get, unterschieden ist. Dorten wird eine neue Modisi- kation hervorgebracht, und der wichtigste Theil der Wir- kungen auf uns selbst bestehet in den Lenkungen, die wir der Vorstellungskraft beybringen, und in den Erregun- gen der Jdeen, ohne welche wir niemals willkührlich handeln. Aber diese Thätigkeiten der vorstellenden Kraft, welche die Leidenschaft erreget, ist nur ein uns bekanntes Mittel zu unserer Absicht, nicht aber unser Zweck selbst, der in einer Veränderung des Zustandes, und in der Bewirkung neuer Modifikationen bestehet. Empfindungen, die das Vermögen unsern Zustand zu verändern, in Thätigkeit setzen, sind auch mittelbare Triebfedern für die vorstellende Kraft, in so ferne die Be- stimmung dieser Kraft selbst das Mittel ist -- und man hat in den meisten Fällen kein anderes -- Gemüthsver- änderungen und Handlungen hervorzubringen. Dage- gen geht der natürliche Reiz der Erkenntnißkraft nicht weiter, als bis zur Erkenntniß. Die vorstellende Kraft gehet alsdenn von selbst hervor, ohne mit Gewalt getrie- ben zu werden. Von jenem unmittelbaren Reiz für die Vorstellungskraft habe ich behauptet; er finde sich nur in gemäßigten und deutlichen Empfindungen. Allein wenn die Seele als ein handelndes Wesen thätig ist, und dann in der Richtung zu den Veränderungen ihres Zu- standes hin, zugleich ihre vorstellende Kraft aufbietet, so haben die ihre Aktivität erregenden Gefühle einen an- dern Charakter.
Müssen aber nicht die Empfindungen, welche die vorstellende Kraft erregen sollen, auch angenehme seyn, und gefallen? Jch antworte, dieß sey für sich nicht nöthig, aber die Operationen der vorstellenden und den- kenden Kraft, welche die Seele auf sie anwendet, müs- sen gefallen. Sie muß Lust haben an diesen Arbeiten, und sich darinn fühlen; und daher muß die Empfindung, welche sie dazu reizet, der vorstellenden Kraft angemes-
sen
der Vorſtellungskraft ⁊c.
get, unterſchieden iſt. Dorten wird eine neue Modiſi- kation hervorgebracht, und der wichtigſte Theil der Wir- kungen auf uns ſelbſt beſtehet in den Lenkungen, die wir der Vorſtellungskraft beybringen, und in den Erregun- gen der Jdeen, ohne welche wir niemals willkuͤhrlich handeln. Aber dieſe Thaͤtigkeiten der vorſtellenden Kraft, welche die Leidenſchaft erreget, iſt nur ein uns bekanntes Mittel zu unſerer Abſicht, nicht aber unſer Zweck ſelbſt, der in einer Veraͤnderung des Zuſtandes, und in der Bewirkung neuer Modifikationen beſtehet. Empfindungen, die das Vermoͤgen unſern Zuſtand zu veraͤndern, in Thaͤtigkeit ſetzen, ſind auch mittelbare Triebfedern fuͤr die vorſtellende Kraft, in ſo ferne die Be- ſtimmung dieſer Kraft ſelbſt das Mittel iſt — und man hat in den meiſten Faͤllen kein anderes — Gemuͤthsver- aͤnderungen und Handlungen hervorzubringen. Dage- gen geht der natuͤrliche Reiz der Erkenntnißkraft nicht weiter, als bis zur Erkenntniß. Die vorſtellende Kraft gehet alsdenn von ſelbſt hervor, ohne mit Gewalt getrie- ben zu werden. Von jenem unmittelbaren Reiz fuͤr die Vorſtellungskraft habe ich behauptet; er finde ſich nur in gemaͤßigten und deutlichen Empfindungen. Allein wenn die Seele als ein handelndes Weſen thaͤtig iſt, und dann in der Richtung zu den Veraͤnderungen ihres Zu- ſtandes hin, zugleich ihre vorſtellende Kraft aufbietet, ſo haben die ihre Aktivitaͤt erregenden Gefuͤhle einen an- dern Charakter.
Muͤſſen aber nicht die Empfindungen, welche die vorſtellende Kraft erregen ſollen, auch angenehme ſeyn, und gefallen? Jch antworte, dieß ſey fuͤr ſich nicht noͤthig, aber die Operationen der vorſtellenden und den- kenden Kraft, welche die Seele auf ſie anwendet, muͤſ- ſen gefallen. Sie muß Luſt haben an dieſen Arbeiten, und ſich darinn fuͤhlen; und daher muß die Empfindung, welche ſie dazu reizet, der vorſtellenden Kraft angemeſ-
ſen
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der Vorſtellungskraft ⁊c.
get, unterſchieden iſt. Dorten wird eine neue Modiſi-
kation hervorgebracht, und der wichtigſte Theil der Wir-
kungen auf uns ſelbſt beſtehet in den Lenkungen, die wir
der Vorſtellungskraft beybringen, und in den Erregun-
gen der Jdeen, ohne welche wir niemals willkuͤhrlich
handeln. Aber dieſe Thaͤtigkeiten der vorſtellenden
Kraft, welche die Leidenſchaft erreget, iſt nur ein uns
bekanntes Mittel zu unſerer Abſicht, nicht aber unſer
Zweck ſelbſt, der in einer Veraͤnderung des Zuſtandes,
und in der Bewirkung neuer Modifikationen beſtehet.
Empfindungen, die das Vermoͤgen unſern Zuſtand zu
veraͤndern, in Thaͤtigkeit ſetzen, ſind auch mittelbare
Triebfedern fuͤr die vorſtellende Kraft, in ſo ferne die Be-
ſtimmung dieſer Kraft ſelbſt das Mittel iſt — und man
hat in den meiſten Faͤllen kein anderes — Gemuͤthsver-
aͤnderungen und Handlungen hervorzubringen. Dage-
gen geht der natuͤrliche Reiz der Erkenntnißkraft nicht
weiter, als bis zur Erkenntniß. Die vorſtellende Kraft
gehet alsdenn von ſelbſt hervor, ohne mit Gewalt getrie-
ben zu werden. Von jenem unmittelbaren Reiz fuͤr die
Vorſtellungskraft habe ich behauptet; er finde ſich nur
in gemaͤßigten und deutlichen Empfindungen. Allein
wenn die Seele als ein handelndes Weſen thaͤtig iſt, und
dann in der Richtung zu den Veraͤnderungen ihres Zu-
ſtandes hin, zugleich ihre vorſtellende Kraft aufbietet,
ſo haben die ihre Aktivitaͤt erregenden Gefuͤhle einen an-
dern Charakter.
Muͤſſen aber nicht die Empfindungen, welche die
vorſtellende Kraft erregen ſollen, auch angenehme ſeyn,
und gefallen? Jch antworte, dieß ſey fuͤr ſich nicht
noͤthig, aber die Operationen der vorſtellenden und den-
kenden Kraft, welche die Seele auf ſie anwendet, muͤſ-
ſen gefallen. Sie muß Luſt haben an dieſen Arbeiten,
und ſich darinn fuͤhlen; und daher muß die Empfindung,
welche ſie dazu reizet, der vorſtellenden Kraft angemeſ-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/779>, abgerufen am 29.04.2024.
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