Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

und über das Denken.
was mehreres unter ihrer ursachlichen Verknüpfung
vorstellen, als die Association in den Jdeen und die blo-
ße Mitwirklichkeit in den Objekten. Die Wärme ist
die Ursache von der Ausdehnung der Körper. Es mag
seyn, daß wir keinen andern Grund zu diesem Ausspruch
vor uns haben, als die beständige Verbindung der Wär-
me in dem Körper mit der darauf folgenden Ausdehnung
in unsern Empfindungen. Es mag seyn, daß diese in
uns zur Fertigkeit gewordene feste Verknüpfung das ein-
zigste ist, was uns von einer Vorstellung zu der andern
forttreibet, und den Gedanken von ihrem Daseyn, so zu
sagen, von der Jdee des Vorhergehenden über die Jdee
des Nachfolgenden hinziehet; so setzen wir dennoch in
uns selbst voraus, daß noch eine andere reelle Verknü-
pfung zwischen den Objekten vorhanden sey. Wir sehen
nemlich die Jdeen in uns in einer nothwendigen Fol-
ge. Woher diese Verknüpfung auch immer so nothwen-
dig geworden seyn mag, so ziehen wir sie doch in Be-
tracht, und nehmen an, daß ein ihnen entsprechender
nothwendiger Zusammenhang in den Gegenständen vor-
handen sey. Die nothwendige Verknüpfung der
Jdeen in ihrer Folge in uns ist eigentlich unsere Vor-
stellung
von der verursachenden Verbindung.
Denn sobald wir einsehen, daß jene Verbindung der
Jdeen nichts mehr ist, als eine Association der Einbil-
dungskraft, und daß es eine blos subjektivische Noth-
wendigkeit sey, womit Eine auf die andere folget, so
fällt das Urtheil des Verstandes weg, wodurch die Ob-
jekte selbst für abhängig von einander erkläret werden.

Hieraus erhellet soviel, daß wenn gleich Hr. Hume
es bewiesen hätte, daß keiner unserer Aussprüche über
die ursachliche Verknüpfung der Dinge einen reellern
Grund habe, als den angegebenen, so sey doch in dem
Begrif von dieser Verbindung noch ein anders Jngre-
dienz, das aus der Art der Jdeenverbindung genommen,

und

und uͤber das Denken.
was mehreres unter ihrer urſachlichen Verknuͤpfung
vorſtellen, als die Aſſociation in den Jdeen und die blo-
ße Mitwirklichkeit in den Objekten. Die Waͤrme iſt
die Urſache von der Ausdehnung der Koͤrper. Es mag
ſeyn, daß wir keinen andern Grund zu dieſem Ausſpruch
vor uns haben, als die beſtaͤndige Verbindung der Waͤr-
me in dem Koͤrper mit der darauf folgenden Ausdehnung
in unſern Empfindungen. Es mag ſeyn, daß dieſe in
uns zur Fertigkeit gewordene feſte Verknuͤpfung das ein-
zigſte iſt, was uns von einer Vorſtellung zu der andern
forttreibet, und den Gedanken von ihrem Daſeyn, ſo zu
ſagen, von der Jdee des Vorhergehenden uͤber die Jdee
des Nachfolgenden hinziehet; ſo ſetzen wir dennoch in
uns ſelbſt voraus, daß noch eine andere reelle Verknuͤ-
pfung zwiſchen den Objekten vorhanden ſey. Wir ſehen
nemlich die Jdeen in uns in einer nothwendigen Fol-
ge. Woher dieſe Verknuͤpfung auch immer ſo nothwen-
dig geworden ſeyn mag, ſo ziehen wir ſie doch in Be-
tracht, und nehmen an, daß ein ihnen entſprechender
nothwendiger Zuſammenhang in den Gegenſtaͤnden vor-
handen ſey. Die nothwendige Verknuͤpfung der
Jdeen in ihrer Folge in uns iſt eigentlich unſere Vor-
ſtellung
von der verurſachenden Verbindung.
Denn ſobald wir einſehen, daß jene Verbindung der
Jdeen nichts mehr iſt, als eine Aſſociation der Einbil-
dungskraft, und daß es eine blos ſubjektiviſche Noth-
wendigkeit ſey, womit Eine auf die andere folget, ſo
faͤllt das Urtheil des Verſtandes weg, wodurch die Ob-
jekte ſelbſt fuͤr abhaͤngig von einander erklaͤret werden.

