ſich von der ungebundenen dadurch, daß in jener ein Sylbenmaaß beobachtet werde. Nach dieſer Bedeutung wird es auch gebraucht, wenn man von einem Gedichte ſagt, die (*) S. Auswei- chung S. 117 u. 118. (*) S. Leitten. Z z z z z z 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/548
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1119[1101]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/548>, abgerufen am 28.04.2024.