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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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und über das Denken.
Aber eben dieß macht es nothwendig, die unwirksamen
Beziehungen aus der Art der Koexistenz von der ursach-
lichen Verbindung wesentlich zu unterscheiden.

Um demnach die einfachen Verhältnisse, welche
auch einfache Denkarten und also einfache Wirkungen
unserer Denkkraft sind, im allgemeinen vollständig zu
klassificiren, zähle ich ihrer drey Arten. Eine Art
entspringet aus der Vergleichung der Vorstellun-
gen.
Dieß ist die Klasse der Jdentität und Diversität,
und ihrer Arten, und das sind die eigentlichen Relatio-
nes
oder Verhältnisse, Vergleichungsverhältnisse
(relations de comparaison). Eine andere entsprin-
get aus dem Zusammennehmen und Absondern,
Verbinden
und Trennen der Vorstellungen, und den
mancherley Arten, auf welche solches geschehen kann.
Dahin gehören das Jneinanderseyn, oder die Bezie-
hung, die eins auf das andere hat, als eine Beschaffen-
heit oder ein Prädikat auf das Subjekt, worinn es sich
befindet. Ferner, wenn von den Beziehungen sol-
cher Dinge die Rede ist, deren jedes wie ein besonders
Ding für sich angesehen wird, das Verbundenseyn
und das Getrenntseyn, das Zugleichseyn, die Fol-
ge,
die Ordnung, und alle besondere Arten der Mit-
wirklichkeit:
diese können durch den Namen: unwirk-
same Beziehungen, Mitwirklichkeits-Beziehun-
gen
(relations de combinaison) unterschieden werden.
Hievon ist alsdenn die dritte allgemeine Gattung unter-
schieden, welche die Verhältnisse der Dependenz, die
Verbindung des Gegründeten mit seinem Grunde,
und der Wirkung mit ihrer Ursache, in sich fasset.
Die Thätigkeit der Denkkraft, mit der wir die erstge-
dachten Verhältnisse erkennen, bestehet in dem Verglei-
chen
und Gewahrnehmen. Die Thätigkeit, mit der
die unwirksamen Beziehungen gedacht werden -- sie be-
stehen auch, worinn sie wollen -- äußert sich, wenn

wir

und uͤber das Denken.
Aber eben dieß macht es nothwendig, die unwirkſamen
Beziehungen aus der Art der Koexiſtenz von der urſach-
lichen Verbindung weſentlich zu unterſcheiden.

Um demnach die einfachen Verhaͤltniſſe, welche
auch einfache Denkarten und alſo einfache Wirkungen
unſerer Denkkraft ſind, im allgemeinen vollſtaͤndig zu
klaſſificiren, zaͤhle ich ihrer drey Arten. Eine Art
entſpringet aus der Vergleichung der Vorſtellun-
gen.
Dieß iſt die Klaſſe der Jdentitaͤt und Diverſitaͤt,
und ihrer Arten, und das ſind die eigentlichen Relatio-
nes
oder Verhaͤltniſſe, Vergleichungsverhaͤltniſſe
(relations de comparaiſon). Eine andere entſprin-
get aus dem Zuſammennehmen und Abſondern,
Verbinden
und Trennen der Vorſtellungen, und den
mancherley Arten, auf welche ſolches geſchehen kann.
Dahin gehoͤren das Jneinanderſeyn, oder die Bezie-
hung, die eins auf das andere hat, als eine Beſchaffen-
heit oder ein Praͤdikat auf das Subjekt, worinn es ſich
befindet. Ferner, wenn von den Beziehungen ſol-
cher Dinge die Rede iſt, deren jedes wie ein beſonders
Ding fuͤr ſich angeſehen wird, das Verbundenſeyn
und das Getrenntſeyn, das Zugleichſeyn, die Fol-
ge,
die Ordnung, und alle beſondere Arten der Mit-
wirklichkeit:
dieſe koͤnnen durch den Namen: unwirk-
ſame Beziehungen, Mitwirklichkeits-Beziehun-
gen
(relations de combinaiſon) unterſchieden werden.
Hievon iſt alsdenn die dritte allgemeine Gattung unter-
ſchieden, welche die Verhaͤltniſſe der Dependenz, die
Verbindung des Gegruͤndeten mit ſeinem Grunde,
und der Wirkung mit ihrer Urſache, in ſich faſſet.
Die Thaͤtigkeit der Denkkraft, mit der wir die erſtge-
dachten Verhaͤltniſſe erkennen, beſtehet in dem Verglei-
chen
und Gewahrnehmen. Die Thaͤtigkeit, mit der
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ſtehen auch, worinn ſie wollen — aͤußert ſich, wenn

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[333/0393] und uͤber das Denken. Aber eben dieß macht es nothwendig, die unwirkſamen Beziehungen aus der Art der Koexiſtenz von der urſach- lichen Verbindung weſentlich zu unterſcheiden. Um demnach die einfachen Verhaͤltniſſe, welche auch einfache Denkarten und alſo einfache Wirkungen unſerer Denkkraft ſind, im allgemeinen vollſtaͤndig zu klaſſificiren, zaͤhle ich ihrer drey Arten. Eine Art entſpringet aus der Vergleichung der Vorſtellun- gen. Dieß iſt die Klaſſe der Jdentitaͤt und Diverſitaͤt, und ihrer Arten, und das ſind die eigentlichen Relatio- nes oder Verhaͤltniſſe, Vergleichungsverhaͤltniſſe (relations de comparaiſon). Eine andere entſprin- get aus dem Zuſammennehmen und Abſondern, Verbinden und Trennen der Vorſtellungen, und den mancherley Arten, auf welche ſolches geſchehen kann. Dahin gehoͤren das Jneinanderſeyn, oder die Bezie- hung, die eins auf das andere hat, als eine Beſchaffen- heit oder ein Praͤdikat auf das Subjekt, worinn es ſich befindet. Ferner, wenn von den Beziehungen ſol- cher Dinge die Rede iſt, deren jedes wie ein beſonders Ding fuͤr ſich angeſehen wird, das Verbundenſeyn und das Getrenntſeyn, das Zugleichſeyn, die Fol- ge, die Ordnung, und alle beſondere Arten der Mit- wirklichkeit: dieſe koͤnnen durch den Namen: unwirk- ſame Beziehungen, Mitwirklichkeits-Beziehun- gen (relations de combinaiſon) unterſchieden werden. Hievon iſt alsdenn die dritte allgemeine Gattung unter- ſchieden, welche die Verhaͤltniſſe der Dependenz, die Verbindung des Gegruͤndeten mit ſeinem Grunde, und der Wirkung mit ihrer Urſache, in ſich faſſet. Die Thaͤtigkeit der Denkkraft, mit der wir die erſtge- dachten Verhaͤltniſſe erkennen, beſtehet in dem Verglei- chen und Gewahrnehmen. Die Thaͤtigkeit, mit der die unwirkſamen Beziehungen gedacht werden — ſie be- ſtehen auch, worinn ſie wollen — aͤußert ſich, wenn wir

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/393>, abgerufen am 24.05.2024.