Hieraus erhellet ſoviel, daß wenn gleich Hr. Hume
es bewieſen haͤtte, daß keiner unſerer Ausſpruͤche uͤber
die urſachliche Verknuͤpfung der Dinge einen reellern
Grund habe, als den angegebenen, ſo ſey doch in dem
Begrif von dieſer Verbindung noch ein anders Jngre-
dienz, das aus der Art der Jdeenverbindung genommen,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0377" n="317"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und u&#x0364;ber das Denken.</hi></fw><lb/>
was mehreres unter ihrer <hi rendition="#fr">ur&#x017F;achlichen Verknu&#x0364;pfung</hi><lb/>
vor&#x017F;tellen, als die A&#x017F;&#x017F;ociation in den Jdeen und die blo-<lb/>
ße Mitwirklichkeit in den Objekten. Die Wa&#x0364;rme i&#x017F;t<lb/>
die Ur&#x017F;ache von der Ausdehnung der Ko&#x0364;rper. Es mag<lb/>
&#x017F;eyn, daß wir keinen andern Grund zu die&#x017F;em Aus&#x017F;pruch<lb/>
vor uns haben, als die be&#x017F;ta&#x0364;ndige Verbindung der Wa&#x0364;r-<lb/>
me in dem Ko&#x0364;rper mit der darauf folgenden Ausdehnung<lb/>
in un&#x017F;ern Empfindungen. Es mag &#x017F;eyn, daß die&#x017F;e in<lb/>
uns zur Fertigkeit gewordene fe&#x017F;te Verknu&#x0364;pfung das ein-<lb/>
zig&#x017F;te i&#x017F;t, was uns von einer Vor&#x017F;tellung zu der andern<lb/>
forttreibet, und den Gedanken von ihrem Da&#x017F;eyn, &#x017F;o zu<lb/>
&#x017F;agen, von der Jdee des Vorhergehenden u&#x0364;ber die Jdee<lb/>
des Nachfolgenden hinziehet; &#x017F;o &#x017F;etzen wir dennoch in<lb/>
uns &#x017F;elb&#x017F;t voraus, daß noch eine andere reelle Verknu&#x0364;-<lb/>
pfung zwi&#x017F;chen den Objekten vorhanden &#x017F;ey. Wir &#x017F;ehen<lb/>
nemlich die Jdeen in uns in einer <hi rendition="#fr">nothwendigen</hi> Fol-<lb/>
ge. Woher die&#x017F;e Verknu&#x0364;pfung auch immer &#x017F;o nothwen-<lb/>
dig geworden &#x017F;eyn mag, &#x017F;o ziehen wir &#x017F;ie doch in Be-<lb/>
tracht, und nehmen an, daß ein ihnen ent&#x017F;prechender<lb/>
nothwendiger Zu&#x017F;ammenhang in den Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden vor-<lb/>
handen &#x017F;ey. Die <hi rendition="#fr">nothwendige</hi> Verknu&#x0364;pfung der<lb/>
Jdeen in ihrer Folge in uns i&#x017F;t eigentlich un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">Vor-<lb/>
&#x017F;tellung</hi> von der <hi rendition="#fr">verur&#x017F;achenden Verbindung.</hi><lb/>
Denn &#x017F;obald wir ein&#x017F;ehen, daß jene Verbindung der<lb/>
Jdeen nichts mehr i&#x017F;t, als eine A&#x017F;&#x017F;ociation der Einbil-<lb/>
dungskraft, und daß es eine blos <hi rendition="#fr">&#x017F;ubjektivi&#x017F;che</hi> Noth-<lb/>
wendigkeit &#x017F;ey, womit Eine auf die andere folget, &#x017F;o<lb/>
fa&#x0364;llt das Urtheil des Ver&#x017F;tandes weg, wodurch die Ob-<lb/>
jekte &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">abha&#x0364;ngig</hi> von einander erkla&#x0364;ret werden.</p><lb/>
            <p>Hieraus erhellet &#x017F;oviel, daß wenn gleich Hr. <hi rendition="#fr">Hume</hi><lb/>
es bewie&#x017F;en ha&#x0364;tte, daß keiner un&#x017F;erer Aus&#x017F;pru&#x0364;che u&#x0364;ber<lb/>
die ur&#x017F;achliche Verknu&#x0364;pfung der Dinge einen reellern<lb/>
Grund habe, als den angegebenen, &#x017F;o &#x017F;ey doch in dem<lb/>
Begrif von die&#x017F;er Verbindung noch ein anders Jngre-<lb/>
dienz, das aus der Art der Jdeenverbindung genommen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0377] und uͤber das Denken. was mehreres unter ihrer urſachlichen Verknuͤpfung vorſtellen, als die Aſſociation in den Jdeen und die blo- ße Mitwirklichkeit in den Objekten. Die Waͤrme iſt die Urſache von der Ausdehnung der Koͤrper. Es mag ſeyn, daß wir keinen andern Grund zu dieſem Ausſpruch vor uns haben, als die beſtaͤndige Verbindung der Waͤr- me in dem Koͤrper mit der darauf folgenden Ausdehnung in unſern Empfindungen. Es mag ſeyn, daß dieſe in uns zur Fertigkeit gewordene feſte Verknuͤpfung das ein- zigſte iſt, was uns von einer Vorſtellung zu der andern forttreibet, und den Gedanken von ihrem Daſeyn, ſo zu ſagen, von der Jdee des Vorhergehenden uͤber die Jdee des Nachfolgenden hinziehet; ſo ſetzen wir dennoch in uns ſelbſt voraus, daß noch eine andere reelle Verknuͤ- pfung zwiſchen den Objekten vorhanden ſey. Wir ſehen nemlich die Jdeen in uns in einer nothwendigen Fol- ge. Woher dieſe Verknuͤpfung auch immer ſo nothwen- dig geworden ſeyn mag, ſo ziehen wir ſie doch in Be- tracht, und nehmen an, daß ein ihnen entſprechender nothwendiger Zuſammenhang in den Gegenſtaͤnden vor- handen ſey. Die nothwendige Verknuͤpfung der Jdeen in ihrer Folge in uns iſt eigentlich unſere Vor- ſtellung von der verurſachenden Verbindung. Denn ſobald wir einſehen, daß jene Verbindung der Jdeen nichts mehr iſt, als eine Aſſociation der Einbil- dungskraft, und daß es eine blos ſubjektiviſche Noth- wendigkeit ſey, womit Eine auf die andere folget, ſo faͤllt das Urtheil des Verſtandes weg, wodurch die Ob- jekte ſelbſt fuͤr abhaͤngig von einander erklaͤret werden. Hieraus erhellet ſoviel, daß wenn gleich Hr. Hume es bewieſen haͤtte, daß keiner unſerer Ausſpruͤche uͤber die urſachliche Verknuͤpfung der Dinge einen reellern Grund habe, als den angegebenen, ſo ſey doch in dem Begrif von dieſer Verbindung noch ein anders Jngre- dienz, das aus der Art der Jdeenverbindung genommen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/377
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/377>, abgerufen am 06.05.2024.